Sport

Am Rande des Desasters Handball-Weltstar sorgt für rührenden Fair-Play-Moment

Gonzalo Perez de Vargas ist einer der besten Torhüter der Welt.

Gonzalo Perez de Vargas ist einer der besten Torhüter der Welt.

(Foto: IMAGO/TT)

Gonzalo Perez de Vargas ist einer der besten Handball-Torhüter der Welt. In einem enorm wichtigen Spiel bei der Weltmeisterschaft sorgt der Spanier nun für einen großen Moment - und wird dafür noch ganz spät belohnt.

Der Schiedsrichter zögerte keine Sekunde und zückte die Rote Karte. Nach 40 Minuten im Vorrundenfinale der Handball-Weltmeisterschaft zwischen Schweden und Spanien war es vorbei für den schwedischen Linksaußen Hampus Wanne. Er hatte bei einem Siebenmeter den gegnerischen Torwart Gonzalo Perez de Vargas im Gesicht getroffen, was im Handball als unfaires Spiel gewertet wird, weil es den Torhüter gefährdet. So hatte es der Schiedsrichter gesehen. Doch dann schritt Perez de Vargas zur Tat - und produzierte einen großen Fair-Play-Moment dieser WM.

Der 34-Jährige zeigte sofort an, dass Rot die falsche Bewertung ist. Seine Gesten machten deutlich: Wanne hatte ihn erst am Arm getroffen, von da prallte der Ball aus kürzester Distanz in sein Gesicht. Perez de Vargas hatte mit vollem Körpereinsatz verhindert, dass die Schweden mit dem möglichen 21:14 ihren Vorsprung weiter ausbauen. Der Schiedsrichter war überzeugt, nahm die Rote Karte zurück, Wanne durfte auf dem Spielfeld bleiben und nahm Perez de Vargas zum Dank kurz in den Arm.

"Das ist fantastisch"

Ein wichtiger Spieler der Schweden auf dem Feld weniger, da hätte Perez de Vargas sich auch denken können, dass dies bei dem deutlichen Rückstand nicht ganz so schlecht für sein Team wäre und schweigen können. Doch das kam für den Spanier, der im Rahmen der Olympischen Spiele im vergangenen Jahr von den teilnehmenden Handballerinnen und Handballern zum Vorsitzenden der Athletenkommission des Weltverbands IHF gewählt wurde, nicht infrage, wie er nach der Partie sagte. "Wenn ein Ball den Kopf des Torwarts trifft, dann ist es ein Ball, der den Kopf des Torwarts trifft. Aber wenn das nicht der Fall ist, muss man es sagen und nicht überreagieren."

Wanne war zum Zeitpunkt seiner verhinderten Hinausstellung mit fünf Treffern zweitbester Schütze der Schweden, später traf er noch zweimal - und scheiterte beim Stand von 25:22 für seine Schweden noch einmal an Perez de Vargas. Nach dem dramatischen Endspurt lobte Wanne den Kontrahenten, der normalerweise sein Freund und Teamkollege beim FC Barcelona ist, für die Reaktion: "In einem Spiel wie diesem hat er sich entschieden, ehrlich zu sein. Das ist fantastisch."

Zudem wusste Perez de Vargas natürlich, dass sein Überreagieren bei Ansicht der TV-Bilder sofort entlarvt worden wäre: "Hier gibt es viele Kameras, die Leute können es in Zeitlupe sehen, und wenn es nicht so ist, ist es nicht so." Es gibt bei der WM keinen Videoschiedsrichter, der eingreift. Die Schiedsrichter haben zwar die Möglichkeit, ihre Entscheidungen anhand der Videobilder zu überprüfen, dafür hätten sie in dieser Szene aber zweifeln müssen - und das sofortige Zücken der Rote Karte spricht deutlich dagegen. Der Keeper erklärte: "Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Hampus eine Rote Karte bekommen hätte. Ich weiß wirklich nicht, wie das Ergebnis ausgegangen wäre. Aber ich musste mit dem Schiedsrichter reden, weil ich das Gefühl hatte, ein bisschen ein Lügner zu sein."

"Reden hier über den Sieg, aber ..."

Perez de Vargas hatte sich für Ehrlichkeit entschieden - und das Karma sollte es zurückzahlen. Denn ab diesem Moment kämpfte sich Spanien zurück ins Spiel. Der Sechs-Tore-Vorsprung der Schweden schmolz - am Ende gab es ein umkämpftes 29:29, beide Teams konnten nur einen Punkt für die Hauptrunde mitnehmen. "Ich bin mit meiner Entscheidung sehr zufrieden, auch wenn es vielleicht eine Rote Karte für Hampus hätte geben können, vielleicht auch einige der Tore, die er am Ende geschossen hat, wir reden hier über den Sieg, aber ..."

Schweden und Spanien ziehen damit mit derselben Punkteausbeute in die Hauptrunde ein. Beide Teams, die bei den Olympischen Spielen im vergangenen Sommer jeweils Niederlagen auf Deutschlands wundersamem Weg zu olympischen Silber kassierten, gehen nun mit 3:1 Punkten in den Kampf ums Viertelfinale.

Und so macht nicht nur der Spielstand die Geste besonders bemerkenswert, sondern auch die Bedeutung des Spiels. Zwar waren beide Teams schon vor dem Anpfiff für die Hauptrunde qualifiziert, doch es sind eben die Punkte gegen die Topteams in der Gruppe, die im Laufe des Turniers noch wertvoll werden. Und das bedeutet für Schweden und Spanien konkret: Wer patzt, muss wohl schon im Viertelfinale gegen die Übermannschaft aus Dänemark ran. Wer die Hauptrundengruppe II gewinnt, "darf" darauf hoffen, nur gegen die deutsche Mannschaft spielen zu müssen - wenn in der "deutsch-dänischen" Hauptrundengruppe I alles läuft, wie erwartet.

Ein spektakuläres Duo

Mehr zum Thema

Für Perez de Vargas zahlte sich die Aktion auch persönlich aus. Ihm wurde nach der Partie ein spezieller Fair-Play-Preis verliehen. Mit diesem können die Turnier-Verantwortlichen Spieler auszeichnen, die ihren Beitrag zum Image des Handballs leisten. "Ich bleibe mir lieber treu, als mit einem schlechten Gewissen zu leben", erklärte der Prämierte.

Perez de Vargas wird ab der kommenden Saison für den THW Kiel in der Bundesliga auflaufen - und dort mit dem deutschen Torwart-Titan Andreas Wolff eines der spektakulärsten Torwart-Duos der Welt bilden. Und eines, das neben fantastischen Paraden auch im Gleichtakt große Fair-Play-Momente produzieren kann. Wolff war 2024 mit dem Fair-Play-Preis des Deutschen Sports ausgezeichnet worden - weil er bei der Weltmeisterschaft 2023 gleich zweimal nach vermeintlichen Kopftreffern einen Gegenspieler vor einer Bestrafung gerettet hatte.

Quelle: ntv.de, ara/ter

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen