
Am Tag der Waage muss das Gewicht bei MMA-Kämpfern stimmen.
(Foto: Oktagon)
Wie viele andere Kampfsportarten findet auch Mixed Martial Arts in Gewichtsklassen statt. Viele Athleten treten aber deutlich unter ihrem natürlichen Gewicht an. Sie unterziehen sich teilweise extremen Methoden, um abzunehmen - und setzen dabei auf zahlreiche Tricks.
Mixed Martial Arts ist vorwiegend geprägt von oberflächlichen Verletzungen: Prellungen, Schnittwunden, im schlimmsten Fall auch Brüche. Bevor die Athleten aber in den Käfig steigen, unterziehen sie sich einem Prozess, um ihr Gewicht drastisch zu schrumpfen. Gewichtmachen nennt sich der Prozess, von dem sich die Kämpfer einen Vorteil im Ring erhoffen. Dafür werden den Körper stark belastende und teilweise gefährliche Methoden angewendet, die über eine bloße Diät hinausgehen. Theoretisch kann jeder auf diesem Weg viele Kilos in kurzer Zeit verlieren, Ringarzt und Orthopäde Dr. Panagiotis Karachalios erklärt im Gespräch mit ntv/RTL, warum das eine ziemlich dumme Idee wäre.
Auch die MMA-Kämpfer bei Oktagon 62 unterziehen sich diesem Prozess. Das historische Spektakel aus dem Deutsche Bank Park in Frankfurt ist am 12. Oktober exklusiv auf RTL+ zu sehen (im Premium-Abo ab 8,99 Euro).
Wochenlange Diät und Kalorienzählen
Das ist der weniger dramatische und vielen ohnehin bekannte Weg. MMA-Kämpfer beginnen teilweise zwei Monate vor ihrem Kampf mit einer strikten Diät, die sich im Verlauf der Vorbereitung zuspitzt. Es werden in der Regel nur die Kalorien zugeführt, die der Körper für das Training braucht. Ein MMA-Kämpfer folgt entsprechend einem Ernährungsplan, den ihm ein Spezialist zusammengestellt hat. "Das ist eher wie eine normale Diät und nicht gefährlich", sagt Karachalios, der unter anderem auch Medizinchecks bei Oktagon-Veranstaltungen durchführt. "Das ist höchstens eine psychische Belastung, die jeder, der eine Diät macht, durchlebt." Der Mediziner erklärt im Gespräch mit ntv/RTL, dass die Mischung aus Fasten und Kalorienzählen aber eigentlich nur der Vorbereitung dient, um die kräftezehrenden Schwitzprozesse einfacher zu überstehen. "Ziel ist es bereits auf diesem klassischen Weg so viel Gewicht zu verlieren, dass in den finalen Tagen vor dem Kampf nur rund 10 Prozent des Körpergewichts als Wasser verloren werden müssen", so Karachalios.
Water Loading
Rund vier Tage vor dem Kampf starten viele MMA-Athleten das Water Loading. Kontrolliert und über den Tag verteilt, führen sie dem Körper enorme Mengen Wasser zu. Je nach Gewicht zwischen sechs und zehn Litern pro Tag. Damit wird die Nierentätigkeit so richtig angekurbelt, entsprechend oft erfolgt der Gang zur Toilette. Nach drei Tagen wechselt der Athlet abrupt in eine sehr niedrige Wasserzufuhr: Er trinkt nur noch einen Liter pro Tag. Die Niere wird so ausgetrickst. Sie arbeitet weiter auf Hochtouren und verarbeitet Flüssigkeit im Körper, die über den Urin abgeführt wird.
"Das ist so gesehen auch ungefährlich, solange es kontrolliert durchgeführt wird. Es sind ja Hochleistungssportler, die in der Vorbereitung bereits mehr trinken und das dann langsam steigern. Gefährlich wäre es nur, wenn sie kein Salz und keine Elektrolyte mehr zu sich nehmen. Aber kleine Mengen essen die MMA-Sportler in dieser Zeit ja noch", so Karachalios.
Das Abkochen
Einen Tag vor dem Kampf findet das offizielle Wiegen statt. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Athleten unter einem bestimmten Zielgewicht sein. Entsprechend wird 24 Stunden vor der Waage so viel Wasser wie möglich ausgeschwitzt, um an diesen Punkt zu gelangen. Eine Dehydration mit besonders drastischen Methoden. Hier spitzt sich auch die Diät zu, denn gegessen wird einen Tag vor der Waage nichts mehr, getrunken auch nicht. Alleine sind die MMA-Profis dabei nie, werden in der Regel von mehreren Trainern, teilweise auch Ärzten und Ernährungswissenschaftlern betreut.
Schwitzen ohne Ende
Ein Standartpart beim Abkochen sind mehrere Saunagänge. Erst macht sich der Athlet warm, bringt den Körper auf Temperatur und startet so den Schwitzprozess. Dabei tragen viele bereits einen Schwitzanzug, der kaum atmungsaktiv ist und den Körper bereits in eine kleine Sauna verwandelt. Dann geht es in eine mobile Sauna oder eine Saunadecke. Die mobile Sauna ist eine Art Thermozelt, das mit Hitzestrahlern oder heißem Dampf auf mehr als 70 Grad hochgefahren wird. Der Kopf ist jedoch frei, der Rest des Körpers schwitzt. So kann ein Athlet deutlich längere Saunagänge absolvieren - teilweise bis zu einer Stunde, in einer handelsüblichen Sauna soll man rund 10 Minuten verbringen.
Die Saunadecke dagegen funktioniert etwas anders, auch wenn hier der Kopf frei bleibt. Dick eingepackt in Handtücher und letztlich von der mit Infrarotstrahlen betriebenen Decke steigt die Temperatur auch hier auf rund 75 Grad Celsius. Die Hitze hat aber keinerlei Auswirkungen auf die Haut und wird von vielen MMA-Profis als angenehmer empfunden.
Auch wird mit mentalen Tricks gearbeitet. Der Athlet darf in dieser Zeit kein Wasser und keine Nahrung zu sich nehmen, dem Körper das Gefühl geben, dass etwas nachkommt, geht schon. Teilweise bekommen die MMA-Profis einen Eiswürfel zum Lutschen, das Wasser dürfen sie aber nicht schlucken und müssen es ausspucken. Es bleibt aber ein kleiner Kühleffekt für den Kopf, der ohnehin permanent von den Betreuern mit Eiswürfeln kühl gehalten wird. Einen ähnlichen Effekt hat ein Lutscher, an dem die Pros wenige Sekunden schlecken dürfen. Der kleine Zuckerschub ist allerdings ein kleiner mentaler Push und löst den trockenen Mund.
Das Salzbad
"Dann gibt es noch die Option, ein Salzbad zu nehmen. Ein heißes Bad bei 55 bis 60 Grad, der Körper wird vorher noch mit einer Schwitzcreme eingerieben, damit sich die Poren öffnen", erklärt Karachalios. Das könne den Körper schon in einen kritischen Zustand versetzen. Die Gefäße weiten sich, die Organe werden schlechter mit Blut versorgt, entsprechend beginnt das Herz schneller zu schlagen. "Die Athleten bekommen teilweise Herzrasen und viele halten diesen Zustand nicht lange aus. Es passiert nicht selten, dass sie dabei kollabieren. Das kann auch in der mobilen Sauna oder mit dem Schwitzanzug passieren, aber beim Salzbad deutlich häufiger."
Langfristige Folgen
Dass man mit diesen Methoden zwar in kurzer Zeit viele Kilogramm abnehmen kann, dürfe nicht über die langfristigen Risiken hinwegtäuschen, sagt der Mediziner. Der Hormonhaushalt des Körpers gerät aus der Balance. Kreislaufprobleme, Muskelkrämpfe, Ohnmachtsanfälle, chronische Verstopfung oder Nierenfunktionsstörungen können Folgen des Gewichtmachens sein. "Psychischer Stress, Essstörungen können entstehen. Teilweise besteht sogar das Risiko einer Osteoporose, sofern man bereits in jungen Jahren diese Prozesse durchlaufen hat", so Karachalios.
Er wünscht sich, dass das Gewichtmachen komplett aus dem Sport verschwindet. Für ihn gebe es auch nur eine konsequente Lösung: Bereits Monate vor dem Kampf müsse ein Gewicht festgelegt und die Athleten zur Waage gebeten werden. "So würden alle mit ihrem natürlichen Gewicht antreten. Ein Gewicht, in dem sie sich letztlich auch wohlfühlen."
Quelle: ntv.de