Schwimmer im Fußball-Stadion Biedermann soll Weg nach Rio weisen
24.07.2015, 07:58 Uhr
Paul Biedermann ist der Top-Favorit auf Gold.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es ist die erste Schwimm-WM in Russland - und politisch nicht unumstritten. Die deutschen Schwimmer gehen jedoch ohne große Hoffnungen in die Wettkämpfe. Im Fokus stehen Olympia-Startplätze. Höchstens fünf DSV-Athleten gelten als Favoriten.
Paul Biedermann bereitet sich noch unter türkischer Sonne vor, Patrick Hausding springt bereits vom WM-Turm: Die Schwimm-Weltmeisterschaften in Kasan beginnen für die eine Medaillenhoffnung früher als für die andere, doch das Ziel ist gleich. Drei Jahre nach dem Olympia-Debakel in London kämpft der deutsche Schwimmsport um den Anschluss an die Weltspitze und um die Tickets für Rio.
Für einen gelungenen WM-Auftakt sollen die erfolgverwöhnten Wasserspringer sorgen. Die Weltmeister Hausding und Sascha Klein stehen zwei Jahre nach ihrem Gold-Coup in Barcelona aber vor einer "Mission Impossible".
"Wenn man es realistisch betrachtet, ist Gold für uns nicht drin. Nochmal werden uns die Chinesen nicht den Gefallen tun und patzen", sagte Vorspringer Hausding vor dem Synchron-Wettbewerb aus zehn Metern am Sonntag im Aquatics Palace an der Wolga. "Unser Ziel ist eine Medaille, denn damit hätten wir auch einen Quotenplatz für Olympia sicher."
Feinschliff in der Türkei
Weltrekordler Biedermann und die Beckenschwimmer greifen erst in der zweiten WM-Woche in der umgebauten Fußball-Arena ins Geschehen ein. Zurzeit holen sie sich den Feinschliff im türkischen Belek.
"Wir haben hier Wettkämpfe simuliert, und die Zeiten waren richtig stark. Wenn wir diese Form nach Kasan rüberretten können, bin ich sehr zuversichtlich", sagte Bundestrainer Henning Lambertz. Im Hinterkopf haben alle schon die Sommerspiele in Rio im nächsten Jahr.
Auch für DSV-Leistungssportdirektor Lutz Buschkow ist die erste Schwimm-WM auf russischem Boden die Standortbestimmung schlechthin, zumal dort viele Tickets für Rio vergeben werden. "Unser Hauptziel sind die Olympia-Quotenplätze, aber wir wollen mit unseren besten Athleten auch Edelmetall holen."
Zielvorgabe: Bis zu elf Medaillen
Laut Zielvereinbarungen mit dem DOSB soll das DSV-Team in den 75 Entscheidungen insgesamt sieben bis elf Medaillen gewinnen. Allerdings bezeichnet Lambertz die Vorgabe für die Beckenschwimmer (4-6) und die Freiwasserschwimmer (2-3) ohne den zurückgetretenen Rekordweltmeister Thomas Lurz als "utopisch".
Einzig die Wasserspringer um Hausding/Klein könnten ihr Soll (1-2) übererfüllen. Klippenspringerin Anna Bader, WM-Dritte von 2013, zählt in ihrer nicht-olympischen Disziplin ebenfalls zum Favoritenkreis.
Peinlich für den DSV ist, dass das Wasserball-Turnier ohne deutsche Beteiligung stattfindet und in Marlene Bojer nur eine Synchronschwimmerin am Start ist.
Biedermann mit größten Chancen
Im Becken stehen die Chancen des kerngesunden Biedermann durch die Abwesenheit seiner Rivalen Michael Phelps (Ausschluss nach Alkoholfahrt) und Yannick Agnel (Trainingsrückstand) "gar nicht so schlecht", wie auch Freundin Britta Steffen meinte.
Den Weltrekordler, der mit der weltweit besten Zeit in diesem Jahr über 200 m Freistil startet, lässt der Erwartungsdruck kalt: "Dieser Jahresweltbestzeit messe ich überhaupt nichts bei. Es kommt drauf an, was jetzt geschwommen wird."
Neben Biedermann sind aus deutscher Sicht nur Europameister Marco Koch (200 m Brust) und Franziska Hentke (200 m Schmetterling) ernsthafte Medaillenkandidaten. Mit etwas Glück könnte auch die von Biedermann angeführte 4x200-m-Freistilstaffel den Sprung aufs Podest schaffen.
Kaum Hoffnung in "Nach-Lurz-Ära"
Bei den Freiwasserschwimmern wollen auf der olympischen Strecke über 10 km alle vier Starter die Olympia-Qualifikation (Top-Ten-Platz) schaffen. Dafür verzichtet Europameisterin Isabelle Härle auf ihre Paradestrecke über fünf Kilometer am Samstag. "Olympia ist wichtiger als eine WM-Medaille", sagt die Essenerin. So schwimmt der Nachwuchs.
Erstmals seit 2000 gehen die deutschen Freiwasserschwimmer ohne Thomas Lurz in eine WM. Zwölf Weltmeistertitel hat Lurz gewonnen, vor zwei Jahren in Barcelona machte er mit dem Triumph in seinem ersten und letzten Rennen über 25 Kilometer seine Sammlung komplett. Einzig Olympia-Gold blieb dem Vorzeigeathleten verwehrt, doch mit dann fast 37 fühlt er sich für Rio nicht mehr als Siegschwimmer. Und Silber und Bronze hat er schon.
Ohne ihren Medaillensammler haben die deutschen Freiwasserschwimmer in Kasan kaum Chancen auf Edelmetall. Mit der Mannschaft über fünf Kilometer sind die Aussichten noch am besten.
Die zweite realistische Medaillenchance hat Angela Maurer über 25 Kilometer. Die Olympiafünfte und zweimalige Weltmeisterin feiert am Montag ihren 40. Geburtstag, macht aber noch bis Rio weiter.
Quelle: ntv.de, jwu/sid/dpa