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Der Weg zum großen Tennis "Baby Federer" Dimitrov macht endlich Ernst

Der Bulgare Grigor Dimitrov war der jüngste Spieler im Halbfinale der Australian Open.

Der Bulgare Grigor Dimitrov war der jüngste Spieler im Halbfinale der Australian Open.

(Foto: imago/BPI)

Grigor Dimitrov ist der Hoffnungsträger der jungen Tennisgeneration. Mit 25 Jahren spielt er bereits auf höchstem Niveau. Der Weg von Dimitrov von einer kleinen Stadt in Bulgarien bis zum Halbfinale der Australian Open hat eine lange Geschichte.

Es gibt dieses Video von Grigor Dimitrov, in dem Tennis zu Kunst wird. Halbfinale Stockholm, Gegner Jack Sock, Aufschlag Dimitrov beim Stand von 30:0, und dann zwei wahnwitzige Winner des Bulgaren. Erst hinter dem Rücken gespielt, dann durch die Beine, Spielgewinn, Standing Ovations des Publikums, sogar eine Gratulation vom Gegner. Das Tragische an diesem Video ist: Es stammt bereits aus dem Oktober 2014 und die hohe Tenniskunst, die Dimitrov darin zelebriert, hat der angesichts seines enormen Talents einst "Baby Federer" getaufte Bulgare bislang viel zu selten abgerufen. Doch es gibt Hoffnung, denn es gibt seit Kurzem ein neues Video.

Nicht nur eine gute Minute lang, sondern fast fünf Stunden. Nicht vom Halbfinale eines ATP-Turniers, sondern vom Semifinale der Australian Open 2017. Nicht nur mit zwei Wunderschlägen, sondern mit Wahnsinn in Serie. Der 18. Grand-Slam-Triumph von Roger Federer war die beste Geschichte des Turniers. Das beste Match, darin waren alle Experten einig, war Dimitrovs epische Fünfsatzniederlage gegen Rafael Nadal, der hinterher völlig erschöpft bekannte: "Ich bin glücklich, Teil dieses Spiels gewesen zu sein."

Die jubelnden Fans von Dimitrov in Melbourne.

Die jubelnden Fans von Dimitrov in Melbourne.

(Foto: AP)

Das große Tennis, die großen Emotionen packten an diesem Tag nicht nur die 15.000 Zuschauer im Stadion und Hunderttausende vor dem Fernseher. Fast 15.000 Kilometer entfernt von Melbourne erlebte eine kleine Stadt in Bulgarien einen Tag des Stolzes, erzählt Maria Vasileva im Gespräch mit n-tv.de. Die TV-Journalistin arbeitet für den bulgarischen Sender bTV und lebt in Haskovo, der Heimatstadt von Grigor Dimitrov. Seit dessen Halbfinale gegen Nadal seien alle circa 73.000 Einwohner von Haskovo stolz, weil sie Dimitrov kennen. "Die Wahrheit ist, dass sich dieser Freitag für uns genauso angefühlt hat wie das Sommermärchen aus dem Jahr 1994." Damals hatte die bulgarische Nationalelf bei der Fußballweltmeisterschaft in den USA Platz vier erreicht, "das war für alle großartig". Nach Dimitrovs Niederlage hätten die Einwohner trotz des kalten Winterwetters auf der Straße gefeiert, so "als hätte Dimitrov gewonnen". Sagt Vasileva: "Sogar die Schüler hatten frei bekommen, um das Spiel gegen Nadal zu verfolgen. Die Menschen waren einfach stolz und glücklich."

Großväter zahlten Flugtickets

Und sie werden hoffen, dass Dimitrov sein enormes Potenzial jetzt endlich regelmäßig abrufen wird und endgültig den Schritt vom Talent zum Star macht. Der erfolgreichste Spieler der bulgarischen Tennisgeschichte ist er freilich schon jetzt. Er war erst fünf Jahre alt, als er mit Tennis anfing, sein Vater war sein erster Trainer. Vor Journalisten in Bulgarien erzählte Dimitrov einst, dass seine Großväter sein erstes Flugticket zu einem Turnier von ihren Renten bezahlt haben. Die Menschen in Haskovo wissen auch noch genau, dass Dimitrovs Vater sogar das Familienauto verkauft hat, damit sein Sohn an weiteren Turnieren teilnehmen konnte.

Geldsorgen hat Dimitrov nicht mehr. Inzwischen zählt der Bulgare zu den besten Tennisprofis der Welt, auch wenn der ganz große Durchbruch und der ganz große Erfolg bislang noch fehlen. Für die meisten Kinder in Haskovo ist er zum Vorbild geworden, sagt Maria Vasileva. Sie träumen davon, eines Tages genauso gut spielen zu können.

Vasileva erinnert sich an einen Besuch von Grigor Dimitrov in Haskovo: "Das war ein besonderer Tag. Dimitrov wurde die höchste Auszeichnung seiner Heimatstadt verliehen, der Ehrenpreis der Stadt Haskovo. Dimitrov war so glücklich, dass er seine Freude und Aufregung kaum verbergen konnte. Man hat gemerkt, wie sehr er seine Stadt liebt und was er für eine natürliche und liebevolle Persönlichkeit besitzt", sagt Vasileva. Die Journalisten hätten ihn aus Spaß gefragt "Monte Carlo oder Haskovo?", weil er in Monte Carlo lebt. Er hat gelacht und geantwortet: "Mein Zuhause bleibt Haskovo. Monte Carlo ist nur die Stadt, in der ich trainiere."

Die Höhen und Tiefen seines Lebens

International erstmals für Aufsehen sorgte Dimitrov im Jahr 2008. Er gewann die Junioren-Grand-Slams in Wimbledon und bei den US Open, wurde die Nummer eins der Nachwuchs-Weltrangliste, erhielt den Spitznamen "Baby Federer", wurde Profi. Nach Umstellungs- und Eingewöhnungsproblemen schien Dimitrov 2014 endgültig auf der Profitour angekommen.

Dimitrov ist 17 Jahre jung und Junioren-Weltranglistenerster.

Dimitrov ist 17 Jahre jung und Junioren-Weltranglistenerster.

In Wimbledon erreichte er das Halbfinale, zeigte einen starken Auftritt gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic. Dimitrov verlor, aber Djokovic zeigte sich von dessen Leistung beeindruckt: "Ich habe in diesem Halbfinale gegen einen zukünftigen Star gespielt." Die Weltrangliste gab ihm recht, einen Monat nach Wimbledon rückte Dimitrov bis auf Platz 8 – und verlor danach wieder den Faden.

Er verlor Matches, die er hätte gewinnen müssen, er verlor die Geduld mit seinen Trainern oder sie mit ihm. Franco Davin, Johan Örtegren, Roger Rasheed - viele Spezialisten versuchten, Konstanz in das Spiel des hochbegabten Dimitrov zu bringen, während sich der Boulevard an seiner damaligen Beziehung zum russischen Tennisstar Maria Scharapowa erfreute. Im ersten Halbjahr 2016 fiel Dimitrov auf Platz 40 der Weltrangliste zurück, es gab Spekulationen über psychische und körperliche Probleme.

Die hat der 25-Jährige spätestens mit seinem herausragenden Australian-Open-Auftritt gegen Rafael Nadal nun widerlegt und es scheint, als trägt der Aufschwung einen Namen: Dani Vallverdu. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet Grigor Dimitrov mit dem Ex-Coach von Andy Murray zusammen, die Marschroute des Duos ist klar definiert: immer nur nach oben. Vor sechs Monaten noch auf Platz 40 der Weltrangliste, kehrte er in Melbourne wieder in den Kreis der Besten zurück und belegt aktuell Platz 13.

"Er ist einer dieser Typen, die es lieben zu arbeiten", erklärte Dimitrov über Vallverdu in einem Interview auf TennisTV. "Seine Arbeitseinstellung ist absolut herausragend. Sogar nach schwierigen Matches sind wir noch einmal auf den Court gegangen, um an Dingen zu arbeiten, die wir im Laufe des Turniers besser hätten machen können. Diese kleinen Details können langfristig einen großen Unterschied machen."

Das Jahr hat für den bulgarischen Tennisspieler exzellent begonnen. Vor dem epischen Australian-Open-Halbfinale gegen Nadal hatte Dimitrow zehn Partien in Folge gewonnen. Auch wenn er in Melbourne am Ende knapp gegen Nadal verlor, sind sich die Experten sicher: Dieser Dimitrov ist auf dem Weg, ein ganz Großer zu werden. Diesmal wirklich.

Quelle: ntv.de

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