"Schallmauer" bei 9,48 Sekunden Bolt hat noch Potenzial
22.12.2008, 12:37 UhrDie Konkurrenz hechelt dem sprintenden Riesen hinterher, nur die Wissenschaftler sind dem schnellsten Mann der Welt ein Stück voraus: Olympiasieger Usain Bolt kann seinen 100-Meter-Weltrekord von 9,69 Sekunden noch um 21/100 drücken - erst dann ist ein Mensch am Ende seiner physischen Möglichkeiten. Dies hat ausgerechnet ein leidenschaftlicher Marathonläufer ausgerechnet: US-Professor Mark W. Denny von der kalifornischen Stanford-Universität sieht eine Zeit von 9,48 Sekunden in der spektakulärsten Leichtathletik-Disziplin als körperliches Leistungs-Limit. Fazit seiner Studie: Sieger wird es immer geben - Rekorde werden in der Leichtathletik immer seltener. Was der Wissenschaftler allerdings nicht berücksichtigen konnte, ist das Zusatzpotenzial durch Doping.
"Das Ende ist in Sicht. Es wird definitiv eine Zeit kommen, da wir die Olympischen Spiele aus einer anderen Perspektive betrachten", sagte der Biologe. Mit Gold allein sei man heutzutage kein Held mehr, "man muss auch den Weltrekord brechen. Eines Tages wird es reichen, Gold zu gewinnen. An diese neue Sichtweise sollten sich auch Sportfans gewöhnen", meinte der 57 Jahre alte Wissenschaftler, der seine Studie im "Journal of Experimental Biology" publiziert hat.
Grenzen für menschliche Leistungen
Seine mathematische Analyse zeige, dass es "Grenzen für menschliche Leistungen geben muss. Die wahre wissenschaftliche Herausforderung ist es zu erklären, wodurch diese Limits gesetzt werden", befand Denny. Papier ist geduldig, "Blitz-Bolt" nicht. "Vielleicht sind 9,52 Sekunden möglich, aber dann muss ich mich auf verschiedenen Gebieten noch verbessern, besonders am Start", sagte der 22 Jahre alte Jamaikaner.
Bolt hat noch Potenzial, das weiß auch sein Trainer Glen Mills. In Bestform und bei idealen Bedingungen könne sein Schützling über 200 Meter irgendwann unter der 19-Sekunden-Grenze bleiben; seinen Fabel- Weltrekord von 19,30 Sekunden hatte der dreimalige Olympiasieger ebenfalls in Peking aufgestellt. Denny hat in seiner Studie 18,63 Sekunden als Leistungsgrenze berechnet.
Bolt hat noch Reserven
Dass der 1,96 Meter große Super-Sprinter aus Kingston tatsächlich noch Reserven hat, zeigte sich am 16. August im denkwürdigen Olympia- Finale über 100 Meter: Bei Windstille hatte Bolt am Start nur die zweitschlechteste Reaktionszeit aller acht Läufer (0,165 Sekunden), mit offenem Schnürsenkel trudelte Gold-Bolt auf den letzten Metern winkend ins Ziel.
"Es sieht so aus, als ob Männer in keiner Disziplin die Höchstgeschwindigkeit erreicht hätten", erklärte Wissenschaftler Denny, der seine Prognosen auf Langzeit-Vergleiche der Bestzeiten von Läufern, Rennpferden und Windhunden stützt. Während die "tierischen Zeiten" seit Jahren vorbei sind oder nicht nennenswert besser werden, gebe es bei sprintenden Sportlern noch "Luft" noch oben. Zwischen einem (400 Meter) und fünf Prozent (5000 Meter) lasse sich das Durchschnittstempo noch steigern - und damit auch der Weltrekord.
Tempo ist endlich
Tempo ist endlich - darin ist sich Denny mit seinen Forscher- Kollegen einig. Der norwegische Physiker Hans Eriksen hat Bolts Sturmlauf von Peking analysiert und herausgefunden, dass im Finale bereits 9,55 Sekunden möglich gewesen wären - wenn der Olympiasieger voll durchgelaufen wäre. Ende 2006 hatte Mathematik-Professor John Einmahl von der Universität Tilburg 9,29 Sekunden als das Nonplusultra im 100-Meter-Sprint berechnet. Denny liegt mit seiner Prognose dazwischen.
Nicht einmal der älteste Leichtathletik-Weltrekord ist dem Professor aus Kalifornien heilig: Die 1:53,28 Minuten der Tschechin Jarmila Kratochvilova (26. Juli 1983) über 800 Meter könnten sogar noch um rund zweieinhalb Sekunden verbessert werden, wenn sich das Durchschnittstempo um zwei Prozent erhöht. Vielleicht schafft das Kenias Wunderläuferin Pamela Jelimo bereits im WM-Jahr 2009.
Quelle: ntv.de, Ralf Jarkowski, dpa