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Hanning redet sich in Rage Deutschlands Handball-Höllenritt, der eigentlich nicht zu überstehen ist

Auf die deutsche Abwehr wartet die schwerste Aufgabe dieser WM.

Auf die deutsche Abwehr wartet die schwerste Aufgabe dieser WM.

(Foto: IMAGO/Hartenfelser)

Auf die deutsche Handball-Nationalmannschaft wartet ein Höllenritt: Gegen Gastgeber Dänemark muss das DHB-Team eine der schwersten Aufgaben des Weltsports angehen. Im deutschen Lager macht man sich offenbar keine Hoffnung.

Senkt sich heute Abend das Licht in der Jyske Bank Boxen und startet die große Einlaufshow, treten die deutschen Nationalspieler direkt in die Handball-Hölle ein: Zum Auftakt der Hauptrunde (20.30 Uhr/ ARD und im Liveticker auf ntv.de) trifft das DHB-Team auf Gastgeber Dänemark, direkt in dessen Wohnzimmer. 15.000 dänische Handball-Wahnsinnige werden die deutsche Mannschaft empfangen, es wird laut und einseitig. Und dann erst kommt die dänische Nationalmannschaft. Und die verbreitet Angst und Schrecken. Gegen Dänemark, in Dänemark, bei einer Weltmeisterschaft: Auf die deutsche Mannschaft wartet in Herning eine der schwersten Aufgaben im Weltsport.

Kinder, die heute in Dänemark in die dritte Klasse gehen, haben in ihrem ganzen Leben noch keine Niederlage ihrer Nationalmannschaft miterleben müssen. Nach dem 22. Januar 2017, dem überraschenden 25:27 im Achtelfinale der WM in Frankreich, reihten die Dänen Sieg an Sieg. Sagenhafte 31 Spiele in Serie haben sie nicht mehr auf der ganz großen Bühne verloren, die letzten drei Weltmeisterschaften gingen an die Dänen und zwischendurch veredelten sie ihren historischen Lauf noch mit Olympiagold.

Hoffnung gibt es kaum. Auf dem Papier seien es wenige bis gar keine Punkte, die für das deutsche Team sprechen, sagte nun auch DHB-Linksaußen Lukas Mertens. Alleine Welthandballer Mathias Gidsel ist jederzeit in der Lage, gegnerischen Abwehrreihen gleich welcher Güteklasse einen 60-minütigen Höllenritt zu bereiten. Der 25-Jährige, den die deutschen Handball-Fans bei den Füchsen Berlin in der Bundesliga bestaunen dürfen, vereint eine unglaubliche Dynamik, Spielwitz und eine gnadenlose Härte gegen sich selbst.

"Können jeden schlagen - außer Dänemark"

Der Olympiasieger, zweimalige Weltmeister, WM- und EM-Torschützenkönig und Olympia-MVP stürzt sich so waghalsig wie kaum ein anderer Spieler in seine Angriffe. Abschluss folgt auf Abschluss, dänische Angriffe dauern bei diesem Turnier nur 20 Sekunden. Manchem muss es vorkommen, als wären die Dänen auf Fahrrädern unterwegs - und würden mit Bällen werfen, für die Gesetze der Physik nicht gelten. Bundestrainer Alfred Gislason hatte schon vor dem WM-Start die Situation auf den Punkt gebracht: "An einem guten Tag können wir jeden schlagen - außer vielleicht Dänemark."

Nun kommt es aber zum Duell mit den Übermächtigen. In der Vorrunde haben Gidsel und Co. keinerlei Raum für Außenseiterträume gelassen: 47:22 gegen Algerien, 32:21 gegen Tunesien und 39:20 gegen Italien - die Vorrunde gegen die zweitklassigen Gegner war kaum mehr als ein Warmschießen für die richtigen Aufgaben.

"Es ist das schwerstmögliche Spiel, aber zum bestmöglichen Zeitpunkt", sagt Bob Hanning im Gespräch mit ntv.de. Hanning, deutscher Handballmacher, hatte einst Gidsel nach Berlin gelotst. Es war einer der großen Coups der jüngeren Transfergeschichte. "Geht es um die Medaillen, gewinnen wir gegen Dänemark von zehn Spielen anderthalb. Höchstens. Aber in einer Gruppenphase sind es zwei von zehn. Die Chance, sie jetzt zu kriegen, die beste Mannschaft der Welt, mit 15.000 Fans im Rücken, ist sehr, sehr gering. Aber sie ist jetzt größer als im späteren Turnierverlauf." Dafür brauche es "eine überragende Torhüterleistung, eine deutlich konsequentere, deutlich härtere Abwehr und ein nochmal verbesserter Spielfluss. Und das Wichtigste ist: Wir müssen uns aus der Abwehr heraus mit Toren beschenken, dass wir uns nicht jedes Tor hart erarbeiten müssen. Nur dann haben wir eine Chance, auf Augenhöhe zu kommen. Ob wir dann auch gewinnen? Das ist eine ganz andere Frage."

"Knorr hat etwas ganz Entscheidendes gesagt"

Dass die Dänen, bei denen sich rund um Gidsel zahlreiche weitere Superstars wie Emil Nielsen, der beste Torwart der Olympischen Spiele, gruppieren, auch große Handball-Nationen schlicht überrollen können, haben die Deutschen erst vor wenigen Monaten ertragen müssen: Als es um olympisches Gold ging, wurde das DHB-Team am Ende eines sensationellen Laufs mit Siegen über Schweden, Frankreich und Spanien von der dänischen Übermacht fürchterlich vermöbelt. 26:39 hieß es am Ende einer schweren Dauer-Demütigung, nie war ein Olympisches Handballfinale einseitiger gewesen. Das DHB-Team hat das nicht vergessen, es ist ein Stachel, der tief im Fleisch steckt.

"Wir müssen unserem Anspruch an uns selbst wieder gerecht werden. Dann haben wir eine kleine Gewinnchance." Johannes Golla freut sich auf die Mammutaufgabe, "weil wir auch viel besser zu machen haben - im Vergleich zum Olympiafinale. Da haben wir absolut nicht unser wahres Gesicht gezeigt", sagte der Kapitän im Interview mit RTL/ntv. "Deswegen freut man sich speziell auch auf diese Spitzenspiele und auf eine gewisse Chance, auch zu zeigen, dass wir besser sind als das, was da im Finale in Lille passiert ist."

Dennoch ist man im deutschen Lager bemüht, die Bedeutung des Spiels niedrig anzusetzen. "Ich sehe das Dänemark-Spiel daher eher als Bonus-Spiel. Natürlich haben wir den Anspruch, dagegenzuhalten. Aber ich will es einfach genießen. Natürlich wäre es schön, nicht wieder mit 13 Toren zu verlieren", sagte Spielmacher Juri Knorr. Auch Gislason wollte keine Kampfansage schicken: "Es ist nur ein Handballspiel gegen Dänemark. Wir werden versuchen, das besser zu machen als bei Olympia und schauen, was das bringt." Und Senkrechtstarter Renars Uscins, mit 24 Treffern Deutschlands bester Torschütze im Turnier - und sogar einen Treffer besser als Gidsel, sagte schlicht: "Wir werden sehen, ob wir bereit sind."

Ganz andere Töne kommen aus Dänemark. "Fast alle in unserem Team spielen in der Bundesliga. Wir wollen nach Deutschland zurückkehren und sagen: Wir haben Deutschland geschlagen", heizt Gidsel das Duell noch einmal extra an - und schickte eine klare Ansage an das DHB-Team: "Hier in Herning sind wir schwer zu schlagen".

"Ich weiß nicht, wie man auf diese Idee kommt"

Während die Dänen durch ihre Vorrundengruppe flogen und in der Jyske Bank Boxen wilde Handball-Partys veranstaltete, tat sich die ambitionierte deutsche Mannschaft oft schwer, erst in der zweiten Hälfte des Vorrundenfinals gegen Tschechien fand das junge DHB-Team den ersehnten Flow. Bundestrainer Gislason hatte vor dem Spiel schon davor gewarnt, dass die Erwartungen an die Mannschaft - von innen und außen - derzeit etwas zu hoch sein, schon wurden Zweifel am aktuellen Leistungsvermögen des Kaders laut, der so fast deckungsgleich furios zu Olympischem Silber gestürmt war.

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Das bringt Hanning auf die Palme: "Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, dass die Vorrunde der deutschen Mannschaft eine Enttäuschung gewesen ist. Auf keinen Fall. Wir sind Gruppensieger mit der optimalen Punktezahl. Ich kriege diese Stimmung ja mit und bin auch ein kritischer Mensch, der gerne sagt, was er denkt. Aber ich bin lange nicht so negativ eingestellt", schimpft der ehemalige DHB-Vizepräsident. "Wir sind eine Ergebnis-, keine Erlebnissportart. Wir haben alle Spiele positiv gestaltet." Und Schlüsselspieler Juri Knorr spiele sogar "die beste Vorrunde, die er jemals bei einem Turnier gespielt hat." Dabei wurde der deutsche Spielmacher sowohl bei der WM 2023 als auch bei der Heim-EM 2024 ins All-Star-Team des Turniers gewählt.

Für die deutsche Mannschaft ist die Situation - betrachtet man die großen Linien dieses Turniers - allerdings ziemlich komfortabel: Durch die makellose Vorrunde hat man auch bei einer Niederlage gegen die Gastgeber beste Aussichten auf den Einzug ins Viertelfinale, die auch beim Blick auf die verbleibenden Gegner in der Zwischenrunde kaum eingetrübt wird: Sowohl gegen Italien als auch gegen Tunesien ist das DHB-Team klarer Favorit.

Quelle: ntv.de

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