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Druck bei WM zu hoch?Darts-Superstar Michael van Gerwen versteht die Deutschen nicht

29.12.2025, 09:56 Uhr
imageVon Kevin Schulte, London
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Die deutschen Darts-Profis starten größtenteils stark in die WM, bauen aber nach Weihnachten bis auf Gabriel Clemens und Arno Merk stark ab. Ist der Druck zu hoch? Ex-Weltmeister Michael van Gerwen hat eine klare Meinung.

Michael van Gerwen ist ein Mann klarer Worte - und nicht um kritische Töne verlegen. Das unterstreicht der dreifache Darts-Weltmeister auch in der Nacht von Sonntag auf Montag im Presseraum des Alexandra Palace in London. "MvG" hatte wenige Minuten zuvor sein Drittrunden-Spiel bei der Darts-WM gegen den Deutschen Arno Merk mit 4:1 gewonnen - und damit den letzten deutschen Teilnehmer in der Runde der letzten 32 aus der WM befördert.

Im Spiel zuvor war 2023er-Halbfinalist Gabriel Clemens trotz herausragender Leistung gegen Ex-Weltmeister Luke Humphries knapp ausgeschieden. Am Nachmittag wurde Martin Schindler, Deutschlands bester Spieler in der Weltrangliste, krachend mit 0:4 von Ryan Searle aus der WM geworfen. Am Vorabend erging es Ricardo Pietreczko beim 2:4 gegen den schwedischen Außenseiter Andreas Harrysson ähnlich.

"In diesem konkreten Fall gibt es an den deutschen Spielern nichts auszusetzen. Manchmal muss man den Sieger einfach loben. Es ist nicht immer so, dass jemand schlecht spielt", ordnet Superstar Michael van Gerwen nach seinem Achtelfinal-Einzug die Lage der Deutschen bei der diesjährigen WM ein. Nicht aber ohne den Deutschen doch noch einen kleinen Denkzettel zu verpassen. "Ein Land wie Deutschland sollte mehr Spitzenspieler haben", ist der Niederländer überzeugt. "Ich war überrascht, dass Niko Springer in der ersten Runde ausgeschieden ist. Vielleicht war er zu nervös. Martin Schindler hat zuletzt gut gespielt, dann bricht er aber plötzlich ein", zählt Van Gerwen auf und fordert: "Sie müssen konstanter werden."

Druck? "Willkommen in meinem Leben"

In der deutschen Dartsszene wird seit Jahren eifrig darüber diskutiert, ob medialer Druck der größte Hemmschuh ist, welcher den Sprung an die Weltspitze verhindert. "In Deutschland sind wir die Helden, wenn wir gewinnen. Wenn wir verlieren, sind wir die Deppen", unterstellte Schindler vor und während des Turniers bei verschiedenen Pressekonferenzen. Hoch talentierten Spielern wie Niko Springer würde zu viel Druck gemacht, kritisieren Schindler und andere Akteure der deutschen Dartsszene seit Jahren - und machen sich wohl auch deshalb rar, was Interviewtermine anbetrifft.

Die meisten Topspieler geben teils offen zu, dass sie keine Lust haben, sich Journalistenfragen zu stellen. Die Managements der Spieler sehen in entsprechenden Mediengesprächen oft eher Gefahr als Chance. Hinzu kommt, dass die Profidarts-Organisation PDC den Akteuren leicht macht, sich Journalistenfragen zu entziehen. Bei sämtlichen Turnieren müssen nach den einzelnen Spielen nur die Sieger zur Pressekonferenz erscheinen. Von den vier Deutschen, die in diesem Jahr in Runde drei ausgeschieden sind, hat nur Arno Merk eine Pressekonferenz abgehalten.

Michael van Gerwen fehlt das Verständnis für die Einschätzung, dass medialer Druck die weitere Entwicklung von Darts-Deutschland an der Spitze hemmen würde. "Willkommen in meinem Leben", entgegnet der Weltmeister von 2014, 2017 und 2019 auf eine entsprechende Frage von ntv.de und muss lachen.

Sind die Beschwerden der deutschen Spieler gerechtfertigt? "Nein", sagt der nach Phil "The Power" Taylor zweiterfolgreichste Dartspieler der Geschichte. "Solange Medien über einen sprechen, solange sie Interviews mit dir führen, solange bist du wichtig. Sie sollten also glücklich sein, Interviews zu geben. Denn an dem Tag, an dem sie keine Interviewtermine mehr haben, geht es bergab."

Früher ruhten Hoffnungen oft auf Hopp

Sicherlich haben die Kritiker einen Punkt, aber eher beim Blick in die Vergangenheit. Vor allem Max Hopp war mehrfach die einzig halbwegs realistische deutsche Hoffnung auf einen Lauf bei der WM. Als sehr junger Spieler kann man an den hohen Erwartungen und den Lasten einer ganzen Darts-Nation sicher regelrecht zerbrechen. Seit Jahren sind es aber nicht einzelne Spieler, die die deutschen Hoffnungen zu schultern versuchen.

Die Anzahl der deutschen WM-Teilnehmer ist in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen und zum bereits zweiten Mal nach der WM 2023/2024 hatten es diesmal vier Deutsche in die dritte Runde geschafft. Genau wie zwei Jahre zuvor schieden jedoch alle vier an den ersten zwei Spieltagen nach Weihnachten aus.

Im Achtelfinale der WM in diesem Jahr werden noch Akteure aus sechs oder sieben Nationen vertreten sein - je nach Ausgang der letzten Drittrunden-Spiele am heutigen Montag. England stellt mindestens die Hälfte der Spieler, die um den Titel mitspielen. Je ein Achtelfinalist kommt aus Schottland, Wales, Polen und Schweden. Nordirland könnte noch in die Liste aufrücken, wenn Josh Rock die Runde der letzten 32 übersteht.

Die Niederlande bleiben hinter England die klare Nummer zwei in der Darts-Welt: Kevin Doets könnte am Montagnachmittag Michael van Gerwen und Gian van Veen ins Achtelfinale folgen. Die Spieler aus unserem Nachbarland werden im Verlauf der WM vermutlich noch viele Interviewtermine absolvieren.

Quelle: ntv.de

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