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DHB-Kollektiv startet in EM Besser im Toreverhindern als im Torewerfen

Es geht nur gemeinsam, lautet die Devise des deutschen Teams.

Es geht nur gemeinsam, lautet die Devise des deutschen Teams.

(Foto: imago images/wolf-sportfoto)

Zahlreiche Absagen zwingen Bundestrainer Christian Prokop zu einem Umbau seiner Handball-Nationalmannschaft. Für die Europameisterschaft aber wird das Ziel nicht heruntergeschraubt - mindestens das Halbfinale soll erreicht werden. Dafür setzt Prokop auf ein starkes Kollektiv.

Im Finale wächst Torwart Johannes Bitter über sich hinaus: Er kommt von der Bank, pariert einige Bälle spektakulär, verleiht dem Team mit seiner Aggressivität nochmal neuen Schwung - und sichert Handball-Deutschland den Titel. So war es 2007 bei der Heim-Weltmeisterschaft - und so könnte es 13 Jahre später bei der Europameisterschaft in Norwegen, Schweden und Österreich wieder sein. Denn Bitter steht im Kader, der 37-Jährige ist nach einer längeren Pause von Bundestrainer Christian Prokop berufen worden. Gemeinsam mit Andreas Wolff, der 2016 beim EM-Titel dabei war, bildet Bitter ein kongeniales Duo.

Wolff freut sich auf das Turnier mit Bitter.

Wolff freut sich auf das Turnier mit Bitter.

(Foto: imago images/Sven Simon)

Ein Duo, das bei den deutschen Handballern vor Turnierstart voll in den Fokus rückt. Sieben Rückraumspieler fehlen verletzt, auf die Defensive kommt eine umso bedeutendere Aufgabe zu. Wer potenziell weniger Tore erzielt, darf auch nur weniger kassieren - so einfach ist die Rechnung für Prokops Mannschaft. Wolff hat bei den vergangenen Turnieren bewiesen, dass er ein Weltklassetorhüter ist. Und mit Bitter, der beim TVB Stuttgart spielt, versteht sich der 28-Jährige auch noch blendend. "Wenn wir diese Torhüterleistung annähernd halten können, haben wir ein tolles Fundament", lobte Prokop sein Duo nach dem Testspiel gegen Island.

Auch in der Verteidigung am Kreis stehen mit Jannik Kohlbacher, Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek drei Spieler von Weltklasse-Format. Einzig Johannes Golla fällt da als Turnier-Neuling mit erst sieben Länderspielen aus dem Rahmen. Und so kommt es nicht ganz überraschend, dass der 22-Jährige vorerst auf seinen Einsatz warten muss - Golla steht als einziger Spieler, der mit nach Trondheim gereist ist, nicht im 16er-Kader für das Auftaktspiel gegen die Niederlande (18.15 Uhr im ZDF und bei sportdeutschland.tv). Er werde aber "definitiv" noch in diesem Turnier eingesetzt werden, betonte Prokop.

Leader Gensheimer hat unerfahrenen Ersatz

Wer die Tore also verhindern soll, ist klar. Aber wer wird sie werfen? Allen voran wohl Kapitän Uwe Gensheimer. 1021 Tore in 177 Nationalmannschaftsspielen stehen für ihn bereits zu Buche. Der Linksaußen ist zugleich als Siebenmeterschütze erste Wahl - und bekommt so entsprechend viele Torchancen. Kurze Erholungsphasen soll Gensheimer durch sein Backup Patrick Zieker bekommen, der allerdings erst am 4. Januar sein Debüt im DHB-Trikot gab. Entsprechend viel Druck lastet auf dem 26-Jährigen, bislang weiß niemand, wie der Stuttgarter damit umgehen wird.

Doch selbst wenn Zieker glänzen sollte, er muss erst einmal an Bälle kommen. Dafür sind die Rückraum-Spieler zuständig. Und ausgerechnet auf Rückraum Mitte, also der Spielmacher-Position, fehlen die Routiniers Martin Strobel und Steffen Weinhold. Fabian Wiede, der von Prokop extra für die Rolle als Spielmacher geschult wurde, und Simon Ernst fallen ebenfalls aus. Auch der 23-jährige Tim Suton war ein Kandidat für die Position, riss sich aber wie Ernst das Kreuzband. Gelernte Strategen gibt es damit nicht im Kader.

Paul Drux wird die Aufgabe wie in den Testspielen zuletzt wohl die meiste Zeit übernehmen. "Persönlich ist es schon eine andere Rolle. Man muss versuchen, das Spiel zu steuern, zu lenken. Das mache ich im Verein sicherlich auch schon, aber da tauche ich mehr auf der halblinken Position auf. Das ist schon eine Umstellung", sagte Drux, der seit 2015 eine Größe im DHB-Team ist.

Reichmann-Scharmützel ist durch

Außerdem setzt Prokop auf die Gemeinschaft. Der Bundestrainer erwartet, dass sich die Rückraumspieler gegenseitig helfen und abwechseln: "Es ist ganz wichtig, dass wir die Dreier-Konstellation im Rückraum gut hinkriegen. Deshalb wird es ein Wechselspiel sein. Da sind alle Rückraumspieler gefragt."

Tobias Reichmann ist zurück im Team.

Tobias Reichmann ist zurück im Team.

(Foto: imago images/foto2press)

Er betonte: "Ich habe eine Mannschaft, die als Einheit funktionieren will." Dazu zählt auch Tobias Reichmann, der sich im vergangenen Jahr noch ein Scharmützel mit Prokop leistete. Der Bundestrainer hatte ihn vor der WM 2019 aussortiert, woraufhin sich der Rechtsaußen via sozialen Netzwerken mit dem süffisanten "Tschausen, ihr Banausen" in den Urlaub nach Orlando verabschiedete. Damit verhinderte er seine potenzielle Nachnominierung, schließlich hätte eine Anreise nach Deutschland oder Dänemark viel zu lange gedauert. Das ist aufgearbeitet und abgehakt, Prokop setzt wieder auf den 30-Jährigen. "Die Lust ist riesengroß", beteuert Reichmann.

"Jeder tritt an, um eine Medaille zu gewinnen"

Die Last liegt in dem eher jungen und unerfahrenen Kader damit auf den wenigen Spielern, die bereits Turniererfahrung haben. Das erinnert stark an 2016, als der damalige Bundestrainer Dagur Sigurdsson ebenfalls auf ein junges Team setzte - am Ende stand der Europameistertitel. Und immerhin: Von damals sind noch sieben Spieler dabei. "Das ist sehr ähnlich", bestätigte Pekeler. "Man kann sich nicht darauf verlassen, dass es genauso läuft wie damals. Es gehört viel Arbeit und auch ein bisschen Glück dazu."

Das erklärte Ziel jedenfalls wurde trotz der Ausfälle nicht heruntergeschraubt. "Unser Anspruch muss sein, dass wir mindestens ins Halbfinale kommen, um zumindest ein bisschen zufrieden sein zu können", sagte Reichmann bei Sport1. "Aber natürlich will dann jeder mehr. Jeder tritt an, um eine Medaille zu gewinnen."

 

Für den Turnierstart konnte Bundestrainer Christian Prokop zunächst 16 Spieler nominieren. Während der Vor- und Hauptrunde sowie am Finalwochenende können aber jeweils bis zu zwei Wechsel bzw. Nachnominierungen vorgenommen werden.

Quelle: ntv.de

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