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Nächstes Ende des NFL-Megastars? Cowboys kegeln Brady mit Debakel aus den Playoffs

Welch eine Demontage durch den "Lieblingsgegner": Die Dallas Cowboys nehmen Tom Brady und seine Tampa Bay Buccaneers im Wild-Card-Game der NFL gehörig auseinander. Dramatisch wird's bei einem unfassbaren Extrapunkt-Negativrekord - und bei der Frage nach Bradys Zukunft.

Eigentlich, das ist jedem Football-Fan und -Experten vor dem Wild Card Wochenende klar, dieses offensivschwache Team der Tampa Bay Buccaneers kann in den Playoffs nichts reißen. Die Bucs humpeln in das K.-o.-Turnier, jetzt reisen die defensivstarken Dallas Cowboys ins Raymond James Stadium in Florida. Oder geht da etwa doch etwas? Der Super-Bowl-Champion von 2021 hat einen Vorteil. Er hat einen Quarterback namens Tom Brady in den eigenen Reihen. Und dieser, auch das weiß jeder Football-Fan und -Experte, darf in den Playoffs zu keinem Zeitpunkt abgeschrieben werden.

Die gefährlichste Waffe, die es im American Football je gab, das ist wohl dieser mittlerweile 45-jährige Spielmacher in den Monaten Januar und Februar. In der Postseason wurde Brady in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit beängstigender Regelmäßigkeit zu einem Albtraum für egal welchen Gegner. Auch diesmal schafft der alte Mann es wieder unter die 14 Teams, die um den Super Bowl kämpfen dürfen (Rekord, die 14. Teilnahme in Folge). Wieder will er es vielleicht noch ein letztes Mal wissen.

Aber diesmal kommt alles anders. Brady und seine Bucs spielen ähnlich schwach und unansehnlich wie in der Regular Season, gehen Zuhause gegen die Cowboys mit 14:31 unter und verabschieden sich zum zweiten Mal in Folge früh aus den Playoffs. Es ist eine schmerzhafte Demontage des GOAT, des Greatest Of All Time. Die Partie ist zu keinem Zeitpunkt eine enge Angelegenheit, obwohl Dallas seit 30 Jahren kein Postseason-Auswärtsspiel mehr gewinnen konnte. Nun fragt sich alles und jeder: War es das endgültig mit der Karriere des Superstars? Oder hängt er doch noch ein weiteres Jahr dran? Aber wenn ja, bei welchem Klub?

Negativ-Saison findet übles Ende

Ein kurzer Blick zurück: Die Bucs spielen eine Saison zum Vergessen - obwohl der Spielmacher am letzten Spieltag gleich zwei Rekorde aufstellt. Erfolgreicher, temporeicher, variabler und ästhetisch ansprechender Football? Nein, Tampa Bay wirkt oft überwältigt, teilweise überfordert. Brady spielt zu inkonstant. Acht Siege stehen neun Niederlagen gegenüber. Nur weil die Mannschaft die schlecht besetzte NFC South gewinnt, darf sie in die Playoffs. Für den Superstar ist es die erste Saison überhaupt, selbst seine Zeit am College und in der Highschool mitgezählt, in der er als Quarterback in der Startformation mehr Pleiten als Erfolge auf dem Konto hat. Erst fünfmal hatte es zuvor in der NFL-Historie ein Team mit solch einer Bilanz in die K.-o.-Runde geschafft.

Als Brady vor etwa einem Jahr zurücktrat und anschließend zu den Buccaneers zurückkehrte, um seine 23. NFL-Saison zu spielen, hatte er den Anspruch, ein echter Herausforderer in der NFC zu sein. Mit realen Chancen auf die Teilnahme am Super Bowl. Es sollte Bradys "Unfinished Business" Tour werden. Stattdessen fliegt Tampa Bay nun hochkant schon im Wild-Card-Game aus den Playoffs.

Normalerweise gilt in der Postseason: Tom Brady auf dem Feld bedeutet, dass es immer, zu jedem Zeitpunkt bis zum Abpfiff, die Chance auf einen vom Superstar angeführten Sieg gibt. Vor allem gegen Dallas. Die Cowboys haben Brady vor diesem Spiel noch nie besiegt. Kein einziges Mal. Zwar interessieren Brady diese Statistiken nicht, am vergangenen Sonntag sagt er: "Die Mannschaft, die gewinnt, ist diejenige, die an diesem Tag am besten spielt, nicht diejenige mit der besten Bilanz oder dem Heimrecht."

Brady gelingt von Beginn an nichts

Doch im Do-or-Die-Modus, wie die US-Amerikaner die K.-o.-Spiele gerne nennen, gelingt dem Quarterback, der so ziemlich jeden Playoff-Rekord hält, diesmal von Beginn an überhaupt nichts. Vor den Augen von Hollywood-Star Tom Cruise müssen die Offensiven von Brady und seinem Gegenüber Dak Prescott in der Anfangsphase gleich mehrmals nach drei Versuchen direkt wieder vom Feld. Beide Spielmachern bringen zusammen einen von sieben Würfen für zwei Yards an den Mann. Nicht gerade der Gipfel des QB-Spiels in der Anfangsphase.

Aber dann schüttelt Prescott, der die reguläre Saison mit einer Interception-Serie von sieben Spielen beendete und zuvor erst ein Playoff-Spiel bei vier Versuchen gewinnen konnte, seine Nervosität ab. Nach einem guten Drive über das Feld findet er mit einem 22-Yard-Pass den völlig freistehenden Dalton Schultz in der Endzone zum Touchdown. Es steht 6:0, weil der Extrapunkt misslingt.

Wie antwortet Brady? Zunächst zeigt er, was man von dem GOAT erwartet. Führt sein Team über das Feld bis zur gegnerischen Fünf-Yard-Linie. Nun aber wirft Brady einen Pass zu spät, halbherzig und hoch in die Mitte der Endzone. Das ist im Football selten eine gute Idee - und prompt wird das Ei von den Cowboys abgefangen und der 14 Spielzüge lange Drive zunichtegemacht. Es ist Bradys erste Interception in der sogenannten Redzone, den letzten 20 Yards, seit 2019, die erste im Trikot der Buccaneers nach 407 Redzone-Passversuchen. Die Chance auf die Führung früh im zweiten Viertel ist dahin. Brady kann den durchwachsenen Leistungen der Saison bisher in den Playoffs nichts hinzufügen.

Im Gegenzug legt Prescott mit einem Trickspielzug namens Quarterback-Bootleg einen weitern Touchdown nach: Dallas geht wenige Yards vor der Endzone ins Risiko und spielt einen vierten Versuch aus, wobei der Quarterback antäuscht, den Ball an seinen Running Back zu übergeben. Prescott behält das Ei allerdings in den eigenen Händen und läuft der verwirrten Defensive davon. Weil Kicker Brett Maher gleich den nächsten Extrapunkt verschießt, stellen die Cowboys gut sechs Minuten vor der Halbzeit "nur" auf 12:0.

Prescott zaubert damit nach den ersten misslungenen Drives eine starke Leistung auf den Rasen und lässt die hohen Erwartungen eiskalt an sich abprallen - fast so, wie es früher ein gewisser Tom Brady getan hat. Er bringt die nächsten elf von elf Würfen an den Mann für 138 Yards - und er erwirft einen Touchdown und erläuft einen weiteren. Damit ist er der erste Spieler in der NFL-Historie, dem das in vier aufeinanderfolgenden Playoff-Spielen gelingt. Kurz vor der Pause findet der Quarterback erneut Schultz in der Endzone zum 18:0.

Noch dazu ein Kicker-Drama

Brady geht zum ersten Mal in den Playoffs seit 2001 ohne Punkte in die Kabine. Weil dem Superstar weiterhin nichts gelingt, kontrolliert Dallas das Spiel zur Pause auf beeindruckende Art und Weise. Dramatisch wird es für die Cowboys nur rund um Kicker Brett Maher. Seinen Extrapunktversuch nach dem 18:0 setzt er erneut daneben. Laut Stathead liegt die niedrigste Quote bei Points after Touchdown (PAT) unter Kickern mit mindestens drei PAT-Versuchen in einem Playoff-Spiel bei 50 Prozent, und zwar bei Steve Christie (1994), Roy Gerela (1974) und Errol Mann (1977). Damit sind die Fehlschüsse von Maher zu diesem Zeitpunkt die schlechteste PAT-Bilanz eines Kickers in der Geschichte der NFL-Playoffs.

Zur Halbzeit toppen Prescotts 189 Yards Bradys 96 locker. Was kann Tampa Bay jetzt noch Hoffnung machen? Nach dem, was das Team in dieser Saison gezeigt hat, gibt es keinen Grund, an die Offensive der Buccaneers zu glauben. Das Ende von Tom Brady - zumindest in Florida - rückt wohl immer näher. Es wäre ein bitteres, weil er in dieser Partie bisher absolut chancenlos ist.

In der zweiten Hälfte geht es für Brady wie gehabt weiter. Das Laufspiel kommt nicht in Fahrt, die Pässe des Quarterbacks finden bei enger Deckung keine Abnehmer. 3-and-out, kein großes Aufbäumen. Prescott antwortet mit einem weiteren beeindruckenden Drive, an dessen Ende er Michael Gallup in der Endzone zum nächsten Touchdown zum24:0 bedient. Dallas hat nun bei jedem seiner letzten vier Drives einen Touchdown erzielt. Das ist die längste Serie innerhalb eines Spiels in dieser Saison.

Doch das unfassbare Kicker-Drama geht weiter. Aber auch wenn der vierte (!!!!) Extrapunkt Mahers misslingt, ist zu diesem Zeitpunkt klar: Brady und seine Bucs werden an diesem Montagabend demoliert. Die Cowboys denken gar nicht daran, Respekt vor dem GOAT zu zeigen. Setzen ihn immer wieder unglaublich unter Druck. Hängende Schultern: Die genervte Körpersprache des Superstars bedeutet nichts Gutes. Ob er mit diesem Team noch eine weitere Saison spielen will? Ob er überhaupt noch weitermachen will?

Brady gratuliert - und verschwindet

Immerhin: Mit zehn Plays und 95 Yards gelingt Tampa zum Ende des dritten Viertels das erste Lebenszeichen in Form des ersten Touchdowns. Brady findet Julio Jones mit einem schönen Pass über 30 Yards, aber beim Versuch der 2-Point-Conversion überwirft er deutlich. Beim Stand von 6:24 benötigen die Buccaneers weiterhin drei Scores.

Und Dallas zeigt null Nervosität. In einer wilden Sequenz holt Cowboys-Coach Mike McCarthy den bereitstehenden Maher bei einem vierten Versuch und vier Yards wieder vom Feld - und Prescott bedankt sich mit einem 18-Yard-Pass auf den weit offenen CeeDee Lamb für den nächsten Touchdown. Selbst der Extrapunkt zum 31:6 sitzt diesmal. Das Kicker-Drama ist beendet. Und die Punkte der Bucs zum 14:31 zwei Minuten vor dem Abpfiff sind nur noch Makulatur.

Brady gratuliert Prescott, wie es die Sitte in der NFL ist. Dann joggt er schnell in die Katakomben. Auf dem Weg dorthin zieht er sprichwörtlich den Hut vor den Fans, indem er seine Kappe vom Kopf nimmt und sie ihnen entgegen schwenkt. Ein Zeichen des Abschieds?

"Er trotzt weiterhin der Zeit", sagt Tampa Bay Head Coach Todd Bowles noch am vergangenen Sonntag. "Vater Zeit hat eine Menge Spaß mit Brady". Aber auch wenn Brady seine Karriere möglicherweise noch nicht beendet hat. Diese Pleite zeigt, dass der Quarterback schließlich doch von der Zeit eingeholt worden ist und ein wichtiges Playoff-Spiel nicht mehr nach Belieben dominieren kann. Dass der gefährlichsten Waffe der NFL-Historie langsam aber sicher doch - was niemand wahrhaben wollte - die Klingen stumpf geschliffen wurden. Dass der Megastar zwar noch ein guter Spielmacher ist, mehr aber eben auch nicht mit seinen 45 Jahren.

Zieht Brady wirklich nochmal weiter?

Zu keinem Zeitpunkt weiß seine Mannschaft an diesem Abend in Florida, wie ihr geschieht. Sie findet kein Konzept gegen die aggressive Defensive der Cowboys und kein Mittel gegen den selbstbewussten Prescott. Brady und die Bucs haben bis auf zwei Drives nichts zustande gebracht und der rabenschwarze Abend ist perfekt. "America's Team" liefert dagegen eine Show ab, mit der sie sogar gegen die starken San Francisco 49ers am nächsten Sonntag mithalten könnten.

Teams wie die Las Vegas Raiders sollen großes Interesse an Tom Brady zeigen. Der Quarterback muss nun wieder einmal überlegen, wie es für ihn weitergeht. Als dominanter Megastar mit einer guten Chance auf einen Super-Bowl-Ring wohl überhaupt nicht mehr. Er vermied klare Aussagen zu seiner Zukunft: "Ich gehe nach Hause und versuche, heute Nacht so gut wie möglich zu schlafen. Viel Konzentration lag auf diesem Spiel. Ein Tag nach dem anderen, wirklich."

Quelle: ntv.de

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