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"Jetzt ist der Knoten geplatzt" DHB-Team setzt Ausrufezeichen

Erlösung in Nis: Die deutschen Handballer feiern den Zittersieg gegen Mazedonien.

Erlösung in Nis: Die deutschen Handballer feiern den Zittersieg gegen Mazedonien.

(Foto: AP)

Mit dem mentalen Kraftakt gegen 4000 fanatische Mazedonier wahren Deutschlands Handballer bei der EM mehr als ihre Olympia-Chance. Sie beginnen, nach Jahren des Misserfolgs wieder an sich zu glauben. DHB-Coach Martin Heuberger überrascht mit mutigen Personalentscheidungen, mahnt aber: "Für mich ist die Welt noch lange nicht in Ordnung."

Die Halle war der erwartete Hexenkessel, das Spiel der befürchtete Horrortrip. Ein Happy End gab es trotzdem. Selbst wenn Deutschlands Handballer bei der EM in Serbien auf wundersame Weise den Titel gewinnen sollten: Den emotionalen Höhepunkt haben Coach Martin Heuberger und seine Spieler schon hinter sich. Ausgelassener als nach dem 24:23-Krimi gegen Mazedonien können Freudentänze nicht ausfallen.

Zum Haare raufen: Martin Heuberger musste während des Mazedonien-Spiels lange leiden.

Zum Haare raufen: Martin Heuberger musste während des Mazedonien-Spiels lange leiden.

(Foto: dpa)

Der Frust nach dem EM-Fehlstart gegen Tschechien, die Furcht vor dem Vorrunden-K.o. und dem Olympia-Aus, das alles wurde zu Euphorie, als der letzte Wurf des mazedonischen Rückraumstars Kyril Lazarov kurz vor Schluss an die Latte klatschte. Der Zittersieg gegen Mazedonien, das sich erst nach dem abgelehnten Protest geschlagen gab, hat Deutschlands Handballer den Glauben an sich zurückgegeben, findet Torwart Silvio Heinevetter: "So ein Sieg bringt mehr Selbstvertrauen, als wenn du Mazedonien oder eine andere Mannschaft mit zehn Toren weghaust."

Verändert hat der knappe Sieg auch die sportlichen Perspektiven des DHB-Teams bei dieser EM. Ein peinliches Vorrundenaus bleibt zwar weiterhin möglich. Durch Schwedens 33:29-Erfolg über Tschechien hat Deutschland aber auch die Chance, mit der Optimalausbeute von 4:0-Punkten in die Hauptrunde einzuziehen. Dann wäre die angestrebte Olympia-Qualifikation plötzlich sehr nah.

"Wir wollten ein Ausrufezeichen setzen. Das ist uns gelungen", sagte Lars Kaufmann, mit sechs Toren bester DHB-Torschütze. Abwehrchef Oliver Roggisch fand: "Jetzt ist der Knoten geplatzt. Wenn wir weiter so Gas geben, werden wir bei diesem Turnier noch viel Spaß haben."

Verbessert, aber noch nicht gut

Ausgangslage vor dem Gruppenfinale
Stand in Gr. B nach zwei Partien:
1.   Schweden259:553
2.   Tschechien256:572
3.   Deutschland248:502
4.   Mazedonien249:501

 

Die deutschen Handballer erreichen die Hauptrunde, wenn

  • sie gegen Schweden gewinnen oder unentschieden spielen
  • sie gegen Schweden verlieren, aber Mazedonien nicht gegen Tschechien gewinnt

Die deutschen Handballer scheiden aus, wenn

  • sie gegen Schweden verlieren und Mazedonien gegen Tschechien gewinnt

Anlass zur Sorge, dass der Deutsche Handball-Bund (DHB) nach Turnierende erstmals seit 2007 wieder Titelfeierlichkeiten ausrichten muss, besteht nicht. Das Team von Martin Heuberger, der den zweiten Sieg seiner Amtszeit bisweilen haareraufend am Spielfeldrand erlebte, zeigte sich gegen die Mazedonier mental und kämpferisch stark verbessert. Spielerisch blieb vieles im Argen. Am Donnerstag gegen Schweden (18.15 Uhr) muss sich die Mannschaft noch einmal erheblich steigern, sie kann das aber im Wissen tun: Ein Punkt gegen den WM-Vierten garantiert das Weiterkommen.

Zweifel bleiben auch nach dem ersten Sieg bei dieser EM: Dass die Partie vor mehr als 4000, zwischen Fanatismus und Feindseligkeit schwankenden Mazedoniern ein Handball-Drama wurde, dazu trug Deutschland mit Ideenlosigkeit im Angriff, Unkonzentriertheiten in der Abwehr und unnötigen Strafen bei. Dass das DHB-Team in der aufgeheizten Atmosphäre am Ende die Nerven behielt, war aber gleichzeitig mehr, als mancher im Deutschen Handball-Bund dem Team zugetraut hatte. Spielmacher Michael Haaß hofft nun auf eine nachhaltige Wirkung: "So ein Fight schweißt zusammen."

Als Mannschaft triumphiert

Heuberger machte seinem Team nach dem "höllischen Spiel" ein Kompliment: "Die Situation war nicht einfach. Wir haben gekämpft und gezeigt, dass wir eine Mannschaft sind." Nicht Teil dieses Teams war Kapitän und Rückraumstar Pascal Hens, den Heuberger 60 Minuten auf der Bank ließ. Für ihn spielte Kaufmann, und er spielte gut. Auch mit seiner Entscheidung, im Tor mit Carsten Lichtlein zu beginnen und in der hitzigen Schlussphase EM-Neuling Patrick Wiencek in die Partie zu werfen, lag Heuberger richtig.

Der 47-Jährige war trotzdem bestrebt, den "enorm wichtigen" Sieg nüchtern einzuordnen. Zu frisch ist die Erinnerung an die grotesken Leistungsschwankungen bei den letzten beiden Großturnieren, die jeweils mit Enttäuschungen geendet hatten. Also sagte Heuberger: "Für mich ist die Welt noch lange nicht in Ordnung. Da habe ich noch zu wenig Vertrauen in die Mannschaft."

Gegen Schweden kann das DHB-Team beweisen, dass es sich nach den Misserfolgen der letzten Jahre endlich wieder selbst vertraut.

Quelle: ntv.de

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