"Junior Kaiser" soll's richten Ballack fährt nach Moskau
19.05.2008, 11:39 UhrMoskau statt Mallorca: Als sich seine Nationalmannschafts-Kollegen zum Krafttanken auf die Mittelmeerinsel verabschiedeten, führte Michael Ballack die Expedition seines FC Chelsea in die russische Hauptstadt. Der deutsche Pulsgeber der "Blues" greift im Champions League-Finale gegen Manchester United nach seinem ersten internationalen Fußball-Titel. "Ich will diesen Pokal unbedingt gewinnen", sagt Ballack vor seinem Großauftrag in einem "Stern"-Interview, "ich will nicht irgendwann auf meine Karriere zurückschauen und sagen, schade, es war ein paar Mal knapp, aber es hat nie gereicht." Bei seiner ersten Final-Teilnahme in Europas Glamourliga, 2002 mit Bayer Leverkusen, hatte es beim unglücklichen 1:2 gegen Real Madrid nicht gereicht.
Unberechenbare Waffe
"Ballack sieht unbesiegbar aus". Das Kompliment der "Daily Mail" über Chelseas neue Leitfigur passt zur Entschlossenheit des 31- Jährigen vor dem Gipfeltreffen der englischen Vorzeigeclubs im Luschniki-Stadion. "In großen Spielen muss man treffen. Ich kann mit Druck umgehen, ich mag das", erzählt der Sachse. Der Hoffnungsträger des englischen Vize-Meisters ist in Galaform und für seinen Coach Avram Grant "eine unberechenbare Waffe".
Nach drei Meistertiteln und drei Pokalsiegen mit Bayern München hat der tägliche Konkurrenzkampf im elitären Chelsea-Kader, in dem sechs verschiedene Nationalmannschafts-Kapitäne und andere Topstars hierarchische Ansprüche anmelden, den Spielführer der deutschen Auswahl noch "härter" gemacht. Chelsea habe mehr außergewöhnliche Spieler als die Münchner. Da müsse im Training auch mal ein Mitspieler umgegrätscht werden, "um zu dokumentieren: Ich rücke keinen Zentimeter zur Seite", betont Ballack und hofft, durch ein Erfolgserlebnis in Moskau nach einem dreitägigen Sonderurlaub mit einem positiven Emotionsschub zur EM-Vorbereitung reisen zu können.
Körper regeneriert
Sein Wandel vom abgeschriebenen Dauerverletzten zum Strippenzieher des Millionärs-Ensembles vollzog sich in teilweise verzweifelter Isolation. Knapp acht Monate hatte er wegen einer hartnäckigen Sprunggelenksverletzung pausieren müssen. Mehr als 30 quälend lange Wochen zwischen Ambition und Sorge, dass seine Karriere vorzeitig beendet sein könnte. "Manchmal habe ich mir gedacht. Vielleicht soll es das ja jetzt gewesen sein", offenbarte Ballack. Wenigstens konnte sich sein geschundener Körper durch die Zwangsabstinenz regenerieren. Und sein seelisches Gleichgewicht scheint er in Englands Hauptstadt auch gefunden zu haben. Im Sommer will er seine langjährige Lebensgefährtin Simone heiraten.
"Junior Kaiser"
Ballack ist inzwischen reif für die Insel. Erst in seinem zweiten Jahr konnte er den mäßigen ersten Eindruck vergessen machen. Von der Stellenausschreibung her als kopfballstarker, torgefährlicher Chefdynamiker fürs Mittelfeld geholt, in seinem Premierenjahr bestenfalls als angepasster Mitläufer akzeptiert, wurde er von den kritischen Medien in England vor dem finalen Showdown sogar als "Junior Kaiser" geadelt.
Der Gelassene ist erfolgreicher als der Getriebene. "Ich gehe in solche Spiele anders rein als noch vor ein paar Jahren. Gelassener. Ich habe gelernt, dass es nichts bringt, sich zu sehr unter Druck zu setzen. Auf der anderen Seite brauchst Du Anspannung, um gut zu sein", erklärt Ballack. In der K.o.-Phase der Champions League hat er zwei Tore geschossen und bis auf acht Minuten immer durchgespielt - und das nachdem ihn Ex-Trainer Jose Mourinho für die Gruppenphase ob seiner Blessur noch nicht einmal gemeldet hatte. In der Premier League gelangen ihm in 18 Saisonspielen immerhin noch sieben Tore, unter anderem beide Treffer vor drei Wochen zum 2:1 gegen den späteren Champion "ManU".
Selbst das Alpha-Tier im Chelsea-Mittelfeld, Frank Lampard, hat den Topverdiener aus Germany (geschätzte 150 000 Euro pro Woche) nach anfänglichen Machtspielchen als wichtige Führungskraft neben sich akzeptiert. "Ich spiele lieber mit ihm als gegen ihn", sagte Lampard.
Voraussichtliche Aufstellungen:
Manchester United: Van der Sar - Brown, Ferdinand, Vidic, Evra - Cristiano Ronaldo, Scholes, Carrick, Park - Tevez, Rooney
FC Chelsea: Cech - Essien, Alex, Terry, A. Cole - Ballack, Makelele, Lampard, J. Cole - Drogba, Malouda
Von Sven Busch, dpa
Quelle: ntv.de