Teamkollegen finden das "egoistisch" Britta Steffen schmeißt hin
28.07.2011, 07:20 Uhr
Britta Steffen braucht erstmal Abstand.
(Foto: dpa)
Die Schwimm-WM in Shanghai gerät für den Deutschen Schwimm-Verband zum Desaster. Nun sagt Britta Steffen nach einem enttäuschenden Vorlauf alle weiteren Wettbewerbe ab. Ex-Schwimmerin van Almsick kritisiert die Entscheidung. Steffen solle ihre "Arschbacken zusammenkneifen", sagt sie.
Schwarzer Tag für Britta Steffen und den Deutschen Schwimm-Verband (DSV): Nach nur einem Einzel-Auftritt geht die enttäuschende Doppel-Olympiasiegerin in Shanghai nicht mehr an den Start. Nach dem Vorlauf über 100 Meter in ernüchternden 54,86 Sekunden und der so eben auf Rang 16 erreichten Halbfinal-Qualifikation nahm der Trainer die Titelverteidigerin aus dem Wettbewerb. "Sie ist angetreten, hat sich gezeigt und hat bewiesen, dass sie nicht kneift. Aber jetzt ist es an der Zeit, Britta zu schützen und sie wird keine Wettkämpfe mehr hier bestreiten", sagte Coach Norbert Warnatzsch an der Seite seiner Athletin.
"Ich würde gerne erstmal die Augen zumachen, die Ohren zumachen und dann noch mal mit ein bisschen Abstand auf den heutigen Tag gucken", betonte die 27-Jährige. "Was ich sagen kann ist, dass es alles ist, was drin war, dass leider nicht mehr ging." Jetzt sei Olympia 2012 in London das große Ziel. "Niederlagen gehören zum Sport. Ich habe wahnsinnige Höhen erlebt, jetzt bin ich eben mal abgetaucht", meinte Steffen. Gesundheitliche Probleme hat sie nach eigenen Angaben keine. Durch die Absage von Steffen sind die Verbandsziele für die WM praktisch nicht mehr zu erreichen.
Kritik von den Teamkollegen
Bei Teamkolleginnen und Experten löste die Entscheidung Kritik aus. Der frühere Weltklasseschwimmer Thomas Rupprath monierte bei n-tv, Steffen sei ihrer Verantwortung als "Aushängeschild des Deutschen Schwimmverbands" nicht gerecht geworden. Während der Verzicht auf die Einzelstarts nachvollziehbar sei, hätte sie mit Blick auf die Staffel sagen müssen: "Mensch, hier für Deutschland versuche ich nochmal eine tolle Leistung zu absolvieren, nochmal alles aus meinem Körper rauszuholen, um mich mit der Lagenstaffel schon mal für Olympia zu qualifizieren. Das hätte ich eigentlich von ihr schon so ein bisschen verlangt. "
Die ehemalige Weltklasseschwimmerin Franziska van Almsick kann ebenfalls nicht nachvollziehen, dass sich Steffen auch für die 4 x 100-Meter-Lagenstaffel abgemeldet hat. "Ich verstehe nicht, warum sie alles hinschmeißt. Ich hätte ein bisschen mehr erwartet, dass man als Frontfrau des Deutschen Schwimm-Verbandes auch Verantwortung übernimmt und im Zweifel sich die Beine herausreißt; noch mal alles gibt, um die Lagen-Staffel in die Olympischen Spiele zu bringen", sagte van Almsick in Shanghai und fügte hinzu: "Das finde ich persönlich nicht Ordnung. Ich finde, manchmal muss man eben auch die Arschbacken zusammenkneifen."
Daniela Schreiber, die als Vorlauf 23. noch 38/100 Sekunden langsamer als Steffen war, äußerte sich ebenfalls enttäuscht über Steffens kompletten WM-Verzicht. Einerseits könne sie das verstehen, "weil Britta sehr viel bessere Zeiten gewohnt ist. Andererseits finde ich es egoistisch, zu sagen, ich schwimme gar nicht weiter, weil dann die Lagenstaffel allein dasteht". DSV-Leistungssportdirektor Lutz Buschkow sagte hingegen: "Es ist für uns nachvollziehbar, dass man jetzt sagt: Wir machen hier einen Stopp. In Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2012 muss man einen Sportler, der in der Vergangenheit so große Erfolge für den deutschen Schwimmsport erbracht hat, auch mal schützen."
"Erstmal schlucken und verdauen"
Die anderen Vorlauf-Ergebnisse des DSV gingen am viertletzten Tag vor dem Titelkampf-Ende fast unter, selbst der starke Auftritt von Christian vom Lehn. In 2:10,67 Minuten war er der Zweitschnellste im Vorlauf über 200 Meter Brust. Als 14. erreichte Kurzbahn-Europameister Yannick Lebherz in 1:58,30 Minuten das Halbfinale über 200 Meter Rücken. Die 4 x 200 Meter-Freistil-Staffel der Frauen verfehlte in 7:58,74 Minuten auf Rang zehn das Finale.
Bei den deutschen Meisterschaften war Steffen Anfang Juni noch 54,14 Sekunden geschwommen, aber damit schon über der WM-Norm geblieben. In der Vorbereitung auf die Titelkämpfe in Shanghai war der Titelverteidigerin über 50 und 100 Meter Freistil aber eine sehr starke Form bescheinigt worden. Abrufen konnte sie diese in China nicht. Nach den Gründen dafür soll nun gesucht werden. "Ich glaube, dass man in dieser Situation erstmal schlucken und verdauen muss", meinte die "Sportlerin des Jahres" 2008.
In Shanghai war sie bereits mit ihrer Staffel-Zeit alles andere als zufrieden. "Unerklärlich", so Steffen, waren ihre Zeiten. Sie sei in einer "Super-Form" gewesen. Vorlaufschnellste am Donnerstag war die Niederländerin Femke Heemskerk. Daniela Schreiber aus Halle/Saale verfehlte das Halbfinale mit 55,24 Sekunden.
Quelle: ntv.de, dpa/sid