Die Schule der Superstars Deutschland startet Futsal-Abenteuer
30.10.2016, 09:49 Uhr
Trickreich.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Torschüsse im Minutentakt und brillante Ball-Zaubereien – Futsal ist die schnellste Variante des Fußballs. In Spanien und Brasilien strömen über Zehntausend Zuschauer zu den Spielen. Nun soll diese Hallenfußball-Variante Deutschland erobern.
Eine Nationalmannschaft wurde vor elf Monaten gegründet. Heute wird es ernst: In Hamburg findet das erste Futsal-Länderspiel der DFB-Auswahl statt. Nationaltrainer Paul Schomann sagt vor der Partie gegen England: "Wir wollen den Menschen zeigen, wie attraktiv dieser Hallenfußball ist. Ein 9:8 in der Halle ist spannender als ein 2:1 auf dem großen Feld."
Beim Futsal ist der Ball kleiner und sprungreduziert. Seitenbanden existieren nicht. Gespielt wird 2 x 20 Minuten – und zwar mit jeweils einem Torwart und vier Feldspielern. Der Sport ist rasant. Zeitspiel? So etwas gibt es in der Halle nicht. Die Uhr wird bei jeder Unterbrechung angehalten. Landet der Ball im Aus, muss innerhalb von vier Sekunden weitergespielt werden. Ansonsten bekommt der Gegner den Ball. Zeit zum Durchatmen gibt es nicht. Arsene Wenger, Trainer vom FC Arsenal, sagte einmal: "Im Futsal müssen die Spieler ständig Entscheidungen treffen. Bei jeder Aktion gibt es Dutzende Optionen. Dein Gehirn arbeitet wie ein Computer."
Fünfstellige Monatsgehälter für die Stars
In Deutschland mag Futsal ein Nischensport sein. In vielen anderen Ländern herrscht ein großer Hype. Top-Spieler wie der Brasilianer Falcao oder der Portugiese Ricardinho sind in ihren Ländern Superstars. Fünfstellige Monatsgehälter sind keine Seltenheit. Als führende Nation von Europa gilt Spanien. Zweimal wurden die Spanier Weltmeister, siebenmal Europameister. Seit 1989 existiert eine Profiliga. Sogar der FC Barcelona ist dort mit einem Profiteam vertreten.
Von solchen Bedingungen können deutsche Futsal-Akteure nur träumen. Schomann weiß: "In Deutschland verdienen die Spieler keinen Pfennig. Sie müssen sogar noch Geld mitbringen." Immerhin: Das Interesse der Öffentlichkeit ist vorhanden. Das Länderspiel an diesem Sonntag ist mit 2092 Zuschauern ausverkauft. Der Fernsehsender Sport1 überträgt live. Horst Hrubesch, der mit der Deutschen Olympiaauswahl Silber gewann, hat sich als Ehrengast angekündigt. Gut möglich, dass der 65-Jährige irgendwann eine Funktion einnimmt. Schomann sagt vielversprechend: "Er ist hoch interessiert. Sicherlich wird die Gelegenheit kommen, dass er sich mit einbringt."
Zwergen-Duell statt Klassiker
Deutschland gegen England klingt nach einem Klassiker. Man denkt an große Stars oder an das legendäre WM-Finale von 1966. Im Futsal hingegen sind die beiden Nationen echte Zwerge. Die englische Nationalmannschaft hat es innerhalb von zwölf Jahren nicht hinbekommen, sich für die Endrunde einer Europa- oder Weltmeisterschaft zu qualifizieren.
Deutschland wiederum ist mit der Einführung der Nationalmannschaft ein Spätstarter. Fast alle anderen Uefa-Mitglieder waren schneller. Nur in Österreich, Nordirland, Luxemburg und Liechtenstein gibt es noch keine Futsal-Nationalmannschaft. Bereits im April bestritt die DFB-Auswahl zwei inoffizielle Testspiele gegen Georgien. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Deutschland unterlag mit 0:4 und 0:5. Schomann sagt: "Durch Training und Lehrgänge haben wir uns seitdem weiterentwickelt."
Das ist auch dringend erforderlich: Deutschland will 2018 zur Europameisterschafts-Endrunde nach Slowenien. Der Weg dorthin ist lang und steinig. Zwei Gruppenphasen muss die DFB-Auswahl überstehen. Vom 23. Januar bis zum 1. Februar findet die erste Runde statt. Deutschland misst sich mit Lettland, Estland und Armenien. Lediglich der Gruppensieger kommt weiter. Im Fußball wäre das ein Selbstgänger, im Futsal ist es eine Mammutaufgabe. Der Bundestrainer weiß: "Wir sind der Neuling und daher der große Außenseiter."
Bekannte Namen aus dem Fußball gibt es in der Futsal-Nationalmannschaft kaum. Die meisten haben zwar auch auf dem großen Feld gespielt, tun es teilweise immer noch. Doch weiter als in die Oberliga oder Regionalliga brachte es kaum einer. Eine Ausnahme ist Lennart Hartmann. Als 17-Jähriger gab er unter Lucien Favre sein Bundesligadebüt bei Hertha BSC. Noch heute ist er der jüngste Bundesligaspieler der Vereinsgeschichte. Doch sein Körper war den Profibedingungen nicht gewachsen. Verletzungen zwangen ihn zum Karriereende. Im Futsal erlebt er nun seinen "zweiten Frühling."
Messi, Zidane, Ronaldo
Ob nun Lionel Messi oder Ronaldinho, Zinedine Zidane oder Cristiano Ronaldo – viele Stars haben früher Futsal gespielt und dort ihre technischen Fertigkeiten erlangt. Genau das möchte der DFB auch dem eigenen Nachwuchs bieten. Sportdirektor Hansi Flick sagt auf DFB.de: "Für die fußballerische Entwicklung im Nachwuchsbereich kann Futsal wichtige Grundlagen fördern."
Auch einige deutsche Fußball-Stars haben eine Vergangenheit im Futsal. BVB-Mittelfeldspieler Julian Weigl wurde in der Halle sogar durch einen Talentscout von 1860 München entdeckt. Es war der Beginn einer großen Karriere. Der 21-Jährige sagt in einer DFB-Publikation: "Futsal ist für die Entwicklung der Technik sehr, sehr gut. Man lernt, auf engeren Räumen fast alle Situationen spielerisch zu lösen." Als Ausbildungsinhalt für junge Fußballer ist Futsal offenbar nicht mehr wegzudenken. Ob der Sport hierzulande auch ein Massenpublikum elektrisiert? Abwarten.
Quelle: ntv.de