Sport

"Politische Perversion" Amnestie empört Dopingopfer

Mit Empörung haben Opfer des DDR-Dopingsystems auf die Erklärung von fünf ehemaligen DDR-Leichtathletik-Trainern zu ihrer Dopingvergangenheit reagiert, die den Trainern durch die bloße Unterzeichnung eines Schuldeingeständnisses die Fortsetzung ihrer Arbeit beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ermöglicht. Während Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Bekenntnisse als Signal für die Übernahme von Mitverantwortung lobte, sprach die frühere Sprinterin Ines Geipel anschließend von einer "politischen Perversion". Andreas Krieger und seine Frau Ute Krieger-Krause schrieben in einem offenen Brief an Schäuble, DOSB-Präsident Thomas Bach sowie DLV-Präsident Clemens Prokop von einer "versuchten Vertuschung".

In seinem Brief wirft das Magdeburger Ehepaar den drei Sportpolitikern vor, sie unternähmen einen "durchsichtigen Versuch, ihren Anteil an der nunmehr zwei Jahrzehnte währenden Ignoranz gegenüber den Opfern, an der Duldung eines ebenso lange währenden Leugnens beteiligter Trainer, an mutmaßlichen jahrelangen Verstößen gegen die Antidopingklauseln in den Zuwendungsbescheiden des BMI an die Sportverbände, mithin an der missbräuchlichen Verwendung von Steuergeldern, zu vertuschen."

Opfer nicht einbezogen

Ohne Einbeziehung der Geschädigten sei zugunsten der genannten Trainer eine "Lösung" konstruiert worden, die "nicht dazu taugt, eine Annäherung von Tätern und Opfern herbeizuführen". Zuerst hätten die Trainer den Kontakt zu den Betroffenen suchen müssen, meint die frühere Leichtathletik-Weltrekordlerin Geipel.

Doch stattdessen sei es zu einer "Vereinigung der Abnicker" gekommen. Erklärung und dazugehörige Pressemitteilung seien "Supertexte, bei denen man aufpassen muss, dass man sich nicht übergeben muss".

Der Freifahrtschein zur Weiterbeschäftigung für fünf Leichtathletik-Trainer nach deren Dopinggeständnis ist für Geipel absolut inakzeptabel und ein "Fall fürs Parlament." Eine Gruppe von DDR-Dopingopfern um Geipel wehrt sich schon seit Längerem gegen das Vorgehen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und will sich nun juristisch kundig machen. "So wird das nicht gehen, und so werden wir das auch nicht hinnehmen", sagte Geipel.

"Schwamm-Drüber-Mentalität"

Harsche Kritik am Bundesinnenministerium übte Winfried Hermann, sportpolitischer Sprecher der Grünen. "Das Innenministerium hat nachweislich in Sachen Übernahme dieser belasteten Trainer Anfang der 90er Jahre beide Augen zugedrückt", sagte Hermann der "Berliner Zeitung". Schon damals sei bekanntgewesen, dass einige dieser Trainer zum Teil schwer belastet gewesen seien - als Stasi-Spitzel oder als Dopingtäter.

Der Grünen-Politiker kritisierte zudem die Signalwirkung einer derartigen "Schwamm-Drüber-Mentalität": "Wie müssen sich eigentlich die Opfer des DDR-Doping-Systems fühlen, die seit Jahrzehnten leiden und mit dauerhaften Schäden leben müssen, wenn die Verantwortlichen von einst als Trainer durch öffentliche Mittel gut verdient haben und jetzt noch von Sport und Staat eine Generalamnestie erhalten?"

DOSB reicht unterschriebenes Bedauern

Fünf DLV-Trainer - Klaus Baarck, Gerhard Böttcher, Rainer Pottel, Maria Ritschel und Klaus Schneider - hatten sich am Montag erstmals zu ihrer Doping-Vergangenheit in der DDR bekannt, dürfen aber weiter für den Verband arbeiten. Die Betroffenen mussten sich nach DOSB-Angaben zu ihren Verstrickungen bekennen und sie aufrichtig bedauern. Vor allem im Hinblick darauf, dass betroffene Athleten teilweise schwere gesundheitliche Schäden erlitten haben. Zudem durften sich die Betreuer seit der Wiedervereinigung nichts mehr zuschulden kommen lassen und mussten sich glaubhaft gegen Doping eingesetzt haben.

"Auf dieser Basis kann den betreffenden Trainern eine neue Chance eingeräumt werden", sagte DOSB-Präsident Thomas Bach.

Verhöhnung der Opfer

"Damit werden die Opfer diskreditiert", meinte Geipel zum Vorgehen der Sportverbände. Die 48 Jahre alte Wissenschaftlerin aus Berlin bemängelte vor allem, "dass keiner der Trainer jemals öffentlich einen Satz gesagt habe. Das muss doch das Mindeste sein: Dass die Trainer die ehemaligen Sportler aufsuchen, die sie geschädigt haben."

Nichts abgewinnen kann Geipel auch einem Brückenschlag des DLV. Dopingopfer sowie Trainer, die in der ehemaligen DDR nicht bereit waren, verbotene Mittel zu verabreichen und deshalb auf ihre Karriere im Hochleistungssport verzichten mussten, sollen zum Eröffnungstag der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin (15. bis 23. August) eingeladen werden. "Was soll da zum Beispiel eine Frau, die seit 30 Jahren ein schwerbehindertes Kind hat? Wem nützt so etwas?"

Goldmann unterzeichnet nicht

Die Erklärung nicht unterzeichnet hat Werner Goldmann, der vor dem Arbeitsgericht Darmstadt seine Wiedereinstellung als Bundestrainer erreichen will. "Seine Chancen auf eine Weiterbeschäftigung sind damit nicht gestiegen", sagte DLV-Vize-Präsident Eike Emrich der "Berliner Zeitung".

Der Coach von Diskus-Vizeweltmeister Robert Harting wird von dem früheren Kugelstoßer Gerd Jacobs, einem staatlich anerkannten DDR-Dopingopfer, beschuldigt, ihm verbotene Muskelmasttabletten "in den Original-Verpackungen" verabreicht zu haben. Goldmann bestreitet, etwas mit Doping zu tun gehabt zu haben.

Quelle: ntv.de

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