Fabelweltrekord - und Skepsis Das Staunen über "Phänomen" Cheptegei
16.08.2020, 12:14 Uhr
Wow.
(Foto: AP)
Mit seinem Fabelweltrekord über 5000 Meter verblüfft Joshua Cheptegei in Monaco beim ersten großen Meeting nach der Coronapause die Laufwelt. Und die stellt sich nun vor allem eine Frage: Wie um Himmels Willen war ein solches Rennen gerade in diesen verrückten Zeiten möglich?
Kaum hatte Joshua Cheptegei einen der ganz großen Weltrekorde der Leichtathletik zerschmettert, hob er herausfordernd die Arme und blickte ins karge monegassische Publikum. Noch Fragen? Und die gab es in der Tat reichlich, nachdem der neue ugandische Wunderläufer die 16 Jahre alte 5000-Meter-Bestmarke des großen Kenenisa Bekele am Freitagabend um zwei Sekunden auf 12:35,36 Minuten gedrückt hatte.
Die drängendste: Wie um Himmels Willen war ein solches Rennen gerade in diesen verrückten Zeiten und beim ersten Diamond-League-Wettkampf nach der Coronapause möglich? "Es war eine große mentale Herausforderung, in diesem Jahr motiviert zu bleiben", gab Cheptegei nach seinem einsamen Lauf mit einem Temposchnitt von 23,8 Stundenkilometern zu: "Aber ich habe mich immer wieder angetrieben, hatte die richtigen Leute um mich. Und dabei in Uganda bei meiner Familie zu sein, war großartig."
Der 23-Jährige, der normalerweise seinen Trainingsschwerpunkt in den Niederlanden hat, habe in der afrikanischen Heimat viel Zeit mit bodenständiger Arbeit verbracht, eine Grundschule angepinselt, mit dem Vater auf dem Feld geackert. Und nebenher muss ihm noch reichlich Zeit geblieben sein, das nächste läuferische Level zu erreichen. "Ich wusste, dass Monaco einer dieser besonderen Orte ist, wo ich den Weltrekord brechen kann", sagte Cheptegei. Und es war nicht irgendein Weltrekord: Bekeles Zeit stand anderthalb Jahrzehnte in Stein gemeißelt, 2004 hatte er die Bestmarke seines noch größeren äthiopischen Landsmannes Haile Gebrselassie (12:39,36) auf 12:37,35 verbessert - niemand war seitdem näher als fünf Sekunden an diese Marke herangekommen.
"Sein Laufstil ist Poesie als Bewegung"
Wer jene nun in Cheptegeis Manier sprengt, noch dazu in einem Jahr, in der das weltweite Doping-Kontrollsystem nur noch auf Notbetrieb läuft, muss mit einer gewissen Skepsis leben. Und doch kam sein Rekordlauf keineswegs aus dem Nichts. "Sein Laufstil ist Poesie als Bewegung", sagte Trainingspartner und Marathon-Superstar Eliud Kipchoge am Donnerstag, das gemeinsame "NN Running Team" kündigte Cheptegeis Monaco-Weltrekord selbstbewusst frühzeitig an.
Die Bilanz des Edelstilisten in seinen jüngsten vier Rennen ist schwindelerregend: WM-Gold über 10.000 Meter mit Meisterschaftsrekord in Doha (6. Oktober 2019), Straßen-Weltrekord über zehn Kilometer (1. Dezember 2019) und fünf Kilometer (16. Februar 2020) - und nun die Krönung in Monaco. "Ich möchte die Bahn in den nächsten fünf oder sechs Jahren dominieren", hatte Cheptegei in Doha gesagt.
Und vielleicht reicht es sogar für die Erfüllung seines Masterplans, den er zu Beginn seiner Karriere formulierte: "Ich möchte meinen Sport so verändern, wie es Michael Jordan und Cristiano Ronaldo in ihrem geschafft haben." Nicht nur Cheptegei zeigte in Monaco, wo 5000 Zuschauer zugelassen waren, Großes. Über 1500 Meter knackte der norwegische Teenager Jakob Ingebrigtsen in 3:28,68 Minuten den Europarekord Mo Farahs (3:28,81). Und mit 6 Metern machte Stabhoch-Weltrekordler Armand Duplantis dort weiter, wo er vor dem Break aufgehört hatte.
Quelle: ntv.de, Christoph Leuchtenberg, sid