Sport

Olympisches Drama in Tokio Als sich Willi Holdorf zu Gold kämpfte

Nach dem Zieleinlauf brach Willi Holdorf vor Erschöpfung zusammen. Aber er hatte Gold gewonnen.

Nach dem Zieleinlauf brach Willi Holdorf vor Erschöpfung zusammen. Aber er hatte Gold gewonnen.

(Foto: imago/Horstmüller)

Bei den Sommerspielen 1964 sorgt Willi Holdorf in Tokio für einen goldenen Moment im olympischen Zehnkampf. Für den sportlichen Tausendsassa ist der dramatische Triumph nur ein Höhepunkt seiner Laufbahn, die ihn bis in die Fußball-Bundesliga führt.

Willi Holdorf ist am Ende seiner Kräfte. Er taumelt, aber er fällt nicht. Erst im Ziel der 1500 Meter bricht er völlig erschöpft zusammen und liegt auf der Aschenbahn in Tokio. Die Bilder sind bis heute unvergessen. Erst langsam begreift der damals 24-Jährige, dass er ein Stück Sportgeschichte geschrieben hat. Vor 50 Jahren, am 20. Oktober 1964, wird Holdorf erster deutscher Olympiasieger im Zehnkampf. Völlig unerwartet.

"Ich dachte an meinen kleinen Sohn zu Hause. Der sollte später nicht mal sagen: Mein Vater hätte Olympiasieger werden können, aber er war zu schlapp dazu", sagt Holdorf über das Drama im abschließenden "Marathon". Der Schleswig-Holsteiner liegt vor der letzten Disziplin in Führung, doch sein Rivale Rein Aun aus der Sowjetunion gilt als besserer Läufer. "Aber mit Gold vor Augen kann man sich schon mal ein bisschen anstrengen", sagte Holdorf, seit 2011 Mitglied der "Hall of Fame des deutschen Sports". In Tokio reicht seine Kraft nicht einmal mehr für eine Ehrenrunde.

Bei der Siegerehrung in Tokio konnte Holdorf wieder alleine stehen.

Bei der Siegerehrung in Tokio konnte Holdorf wieder alleine stehen.

(Foto: imago/ZUMA Press/Keystone)

2002 und 2008 erleidet Holdorf zwei Schlaganfälle. Doch heute ist der 74-Jährige wieder fit, sitzt weiter im Wirtschaftsbeirat des deutschen Handball-Rekordmeisters THW Kiel und treibt ein wenig Sport. "Ich fahre Rad, im Winter auf dem Ergometer, im Sommer draußen. Und ich schwimme, aber ich könnte mehr machen", sagte Holdorf, der schon immer durch seinen Fleiß und Willen aufgefallen ist. Und so befolgt er auch den Rat seiner Ärzte, auf die Ernährung zu achten. Und nur ab und zu genehmigt sich Holdorf ein Glas Rotwein.

Auf dem Höhepunkt tritt Holdorf ab. Der Triumph von Tokio ist sein letzter Zehnkampf. "Ich war schon verheiratet, musste eine Familie ernähren und mich um mein Studium kümmern", sagte Holdorf, der durch Olympia-Gold nicht reich wurde. Trotzdem hätte er nicht mit den heutigen Athleten tauschen wollen: "Wir hatten mehr Spaß."

Sportlicher Tausendsassa

Spaß hatte Holdorf immer auch außerhalb der Leichtathletik. Als Knirps fiel er als pfeilschneller Torjäger von Fortuna Glückstadt auf. Als er mit 19 Jahren deutscher Juniorenmeister im Zehnkampf wurde, stand er außerdem noch im Handballtor des MTV Herzhorn.

Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio möchte Willi Holdorf noch einmal dabei sein, als Zuschauer.

Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio möchte Willi Holdorf noch einmal dabei sein, als Zuschauer.

(Foto: dpa)

Vielseitigkeit bewies der Tausendsassa und Diplom-Sportlehrer auch nach seinem Gold-Coup: Holdorf führte Stabhochspringer Claus Schiprowski 1968 als Trainer zu Olympia-Silber, kümmerte sich um die Kondition des deutschen Davis-Cup-Teams, machte den Fußballlehrer-Schein und arbeitete 1974 kurzzeitig als Trainer des Bundesligisten Fortuna Köln. Zwischendurch setzte er sich als Anschieber in den Zweierbob von Horst Floth und wurde 1973 EM-Zweiter. "Beim ersten Trainingslauf hatte ich mordsmäßig Schiss", sagte Holdorf.

Zum 50. Jahrestag blickt er mit gemischten Gefühlen auf seinen größten Triumph zurück. "Es ist auch ein trauriger Anlass. Man merkt, wie alt man geworden ist", sagte Holdorf. Aber am Ende seiner Kräfte ist er noch lange nicht. 2020, wenn die Spiele nach Tokio zurückkehren, will er dabei sein.

Quelle: ntv.de, Kristof Stühm, sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen