Mehr als 200 Kilometer entfernt DHB-Profi um 16.45 Uhr für 20.30-Uhr-Spiel nachnominiert
23.01.2024, 08:34 Uhr
Lukas Zerbe (2. von rechts) mittendrin.
(Foto: dpa)
Weil Timo Kastening kurzfristig ausfällt, nominiert Bundestrainer Alfred Gíslason für das EM-Hauptrundenspiel gegen Ungarn nach. Lukas Zerbe erhält weniger als vier Stunden vor Anpfiff den Anruf, dass er sich dringend auf den Weg machen soll.
Lukas Zerbe wusste natürlich, dass er sich grundsätzlich bereithalten muss. Den Sprung in den finalen EM-Kader der deutschen Handballer hatte der 28-Jährige zwar knapp verpasst, war jedoch als einer von zwei Nachrückern auf Abruf für die Spiele vorgesehen. Dass er allerdings so spontan bei der Heim-Europameisterschaft gefragt sein würde, damit hatte er dann doch nicht gerecht. "Der Anruf kam um Viertel vor fünf", erzählte Zerbe, also weniger als vier Stunden vor Anpfiff des so wichtigen Hauptrundenduells gegen Ungarn um 20.30 Uhr. "Da saß ich auf dem Sofa und habe fast meine Tasche gepackt, um ins Training zu fahren", erzählte der 28-Jährige.
Weil er in der Bundesliga für den TBV Lemgo Lippe aktiv ist und das DHB-Team in Köln antritt, war die kurze Vorlaufzeit glücklicherweise kein Problem. Wobei zwischen Arena in Lemgo (bei Bielefeld) und Arena in Köln trotzdem noch mehr als 200 Kilometer liegen. Viel später hätte der Anruf also vermutlich nicht kommen dürfen. Zerbe aber war bereit für die Planänderung: "Dann habe ich die größere Tasche gepackt, ins Auto geschmissen und bin zur Nationalmannschaft gereist." Als Ersatz für Timo Kastening, der aufgrund eines Infekts kurzfristig ausgefallen war.
Und so saß Zerbe dann abends durchaus überraschend auf der Bank neben Bundestrainer Alfred Gíslason. Der Neffe von Volker Zerbe (284 Länderspiele, u.a. Europameister 2004) spielte beim großen emotionalen Befreiungsschlag nur eine Nebenrolle, in seinen 4:11 Minuten Einsatzzeit warf er nicht aufs Tor, das machte dem Rechtsaußen jedoch nichts aus: "Hier unten vor so vielen Menschen zu stehen, ist schon ein Mega-Gefühl", schwärmte er, der seinen Abend anders geplant hatte: "Mit meiner Freundin auf dem Sofa, aber die hat jetzt alleine oder mit meiner Familie zusammen geschaut".
Einen Einfluss aufs deutsche Spiel hatte Zerbe, der im Sommer zum Branchenprimus THW Kiel wechselt, aber doch: "Es ist cool, dass Zebu noch dazu gekommen ist. Das hat der Mannschaft auch nochmal einen Push gegeben", freute sich Spielmacher Juri Knorr über den Stunt des Lemgoers:
Zerbe stattdessen war mittendrin, als die deutschen Handballer vor 20.000 Menschen in Köln mit dem 35:28 (18:17)-Erfolg das Tor zum Halbfinale wieder ein gutes Stück aufstießen. Zum Hauptrundenabschluss gegen Kroatien (Mittwoch, 20.30 Uhr/ARD und im Liveticker bei ntv.de) reicht dafür unabhängig von den anderen Ergebnissen ein eigener Sieg. Der potenzielle Halbfinalgegner indes steht schon fest, Dänemark ist in der anderen Hauptrundengruppe nicht mehr von Platz eins zu verdrängen. Nach drei WM-Titeln in Serie (2019, 2021, 2023) greifen die Skandinavier nun nach ihrem dritten EM-Triumph nach 2008 und 2012.
Ob Kastening gegen Kroatien wieder dabei sein kann, entscheidet sich aller Voraussicht nach kurzfristig. "Wir hoffen, dass er so weit ist, dass er im nächsten Spiel dabei sein kann. Er hatte Fieber", berichtete Gíslason am Montagabend nach dem erleichternden Sieg über Ungarn. Lukas Zerbe wäre sicherlich bereit, im Fall der Fälle wieder einzuspringen.
Quelle: ntv.de, tsi/dpa