Tour laut Franke eine Farce 20 auffällige Dopingtests
11.07.2008, 17:22 UhrNach einer Woche trügerischer Ruhe hat das Dauer-Thema Doping die Tour de France wieder eingeholt. Bei Routine-Kontrollen vor dem Start der 95. Frankreich-Rundfahrt hat es bei etwa 20 Radprofis "Unregelmäßigkeiten" gegeben. "Etwa 20 Fahrer haben leicht erhöhte Ergebnisse, knapp am Grenzwert", sagte Philippe Sagot von der für die Kontrollen zuständigen französischen Anti-Doping-Agentur AFLD. Bei einigen Fahrern sei der Hämatokritwert, der ein möglicher Indikator für Blutdoping ist, erhöht gewesen.
Zuvor hatte die angesehene Zeitung "Le Monde" berichtet, dass es bei zehn Fahrern "Unregelmäßigkeiten" bei den obligatorischen Kontrollen vor dem Tour-Start in Brest gegeben habe. Die ins Visier geratenen Fahrer, deren Namen noch nicht bekannt sind, sind laut "Le Monde" am Donnerstagabend in ihren Hotels informiert worden.
"Höre zum ersten Mal davon"
Die Teams Milram, Gerolsteiner, CSC-Saxo-Bank, Rabobank und Silence Lotto teilten mit, dass keiner ihrer Fahrer betroffen sei. "Ich habe darüber keine Informationen. Ich höre zum ersten Mal davon", sagte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer nach dem Start der 7. Etappe von Brioude nach Aurillac, die der Spanier Luis Leon Sanchez (Caisse d'Espargne) gewann.
Die Kontrolleure hatten am 3. und 4. Juli vor dem Start in Brest den Hormonstatus und die Blutwerte aller 180 Tour-Teilnehmer getestet. Laut "Le Monde" sollen bei den zehn betroffenen Profis jetzt Ziel-Kontrollen vorgenommen werden. Die Informationen seien auch an den Weltverband UCI gegangen, der zum ersten Mal nicht für die Doping-Kontrollen bei der Tour zuständig ist.
"Reine Volksverdummung"
Die jüngsten Informationen dürften Wasser auf die Mühlen des Doping-Experten Werner Franke sein, der den Tests im Radsport weiter misstraut. "Die Kontroll-Behauptungen sind wie jedes Jahr reine Volksverdummung", sagte der Heidelberger Molekularbiologe der "Hamburger Morgenpost". Die "große Mehrzahl" der Fahrer im Tourfeld nähme unerlaubte Mittel.
Der Krebs-Spezialist wies darauf hin, dass es viele Möglichkeiten gebe, die Tests zu umgehen. Außerdem würden die Profis von ihren Teamärzten so eingestellt, dass sie trotz zahlreicher Kontrollen nicht auffielen. "Nur Dumme bzw. nicht fachmännisch betreute Doper können überhaupt noch erwischt werden", sagte Franke.
Nach dem Konflikt zwischen dem Tour-Veranstalter ASO und der UCI hat die französische Anti-Doping-Agentur AFLD im Auftrag des nationalen Radsport-Verbandes die Federführung bei den Doping-Kontrollen. Sie sollen effektiver und umfangreicher als in den vergangenen Jahren sein.
Valverde kann durchatmen
Unterdessen ereilte den Aspiranten auf den Toursieg, Alejandro Valverde, aus Lausanne frohe Kunde. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) teilte mit, dass der unter Doping-Verdacht stehende Spanier vorerst keine Sanktionen zu befürchten habe. Das Verfahren gegen den Radprofi sei für eine Dauer "von maximal sechs Monaten" unterbrochen worden. Den spanischen Behörden solle Zeit gegeben werden, auf eine CAS-Anfrage zu antworten. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und die UCI hatten moniert, dass der spanische Verband gegen Valverde kein Doping-Verfahren eröffnet hat.
Franke wundert sich dagegen, warum der 28-Jährige, der zum Tour-Auftakt zwei Tage in Gelb fuhr und Kontakte zum Doping-Kartell Fuentes unterhalten haben soll, überhaupt die Starterlaubnis erhielt: "Ich habe schriftliche Unterlagen darüber, dass er zig Mal gedopt hat. Wie viel er für die Mittel bezahlt hat. Keiner weiß, warum er weiterfahren durfte."
Quelle: ntv.de, Andreas Zellmer und Benjamin Haller, dpa