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Darts-Halbfinale gegen Bully Boy Das kolossalste WM-Duell des Gabriel Clemens

Der "Bully Boy" ist der nächste Gegner von Gabriel Clemens.

Der "Bully Boy" ist der nächste Gegner von Gabriel Clemens.

(Foto: IMAGO/Action Plus)

Gabriel Clemens nimmt Kurs auf das Endspiel bei der Darts-WM in London. Nach dem Weltranglisten-Ersten Gerwyn Price folgt der nächste Topgegner. ntv.de macht den Check: Was spricht für den "German Giant" - und was für seinen Kontrahenten Michael Smith?

Es hätte nicht viel gefehlt und das erste Halbfinale der Darts-WM wäre ohne Gabriel Clemens und Michael Smith über die Bühne gegangen. Die beiden Pfeile-Kolosse haben nämlich je ein Spiel "überlebt", das sie eigentlich nie hätten "überleben" dürfen. Der "German Giant", der sein Viertelfinale auf erstaunliche Weise gegen den "Iceman" Gerwyn Price gewonnen hatte, stand in der dritten Runde gegen Jim Williams bereits vor dem Aus. Der Waliser hatte das Duell mit einer aberwitzigen Erfolgsquote auf die entscheidenden Doppelfelder bereits auf seine Seite gezogen, ehe ihm beim Matchdart die Präzision abhandenkam und er sich davon nicht mehr erholte.

Noch verrückter überstand der "Bully Boy" sein Duell mit Stephen Bunting. "The Bullet" scorte seinen englischen Landsmann in Grund und Boden, erlebte aber einen frustrierenden "Doube Trouble". Weil aber nur der gewinnt, der die Doppelfelder trifft, schied Bunting aus - und Smith steht im Halbfinale. ntv.de-Experte Kevin Schulte sah "eines der merkwürdigsten Spiele der WM", das der "'Bully Boy' niemals gewinnen darf". Nun kommt es am Abend also zum Duell zwischen Clemens, dem ersten Deutschen jemals im Halbfinale, und dem Engländer, der sich erst vor ein paar Wochen vom Finalfluch bei den Majorturnieren erlöste und beim Grand Slam of Darts den ersten großen Titel gewann. Nun kann und soll der zweite ganz große Titel folgen.

"Bully Boy" spielt nicht sein bestes Darts

Und Smith winkt noch ein zweiter Coup. Nach dem überraschenden Aus von Price ist er ein Kandidat, um am 4. Januar die Spitze der Weltrangliste zu übernehmen. Aber auch der bereits ausgeschiedene Peter Wright aus Schottland kann nach oben rücken, wenn weder Smith noch Michael van Gerwen das Turnier gewinnen. Soweit ist es noch nicht, erstmal Halbfinale, erstmal "Bully Boy" gegen den "German Giant". Und wieder ist der 39-Jährige aus dem Saarland nur der Außenseiter, wie schon gegen Price. Und wieder trifft er auf einen Weltklasse-Gegner, der bei diesem Turnier längst noch nicht seine besten Darts spielt.

Und so spricht für Clemens nicht nur die Rolle des Spielers, der nichts zu verlieren hat, sondern auch, dass er der Mann ist, der nach einer durchwachsenen Saison zum Höhepunkt in bester Verfassung ist. Vier starke Spiele hat er auf die Bühne gebracht. Sein Auftritt im Achtelfinale gegen den schottischen Feuerwehrmann Alan Soutar war bemerkenswert und wurde eine Runde später gegen den Weltranglisten-Ersten noch getoppt. Sein Scoring war beeindruckend, vor allem auf die Triple-20 war "Gaga" unfassbar stark. Kaum eine Aufnahme (drei Pfeile) blieb ohne einen Treffer auf ein Triple-Feld. Hinzu kommt die stoische Ruhe, mit der Clemens ans Oche tritt. Er lässt sich weder von der Kulisse im Ally-Pally, die ihm indes wohlgesonnen ist, treiben, noch von den Mätzchen eines Gegners verunsichern. So prallte die seltsame Kopfhörer-Aktion von Price stumpf am "German Giant" ab.

Smith ist mental deutlich stärker geworden

Und so dürfte der furiose Lauf und das damit verbundene Vertrauen in die eigene Klasse der große Trumpf von Clemens in diesem Duell sein. Auch wenn sein Gegner nach van Gerwen der zweitformstärkste Spieler des vergangenen Jahres war, die meisten 180er warf, und sich mit dem Sieg beim Grand Slam of Darts auch selbstvergewisserte, dass er ein Mann für die großen Bühnen und die großen Titel ist. Eine Parallele übrigens zu Peter Wright, der lange Jahre auch der "ewige Zweite" war und nach seinem ersten Triumph bei den UK Open 2017 noch stärker wurde und nach dem WM-Titel 2020 endgültig durch die Decke ging.

Gabriel Clemens vs. Michael Smith

Spitznamen: "German" Giant (Clemens), "Bully Boy" (Smith)
Alter: 39 (Clemens), 32 (Smith)
Weltranglistenplatz: 25 (Clemens), 4 (Smith)
PDC-Turniersiege: 0 (Clemens), 21 (Smith)
Preisgeld 2021 und 2022: 221.250 Pfund (Clemens), 758.500 Pfund (Smith)
Neun-Darter im TV: 0 (Clemens), 2 (Smith)
Einlaufmusik: "Wonderwall" (Clemens) "Shut up & dance" (Smith)

Smith ist als Spieler mental deutlich stabiler geworden. Sein Talent ist riesig, seine Scoringqualitäten gefürchtet. Aber wenn es mal nicht rund lief (oft beim Wurf auf die Doppelfelder), haderte der Engländer mit sich so vehement, dass er Spiele durch den Ärger auf sich selbst vergeigte. Für jeden Gegner war die Gemütsverfassung des 32-Jährigen offensichtlich. "Da hat er mächtig draufgepackt", urteilt Kevin Schulte. "Ein Spiel wie gegen Martin Schindler in Runde drei hätte er bei der vergangenen WM ganz sicher noch verloren", glaubt der ntv.de-Experte. Diese neue Stärke ist ein wichtiges Pfund, denn "genau das brauchst du gegen so einen entspannten Spieler wie Clemens".

Zudem spricht für Smith die Erfahrung in solchen Duellen. Zwei Mal stand er bereits im Finale, weiß also, wie er WM-Halbfnals gewinnen kann und wie man die Kraft in den langen Satz-Duellen dosiert. Dennoch glaubt Schulte an die Chance für Clemens: "'Gaga' hat vier richtig gute Partien gespielt, das hat Michael Smith nicht geschafft. Er war nur gegen Joe Cullen richtig stark und spielt für seine Verhältnisse bislang eigentlich keine gute WM." Fünfmal haben die beiden bereits gegeneinander gespielt, vier Mal ging der Engländer als Sieger von der Bühne, aber nie war sie so groß wie heute Abend um 20.45 Uhr (im Liveticker bei ntv.de).

Quelle: ntv.de

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