Balsam für Bremerhaven Ganz Fischtown hofft weiter mit den Pinguins
24.04.2024, 07:59 Uhr
Eine theoretische Chance haben die Fischtown Pinguins noch auf den Meistertitel. Aber auch ein Scheitern wäre kein Beinbruch, sagt der Oberbürgermeister, sondern ebenso ein Grund zum Feiern.
(Foto: picture alliance / HMB Media)
Allein, dass ihre Fischtown Pinguins in die Endrunde um die deutsche Eishockey-Meisterschaft gekommen sind, hebt die Stimmung in Bremerhaven, einer Stadt mit 15 Prozent Arbeitslosen. "Endlich einmal gute Nachrichten", sagt ein ehemaliger Schiffbauer.
Auch wenn er am Dienstag gestoppt wurde: Der Höhenflug ihrer Pinguins ist Balsam für die geschundenen Seelen in Bremerhaven. Das geht runter wie Öl. "Ein Wunder", freut sich ein Finanzberater der örtlichen Sparkasse über die neuerdings gute Stimmung an der Unterweser. Die zeitweilig nur eine Handbreit vom Meistertitel entfernten Eishockeyspieler der Fischtown Pinguins haben eine ganze Stadt erobert, die mit ihnen fiebert und die Daumen drückt. Dass der Weg zum Titel schwer ist, zeigte sich in bisher vier von maximal sieben Playoff-Partien gegen die Berliner Eisbären. Die Hauptstädter gingen am Dienstag mit einem 4:1 als Sieger vom Eis und sind nun auf Kurs Meisterschaft. Am Freitag können sie alles klarmachen.
Doch es hat den Anschein, als ob die gute Stimmung in der Stadt bleiben wird.
"Endlich einmal gute Nachrichten nach den vielen Schreckensmeldungen über hohe Arbeitslosenzahlen und wirtschaftlichen Niedergang", fasst ein Rentner und früherer Schiffbauer die Lage zusammen. Die Stimmung in der Seestadt an der Unterweser war bis vor Kurzem überwiegend gedrückt. Kein Wunder, denn die Arbeitslosenquote liegt bei rekordverdächtigen 15 Prozent. In der Innenstadt haben viele Läden wie Karstadt dichtgemacht. Die Abwanderung ist ungebrochen. Von früher 145.000 ist die Einwohnerzahl auf gut 113.000 gesunken. Die einstmals prosperierende Stadt, so scheint es, hat ihre besten Jahre hinter sich.
Und nun das. Die Fischtown Pinguins, wie sie sich in nicht ganz korrektem Englisch selbst schreiben, legten 2023/24 einen Wahnsinnslauf hin. Am Ende der regulären Saison standen die Bremerhavener vor ihren Erzrivalen aus Berlin an der Tabellenspitze. Die beiden Erstplatzierten hatten sich damit für die Playoff-Runde qualifiziert, in der in maximal sieben Spielen der Deutsche Meister ermittelt wird. Zum Titelgewinn werden mindestens vier Siege benötigt.
Die großen Zeiten liegen lange zurück
Das erste Spiel gewannen die Pinguins, die sich laut Geschäftsführer Hauke Hasselbring als Underdog einschätzen, mit 4:2. Doch die beiden folgenden Partien entschieden die einen Tick frischer wirkenden Eisbären für sich. Im dritten Spiel am Sonntag brauchte das Liga-Schwergewicht von der Spree bis zum Siegtor zwei Verlängerungen und eine Spielzeit von fast 98 Minuten. Auch das ein Novum in der Geschichte der Deutschen Eishockey Liga.
Für den Bremerhavener Oberbürgermeister Melf Grantz sind die Fischtown Pinguins und ihre Fans ein hervorragender Werbeträger für die Stadt. Der Einzug der Eishockey-Mannschaft ins DEL-Finale sei einer der größten Momente der Sportgeschichte der Stadt, sagt der SPD-Politiker.
Diese großen Momente liegen 60 und mehr Jahre zurück. Sie sind untrennbar mit dem TuS Bremerhaven 93 verbunden. Die 93-Fußballer traten in der damaligen Oberliga Nord gegen so namhafte Vereine wie den HSV, Werder Bremen, St. Pauli, Holstein Kiel oder Hannover 96 an. Gespielt wurde auf dem Zollinlandplatz, der mitten im Arbeiterviertel Lehe liegt. Das von seinen Fans liebevoll "Zolli" genannte Areal wird schon lange nicht mehr für den Sport genutzt und ist heute eine innerstädtische Brache. Die Bremerhavener Fußballer, die mittlerweile als FC Bremerhaven firmieren, spielen in der Verbandsliga.
Auch der Name Fischtown ist eine Reminiszenz an die Vergangenheit. Damals kam der Spitzname für den größten Fischereihafen auf dem europäischen Kontinent auf, der 15.000 Menschen beschäftigte. Das ist Geschichte wie die Werften, die Tausende Menschen beschäftigten. Zwar haben sich in Bremerhaven eine Hochschule, das Alfred-Wegner-Institut für Polarforschung und mehrere spektakuläre Museen in Fischtown angesiedelt. Sie konnten die verlorenen Industrie-Jobs nicht in Gänze ersetzen.
Bis Freitag gibt es noch Grund zur Hoffnung. Doch selbst wenn es nicht zum Titel reichen sollte, hat Oberbürgermeister Grantz einen Trost für die Menschen an der Unterweser bereit. "Ein Scheitern im DEL-Finale wäre kein Beinbruch, sondern ebenso ein Grund zum Feiern wie der Meistertitel."
Quelle: ntv.de