Auftraggeber beenden Blockade Brisante Dopingstudie ist veröffentlicht
05.08.2013, 15:45 Uhr
In einem Hauruck-Verfahren kündigt das Bundesinnenministerium die sofortige Veröffentlichung der bislang zurückgehaltenen Studie zur bundesdeutschen Dopinggeschichte seit 1950 an. Zuvor war das BMI durch Vorabberichte über organisiertes und staatlich gefördertes Doping in der BRD massiv unter Druck geraten.
Nach monatelangem Streit um die Veröffentlichung der Studie "Doping in Deutschland seit 1950" ist die bislang unter Verschluss gehaltene Forschungsarbeit nun veröffentlicht worden. Das Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) stellte die Abschlussberichte am späten Nachmittag auf seiner Website zum Download bereit.
"Die datenschutzrechtliche Beratung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abgeschlossen", hatte das Bundesinnenministerium BMI zuvor mitgeteilt. Auf Nachfrage, warum nach langem Mauern plötzlich alles so schnell gehe, hieß es lediglich, man habe "großes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung der Doping-Geschichte in beiden Teilen Deutschlands".
Berichte erhöhen Druck auf BMI und BISp
Ganz freiwillig erfolgt die plötzliche Veröffentlichung nicht. Zuvor war am Wochenende der Vorwurf laut geworden, das BMI und das ihm unterstehende BISp wollten unangenehme Forschungsergebnisse über Dopingpraktiken in der BRD vertuschen. Grund war ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung", in der am Samstag ausführlich aus der Studie zitiert worden war. Kerninhalte: Nicht nur in der DDR wurde systematisch gedopt, sondern auch "im westdeutschen Sport in einem erschreckenden Umfang und mit einer kaum glaublichen Systematik". Zudem sei diese Praxis von staatlichen Stellen unterstützt und mit Steuergeldern finanziert worden. Einige der beteiligten Akteure seien noch immer aktiv. Die Studie aber, in der das Dopingsystem beschrieben werden, blieb unter Verschluss.
Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, begrüßte die angekündigte Veröffentlichung der Studie. "Über Monate hat man gesagt, dass die Studie aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden kann. Schlagartig hat sich über das Wochenende die Sachlage nun ins Gegenteil gekehrt", sagte Freitag: "Das kann eigentlich nur dem großen öffentlichen Druck geschuldet sein. Dieser und die breite Diskussion haben sicher dazu geführt, dass die Blockadehaltung des BMI und des BISp aufgegeben wurde."
Angst vor unbequemen Erkenntnissen
Eine Forschergruppe der Berliner Humboldt Universität unter Leitung von Giselher Spitzer hatte seit 2009 gemeinsam mit Forschern aus Münster die Doping-Vergangenheit in der Bundesrepublik untersucht. Titel der Arbeit: "Doping in Deutschland 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation". Während sich die Forscher aus Münster auf die Reflexion des Dopings in den Medien und das Verhältnis von Staat und Sport konzentrierten, lag der Fokus des Berliner Teams auf den Stationen des Dopings in Deutschland.
Initiiert wurde die Untersuchung vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft förderte die Arbeit mit 525.000 Euro. Ende März 2012 wurde die Zahlung an die Berliner Forscher eingestellt, so dass Spitzer und Co. nicht mehr an der Aufarbeitung der Jahre 1990 bis heute beteiligt waren.
Die Veröffentlichung des Abschlussberichts hatte sich wegen Datenschutzbedenken immer wieder verzögert - bis jetzt plötzlich die Freigabe durch das BMI erfolgte. "Ich freue mich, dass das BMI unsere Rechtsauffassung übernommen hat", kommentierte Spitzer die Kehrtwende: "Die Ergebnisse müssen wie geplant und wie vom Deutschen Olympischen Sportbund initiiert veröffentlicht werden. Auch wenn es unbequem ist."
Freitag drängt zudem auf eine Sondersitzung des Sportausschusses. "Ich habe eine Genehmigung beim Bundestagspräsidenten erbeten", sagte die SPD-Politikerin: "Diese soll möglichst noch Ende August, spätesten Anfang September stattfinden. Der Ausschuss muss sich in jedem Fall noch in dieser Legislaturperiode intensiv mit dem Bericht beschäftigen."
Quelle: ntv.de, cwo/sid