Das "System Löw" Alle Trümpfe für Vertragspoker
14.10.2009, 14:08 UhrFußball-Bundestrainer Joachim Löw hat gut Lachen: durch die geglückte WM-Qualifikation kann er seine Bedingungen für einen neuen Vertrag praktisch diktieren.

Derzeit deutet alles darauf hin, dass Löw dem DFB mindestens bis zur EURO 2012 erhalten bleibt.
(Foto: dpa)
Einen Heiligenschein wie Franz Beckenbauer hat Joachim Löw noch nicht, aber durch die geglückte WM-Qualifikation ist er in der deutschen Fußball-Hierarchie nach oben geschnellt - und kann seine Bedingungen für einen neuen Vertrag praktisch diktieren. DFB-Chef Theo Zwanziger ernannte Löw im Überschwang der Glücksgefühle über das gebuchte Südafrika-Ticket zum bestmöglichen Bundestrainer. Vor den nun anstehenden Verhandlungen muss der Verbandschef plötzlich den selbst mitentfachten Löw-Hype bremsen, um in den Gesprächen über eine Zusammenarbeit über die WM 2010 hinaus nicht alle Trümpfe aus der Hand zu geben.
Der Vertragspoker ist jetzt jedenfalls eröffnet. "Es ist nicht unsere Absicht, irgendwelchen Zeitdruck da hineinzubringen. Es kann sein, dass Joachim Löw in drei, vier Wochen unseren Generalsekretär Wolfgang Niersbach anruft. Es kann aber auch sein, dass wir sagen, lasst uns einmal in aller Ruhe zusammensitzen. Wann das sein wird, weiß ich nicht", so Zwanziger. Er geht jedoch davon aus, "dass es sehr schnell sein wird".
Kein Zeitdruck für DFB-Chef
Löw hatte Gespräche über einen neuen Kontrakt innerhalb der kommenden Wochen avisiert - noch mit dem Rückenwind des Russland-Coups und vor den letzten Testspielen des Jahres im November gegen Chile und Ägypten. Zwanziger fasst den Zeitrahmen offenbar aus taktischen Gründen etwas weiter. "Wir haben in den nächsten Monaten viel vor auf dem Weg zur WM. In dieser Zeit werden wir uns irgendwann zusammensetzen", sagte er.
Offenbar setzt der DFB-Chef auch darauf, dass der Bundestrainer bedenkt, dass der Verband viel für seine - vor dem DFB-Engagement in dieser Form nicht vorstellbaren - Karriere getan hat. "Es besteht menschlich ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Löw und der DFB- Spitze", sagte Zwanziger. Nach der Qualifikation für die EM 2008 war der Löw-Vertrag noch innerhalb von 13 Tagen im Schnellverfahren verlängert worden.
Nach gut zwei Jahren im Amt des wichtigsten deutschen Fußball-Lehrers hat sich der "Jogi" mit dem auf Präzision und Planungsakribie beruhenden "System Löw" derzeit unersetzlich gemacht. In Umfragen renommierter Meinungsforscher wurde er zu einem der beliebtesten Deutschen gekürt. "Ich schätze das richtig ein. Nach zwei, drei Jahren als Nationaltrainer ist man populär, man steht im Fokus, aber man sieht sich bei Misserfolg auch vielen Kritikern gegenüber", sagte der 49-Jährige.
Prinzip "Aufgabenverteilung"
Zweifel, ob der "nette Herr Löw" aus dem Schatten seines Chefs und Vorgängers Jürgen Klinsmann treten könnte, haben sich schon lange verflüchtigt. Im Gegenteil: längst ist augenscheinlich geworden, dass Löw schon der heimliche Architekt des deutschen Fußball- Sommermärchens 2006 war. In der Karriereleiter einmal aufgerückt, perfektionierte er das auf Fachkenntnis beruhende Prinzip der Aufgabenverteilung mit ihm als Spiritus Rector und Controlling-Chef in Personalunion.
Sichtbar wird dieses System besonders bei Trainingseinheiten, wenn Löw vor den Profis die Grundsatzansprache hält und dann die Assistenten und Spezialisten unter seinen gestrengen Blicken die Detail-Arbeit verrichten. "Im modernen Spitzensport geht es gar nicht, dass du allein alle Facetten abdeckst. Da brauchst du eine hohe Fachkompetenz von Fachkräften. Die Stärksten sind die, die sich dieser Entwicklung öffnen", lobte Zwanziger den Löw-Arbeitsplan.
Aufstockung der Löw-Bezüge kein Thema
Billig wird der neue Löw-Vertrag nicht werden. Zwanziger hat schon signalisiert, dass die finanziellen Löw-Bezüge aufgestockt werden. Der Freiburger hat zur Bedingung gemacht, dass auch sein gesamter Stab beim DFB bleiben darf. Spannend wird, ob die DFB-Spitze auch das von Löw und Teammanager Oliver Bierhoff geforderte zentrale Leistungszentrum gut heißen wird, das die sportliche Führung als wichtigen Baustein für einen neuen Vertrag sehen dürfte. Die Entscheidung über die Kaderschmiede fällt allerdings das DFB-Präsidium.
"Nach 20 Jahren Diskussion um ein Leistungszentrum muss es jetzt eine Entscheidung geben: So oder so. Oliver Bierhoff hat ein Projekt, das ich gar nicht kenne. Das wird Ende November auf einer Präsidiumssitzung vorgestellt. Nach Prüfungen aller Aspekte wird dann entschieden: Ja oder nein", sagte Zwanziger.
Dass ausgerechnet jetzt lukrative und offenbar wohl platzierte Löw-Offerten - zum Beispiel aus der Türkei - einfliegen, überrascht Zwanziger nicht. "Wir haben Respekt vor der Leistung des Bundestrainers. Der Bundestrainer weiß aber auch, dass er es mit einer Vertrauensbeziehung zu tun hat, die auch ihren Wert hat."
Quelle: ntv.de, Arne Richter und Jens Mende, dpa