"Die Nowitzki-Mania gehört in die Tonne" Buschmann kritisiert DBB für EM-Fiasko
10.09.2013, 11:07 Uhr
"Kann ich über Wasser laufen?" Frank Buschmann.
(Foto: picture alliance / Eibner-Presse)
Frank Buschmann begleitet den deutschen Basketball seit Jahren als Experte und TV-Kommentator. Er liebt den Sport - und leidet an der deutschen Mannschaft. Das Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft lastet er vor allem dem Verband an - und dem Festklammern an der Überfigur Nowitzki.
n-tv.de: Frank Buschmann, die deutsche Basketball-Nationalmannschaft ist schon in der Vorrunde der Europameisterschaft ausgeschieden. Gegen Israel gab es noch den zweiten Sieg. Wie lautet ihr Fazit der EM für das deutsche Team?
Frank Buschmann: Der Sieg zeigt, dass im Grunde mehr drin gewesen wäre, deswegen bleibt die große Enttäuschung. Leben ist kein Konjunktiv, aber ein Sieg gegen Großbritannien hätte ein Endspiel gegen Israel bedeutet. Aber wer weiß, wie die Mannschaft dann mit dem Druck umgegangen wäre, und das ist ein Hauptproblem des Teams: dass es mit Drucksituationen nicht klargekommen ist.
Wenn ich Sie nach dem Sensationsauftakt gegen Frankreich gefragt hätte, wo es hingehen kann bei der EM, was hätten Sie geantwortet?
Frank Buschmann, 48 Jahre alt, kommentiert seit 20 Jahren Basketball im Fernsehen. Für viele Fans ist er die beste und markanteste Stimme des deutschen Basketballs. Bei der Europameisterschaft 2013 ist er für spox.com im Einsatz, die täglich ein Spiel live im Stream übertragen.
Ich konnte sehr wohl einordnen, dass das eine Riesenüberraschung war. Aber ich dachte dass kann Auftrieb geben, so dass die Mannschaft auf jeden Fall in die Zwischenrunde kommt. Mehr hätte ich nicht vermutet, dazu kann ich schon einschätzen wie das Team bei der EM positioniert ist. Aber nach einem Auftaktsieg gegen den Vizeeuropameister musst du dich in dieser Gruppe - und ich betone in dieser Gruppe - für die nächste Runde qualifizieren.
Die Niederlage gegen Belgien werfe ich der Mannschaft gar nicht vor. Das hat mich nicht überrascht. Das ist so ein erstes Down, dass du nach einem großen Sieg haben kannst. Aber dann hätte ich erwartet dass man gegen die Ukraine oder vor allem Großbritannien wieder in die Spur findest. Ich kann es auch nicht mehr hören was für tolle Basketball-Nationen Belgien, die Ukraine und Großbritannien sind. Die sind alle der deutschen Mannschaft von der Erfahrung her unterlegen.
Woran lag es dann, dass es gegen diese Mannschaften nicht geklappt hat?
Was mir gefehlt hat, war dieser Hallo-Wach-Effekt, dieses "Schwein sein", dieses Emotionale. Die Körpersprache hat mir nicht gefallen, selbst nach guten Aktionen. Da musst du mal den Gegner anschreien. Mir war das alles zu lasch, zu lieb, zu nett.
War der Hype nach dem Sieg gegen Frankreich zu groß?
Ich habe gedacht nein. Alle mit denen ich gesprochen habe, haben mir das versichert, auch der Trainer hat es angesprochen. Aber im Hochleistungssport spielt sich so viel im Kopf ab, was du nicht direkt beeinflussen kannst. Ich glaube trotzdem, die Spieler wussten, diese Leistung würden sie nicht jeden Abend bringen. Das wäre aber auch nicht nötig gewesen, um die anderen Mannschaften zu schlagen, das muss man klipp und klar sagen. Die schlägst du auch mit 20 Prozent weniger, das ist ja so enttäuschend.
Wer hätte denn diese Emotionalität, die Sie vermisst haben, bringen müssen?
Dafür braucht man ein paar Leute in der Mannschaft, die immer wollen , immer gallig sind. Nehmen wir mal einen Nowitzki: So wie der muss man sich nach dem Training noch mal in die Halle stellen und 300 Würfe nehmen. Das ist ein Vorbild. Nicht sich hinzustellen und zu sagen: Ich bin der Leader. Du musst es vorleben, nicht vorquatschen. Heiko Schaffartzik wollte, er hat eine sehr ordentliche EM gespielt. Die Hierarchie war aber zu steil. Er hat mit seinem Wunsch, der Chef zu sein, die anderen fast erdrückt. Das hat ein Per Günther auch so gesagt, und wenn es so steht im Team, ist das kein gutes Zeichen. Allerdings habe ich mir gedacht, wenn wir alle über Heiko Schaffartzik schimpfen: Meine Güte, wer wäre denn sonst vorwegmarschiert?
Was kann der Coach da tun?
Ich habe Ja gesagt, und das hat mir einen Shitstorm eingetragen, dass ich mir manchmal einen Svetislav Pesic gewünscht hätte. Wenn bei dem einer die Vorgabe eines Spielzeugs einfach ändert - so wie Heiko Schaffartzik es gemacht hat -, dann ist aber Holland in Not. So eine Aktion untergräbt die Autorität eines Trainers. Klar, wir kennen das aus anderen Mannschaften, ein Sarunas Jasikevicius hat ständig die Ansagen seines Trainers korrigiert. Aber ein Heiko Schaffartzik ist kein Sarunas Jasikevicius.
Ich will ja auch keine Trainerdiskussion anfangen. Ich habe Frank Menz sogar selbst gefordert, nachdem Pesic nicht weitermachen konnte, weil es keine Doppelfunktion geben darf [Svetislav Pesic ist Trainer von Bayern München, der DBB erlaubt dem Bundestrainer keine Tätigkeit als Vereinstrainer]. Aber nach der EM-Qualifikation unter Pesic und all den Lobeshymnen über das Verhältnis zwischen Spielern und Trainer hätte ich gern einen Trainer Pesic bei der EM gesehen.
Svetislav Pesic hätte sich bestimmt nicht mit der Vorgabe des Deutschen Basketball-Bundes abgefunden, die der Mannschaft quasi einen Freibrief gab. War das ein Fehler?
Ich sehe das differenziert. Ja, so eine Maßgabe gibt der Mannschaft ein Alibi. Aber jeder Spieler, der an einer EM teilnimmt, will auch gewinnen. Ich finde die Vorgabe aus anderer Sicht schlimm: Wir reden immer darüber, dass Basketball nach Anerkennung sucht, Medienpräsenz braucht. Und dann stellt sich der DBB hin und sagt: Die EM 2013 und die WM 2014 sind gar nicht wichtig. Wie will ich das denn einem normal Sportinteressierten klar machen? Das ist ein Fehler. Rein basketballspezifisch war das aber wohl richtig, für den Plan den der DBB wohl hat: die EM 2015 mit Dirk Nowitzki und allen anderen starken Spielern, und dann die Qualifikation für Rio 2016 als krönendem Abschluss für Nowitzki. Ob ich den Plan für richtig halte, ist eine andere Frage.
Ist der Plan denn richtig?
Wenn der DBB davon spricht die Mannschaft zu entwickeln (…) - ich sage jetzt was ganz Gefährliches: Ich würde endlich diese Nowitzki-Mania in die Tonne kloppen und das Thema beenden. Es sei denn Nowitzki will unbedingt, dann kann man diesem verdienten Spieler nicht verweigern, dabei zu sein. Aber für die Entwicklung einer Mannschaft - und ich habe ja gelernt, wir denken perspektivisch - kann das nicht der Weg sein. Dirk Nowitzki ist 2015 schon 37 Jahre alt. Er wird nicht schneller, nicht fitter, nicht wacher. Mein Wunsch ist, dass er von sich aus sagt: Komm, es reicht, ich hab schon so oft die Knochen für Basketball-Deutschland hingehalten. Das würde er nicht sagen, weil das nicht seinem Naturell entspricht. Ich sag das aber. Findet einen anderen Weg!
Tim Ohlbrecht, Elias Harris, Dennis Schröder müssen - wenn sie sich durchsetzen in der NBA und dem Team helfen können - Führungskräfte in der Nationalmannschaft werden. Ich will auch nie wieder hören, dass ein Spieler Ruhe braucht, um in der nächsten Saison in der Basketball-Bundesliga topfit zu sein. Für ein großes Turnier sollte man bitte der Nationalmannschaft zur Verfügung stehen. Nowitzki immer ausgenommen, der sollte wie gesagt lieber die anderen machen lassen. Wenn wir den Basketball in Deutschland voranbringen wollen, dann brauchen wir die Dennis Schröders dieser Welt, auch die Robin Benzings. Das sind die Spieler, die 2015 versuchen müssen, nach Rio zu kommen. Wenn Nowitzki aber spielen sollte, was passiert denn dann? Das ist ein NBA-Champion, der kommt nicht als sechster Mann mit. Wenn er auf dem Parkett steht, gucken alle: Wo ist Dirk?
Im Gegensatz zur Nationalmannschaft bleiben Sie hier, kommentieren weiter für spox.com die EM. Wer ist für sie Favorit auf den Titel?
Ich habe das Gefühl, dass die Balkan-Staaten mit dem Publikum im Rücken hier was reißen können. Slowenien hat schon Spanien geschlagen - wenn man sich die Aufstellungen anschaut, denkt man, das geht eigentlich gar nicht. Trotzdem, wenn ich mich festlegen muss, dann auf Spanien. Diese Verteidigung ist wie ein Möbelwagen vor dem Tor. Das ist schon krass. Dahinter balgen sich sechs, sieben Mannschaften, die alle ins Finale kommen können. Und da würde ich dann auch nicht gerade meine Rente auf Spanien setzen.
20 Jahre ist es her, dass eine deutsche Nationalmannschaft die Basketball-EM gewonnen hat. Wie lange dauert es bis zum nächsten Titel?
Puh, das ist eine Frage. Kann ich über Wasser laufen? Naja, wenn ich dem DBB folge, könnte es 2015 so weit sein. Dann spielen ja Nowitzki, Kaman und hoffentlich noch drei NBA-Spieler für Deutschland. Ich glaube, selbst das würde nicht reichen. Es dauert mindestens noch 20 Jahre.
Quelle: ntv.de, Mit Frank Buschmann sprach Christian Bartlau