Gerwyn Price nach Thriller raus Darts-WM startet episch ins neue Jahr
02.01.2022, 09:00 Uhr
Jubelte wie immer lautstark, verlor aber trotzdem gegen Michael Smith: Vorjahres-Champion Gerwyn Price.
(Foto: imago images/Action Plus)
Die Darts-Weltmeisterschaft lässt ihr Corona-Chaos mit zwei Viertelfinal-Krachern in den Hintergrund rücken. Trotz historischem Moment scheidet Weltmeister Gerwyn Price gegen Michael Smith aus. Jetzt könnte wieder die Stunde von Peter Wright schlagen.
Darts-Experten beschreiben ihren Sport gerne als "permanentes Elfmeterschießen". Wie richtig sie damit liegen, zeigt der Neujahrsabend. Das Viertelfinale der Weltmeisterschaft bietet einen epischen Abend, der in die Geschichte des Pfeilesports eingehen wird. Es dauert vier Stunden und 18 Sätze, um die letzten zwei Halbfinalisten zu ermitteln.
Gerwyn Price, amtierender Weltmeister, hätte den Darts-Abend früher beenden können. Beim Stand von 4:3 in den Sätzen und 2:2 in den Legs, hat der Waliser gleich zwei Chancen zum Matchgewinn. Doch beide Darts verfehlen das acht Millimeter schmale Doppelfeld. Michael Smith schnappt zu, gleicht zum vierten Mal in diesem Viertelfinal-Duell aus.
Nach 0:1, 1:2, 2:3 und 3:4 entscheidet jetzt ein einziger Satz über Ausscheiden und Weiterkommen. Und es ist Smith, der sich schnell einen Vorteil erspielt, im Entscheidungssatz mit 2:0 in den Legs in Führung geht. Price sendet ein Lebenszeichen, verkürzt ohne Probleme auf 1:2. Doch im vierten Leg darf Smith anfangen, ein entscheidender Vorteil. Es ist gewissermaßen der Vorteil des Elfmeterschützen gegenüber dem Torwart. Meistens gewinnt der Schütze. So auch hier.
"Ich fing an zu zittern"
Smith steht bei 138 Punkten Rest, erspielt sich dank zweier Triple-Treffer seinen ersten Matchdart auf die Doppel 12, verfehlt aber. Price muss 110 Punkte auf Null bringen, um im Spiel zu bleiben, verfehlt aber. Smith kommt nochmal ran, nutzt seinen dritten Matchdart zum Sieg. "Ich bin so glücklich, das ist eine der besten Nächte meiner Karriere", freut sich der Engländer. "Zum Ende hin fing ich an zu zittern. Ich musste mich zusammenreißen. Als ich auf der letzten Doppel 12 war, habe ich mir gesagt: Konzentriere dich auf das, woran du in den letzten zwölf Monaten gearbeitet hast."
Es hat geklappt. Smith, der in der Vergangenheit immer wieder Nerven in entscheidenden Momenten gezeigt hatte, ist diesmal ruhig geblieben und steht im WM-Halbfinale. "Ich bin der Verwirklichung meines Traums einen Schritt näher gekommen. Das ist meine Chance", so der "Bully Boy" nach dem Coup gegen Price.
Price wütet gegen Zuschauer: "Betrüger"
Der (noch) amtierende Champion war wenig überraschend bedient nach seinem Aus. In der Schlussphase hatte sich Price beim Schiedsrichter über einen Zuschauer beschwert, der in mit einem Zwischenruf oder Pfiff während des Wurfs gestört hatte. Bei Instagram reagierte der Weltranglistenerste darauf knapp, aber deutlich: "Betrüger".
In der Anfangsphase der Partie hatte Price dagegen für Jubelstürme beim ihm gewohnt nicht wohlgesonnenen Publikum gesorgt. Im zweiten Leg des vierten Satzes gelingt dem Ex-Rugbyprofi ein Neun-Darter, das perfekte Spiel. Der "Iceman" würde dieses gerne gegen den Halbfinal-Einzug eintauschen, hat aber "immerhin" für einen historischen Moment gesorgt. Es ist das erste Mal, dass bei einer WM gleich drei Neun-Darter geworfen werden. An Tag drei hatte der junge Schotte William Borland das perfekte Spiel geschafft, einen Tag später folgte der Litauer Darius Labanauskas. Es ist erst der 13 Neun-Darter in 29 Jahren Darts-WM.
Schottisches Duell im Halbfinale
In der Vorschlussrunde trifft Michael Smith am heutigen Sonntagabend auf James Wade. "The Machine" hatte Mervyn King am Nachmittag beim glatten 5:0-Erfolg zermürbt. In allen entscheidenden Situationen war Wade zur Stelle. Ihm reichte ein mäßiger 3-Dart-Punkteschnitt von 86 zum Sieg. Zum Vergleich: Smith erreichte knapp 102 Punkte pro Aufnahme. Für Wade völlig egal - nach dem Motto "Sieg ist Sieg." Im Halbfinale braucht's aber dennoch eine Steigerung.
Viertelfinale
James Wade 5-0 Mervyn King
Luke Humphries 2-5 Gary Anderson
Peter Wright 5-4 Callan Rydz
Gerwyn Price 4-5 Michael Smith
Halbfinale, Sonntag, 20:30 Uhr
Michael Smith - James Wade
Peter Wright - Gary Anderson
Das zweite Semifinale bestreiten die Schotten Wright und Anderson im Londoner Alexandra Palace. Peter Wright, Weltranglistenzweiter, gewann am Neujahrsabend eine atemberaubende Partie gegen den jungen Engländer Callan Rydz. Trotz zwischenzeitlichem 0:2-, 1:3- und 3:4-Rückstand setzte sich der Weltmeister von 2020 mit 5:4 durch. Im Entscheidungssatz versagten Rydz die Nerven, während Wright mit Ruhe und Erfahrung das Spiel auf seine Seite zog und in der nächsten Runde gegen Gary Anderson ran darf. "Ich freue mich darauf, gegen Gary zu spielen, ich möchte so viel erreichen wie er, bevor ich in Rente gehe. Hoffentlich wird das Spiel so gut wie das von heute Abend, wenn nicht besser", blickte Wright auf das Duell der Ex-Weltmeister voraus.
Zuletzt trafen die beiden 51-Jährigen im "Ally Pally" bei der WM 2017 aufeinander. Anderson gewann deutlich und zog ins Endspiel ein. Gegen eine Wiederholung hätte der "Flying Scotsman" nichts einzuwenden. In seinem Viertelfinale bestach der Weltmeister von 2015 und 2016 genau wie Wright vor allem mit Konsequenz in Drucksituationen gegen Ende der Partie. "Ich habe ganz gut gespielt, aber ich habe zu Beginn viele Doppel verfehlt", sagte Anderson, der nicht die Erwartung habe, "dieses Turnier zu gewinnen". Er sei noch nicht in Bestform, aber es werde "von Spiel zu Spiel besser". Bis zum Titel sind es für Anderson, Wright, Wade und Smith nur noch zwei "Elfmeterschießen".
Quelle: ntv.de