"Traum einer ganzen Region" Bremerhaven mischt die Eishockey-Liga auf
27.02.2017, 15:02 Uhr
Die Fischtown Pinguins begeistern nicht nur ihre Fans, sondern auch die Experten.
(Foto: imago/foto2press)
Sie sind die Sensation der Saison: Die Fischtown Pinguins erreichen die Play-offs. Abgeschlagener Tabellenletzter werden sie, heißt es vor dem ersten Spiel. Doch ein ehemaliger Marineflieger und ein DDR-Republikflüchtling schaffen das Unglaubliche.
Nicht nur Eishockey-Nationalspieler Thomas Greilinger staunt. "Ehrlich gesagt habe ich kaum einen Spieler von ihnen gekannt", gibt der 35-Jährige zu: "Sie sind das Überraschungsteam der Saison." In den Vor-Play-offs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) trifft der Torjäger mit seinem ERC Ingolstadt ab Mittwoch (19.30 Uhr) auf die Fischtown Pinguins Bremerhaven - den Aufsteiger aus dem hohen Norden, der seinen Traum lebt.
Als abgeschlagener Tabellenletzter eingeschätzt, als schlechter Ersatz für den Großklub Hamburg Freezers bekrittelt, warfen die Eishockey-Cracks von der Nordsee alle Prognosen über den Haufen. Als zweiter Aufsteiger nach dem aktuellen Meister Red Bull München qualifizierten sich die Bremerhavener in ihrer ersten DEL-Saison für die Play-offs - nicht nur zu Greilingers Überraschung. "Wir wussten nicht, was uns erwartet - und die Gegner wussten es auch nicht", sagt Trainer Thomas Popiesch: "Aber das Team war von Anfang an bereit, hart zu arbeiten und alles dem Erfolg unterzuordnen." Getreu dem Klubmotto, das in der Kabine an der Wand steht: "Spiel hart oder fahr nach Hause!"
Zusammengewürfelter Haufen wächst über sich hinaus
Die unglaubliche Erfolgsgeschichte haben ein DDR-Republikflüchtling, der einst im Stasi-Knast saß, und ein ehemaliger Marineflieger der Bundeswehr aus der Oberpfalz geschrieben. Popiesch, mit 17 Jahren als talentierter Eishockeyspieler beim Stasi-Klub Dynamo Berlin auf der Flucht in den Westen festgenommen und in Bautzen inhaftiert, hat bei seinem ersten DEL-Trainerjob aus einem zusammengewürfelten Haufen ein Team geformt, das über sich hinauswächst.
"Wir sind eine Truppe von Spielern, die woanders keine Chance bekommen haben", erklärt Kapitän Mike Moore. Der Kanadier ist einer von 17 Neuen, die Manager Alfred Prey nach dem DEL-Einstieg verpflichtete. Der Oberpfälzer, der vor über 40 Jahren nach Bremerhaven kam, ist bei den Pinguins "Mädchen für alles". "Er ist die Seele des Vereins", sagte Geschäftsführer Hauke Hasselbring dem NDR: "Er ist absolut eishockeyverrückt."
"Wir leben unseren Traum"
Prey arbeitet mit dem kleinsten Etat der Liga (3,5 Millionen Euro), dennoch hat der Neuling arrivierte Klubs wie den achtmaligen deutschen Meister Düsseldorfer EG hinter sich gelassen. Als Bremerhaven im vergangenen Sommer die Lizenz der ausgestiegenen Hamburg Freezers übernahm, waren viele Beobachter skeptisch. Nur Prey und Co. selbst hatten keine Zweifel. "Es ist der Traum einer ganzen Region in Erfüllung gegangen", sagt der Manager. Die Pinguins schlitterten nicht wie befürchtet der prominenten Konkurrenz chancenlos hinterher. Im Gegenteil: Bremerhaven feierte zwei Heimsiege gegen den DEL-Rekordmeister Eisbären Berlin, gewann zweimal beim Meister München und fegte die Kölner Haie mit 6:0 aus der Halle. Die fünf Jahre alte Eisarena platzte aus allen Nähten, 4500 Zuschauer drängten sich im Schnitt hinein, eine Auslastung von 96 Prozent.
Zum Auswärtsspiel in Köln begleiteten 1500 Fans ihre Mannschaft, die Spieler fuhren auf dem Rückweg mit im Sonderzug. "Wir leben hier gerade unseren Traum", schwärmt Popiesch, einer von nur drei deutschen Trainern in der DEL. "Jedem Zuschauer ist der Wahnsinn in die Augen geschrieben", meint Prey schmunzelnd. Der Lohn: Auch wenn in den letzten neun Spielen der Hauptrunde nur noch zwei Siege gelangen, reichte es am Ende zu Platz zehn und der Teilnahme an den Vor-Play-offs. Gegen Ex-Meister Ingolstadt geht es um den Einzug ins Viertelfinale, zwei Siege sind notwendig.
Quelle: ntv.de, Thomas Lipinksi, sid