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Referees brechen Kanadas Herz Die neue Supermacht im Welteishockey

Finnische Eishelden.

Finnische Eishelden.

(Foto: dpa)

Das Welteishockey hat eine Supermacht: Finnland. Nach dem Olympiasieg feiert die Mannschaft als erst zweite das historische Double mit dem WM-Sieg vor eigenem Publikum. Finalgegner Kanada hadert derweil mit mehreren strittigen Entscheidungen der Schiedsrichter.

Nein, Kanada war an diesem Sonntagabend nun wirklich nicht vom Schiedsrichter, pardon, vom Glück geküsst. In der turbulenten Schlussphase des WM-Endspiels gegen die neue Eishockey-Supermacht Finnland trotzten die Cracks mit dem Ahorn auf dem Trikot mehreren umstrittenen Entscheidungen der Referees, feierten das nächste Sensations-Comeback in diesem Turnier, um dann doch noch als Verlierer vom Eis zu schleichen. In der Overtime pfefferte Sakari Manninen den Puck per One-Timer in Überzahl mitten rein ins kanadische Eishockey-Herz.

Und kaum hatte die kleine Hartgummischeibe knallhart hinter Goalie Matt Tomkins eingeschlagen, flogen die Helme der Finnen aufs Eis, feierten Cracks und Fans eine enthemmte Party. Mittendrin Ministerpräsidentin Sanna Marin mit einem Gläschen Wein (oder Prosecco?). Als zweiter Mannschaft überhaupt gelang das historische Double aus WM-Titel und Olympiasieg in einem Jahr. Zuvor war das nur dem Rivalen aus Schweden gelungen. Vor 16 Jahren. Die "Tre Kronor" waren auch bei diesem Turnier wieder gut dabei, ehe sie im Viertelfinale von den kanadischen Mentalitätsgiganten in der vorletzten Minute der regulären Spielzeit mit zwei Toren und in der Overtime nach 43 Sekunden gefressen wurden.

Die hatten nun auch wieder gegen Finnland beeindruckend zu-, beziehungsweise zurückgeschlagen. Gegen alle Widerstände. Bis zur 45. Minute hatte "Team Canada" in diesem extrem leidenschaftlichen Duell mit 1:0 geführt, kassierte dann zwei Strafen. Eine berechtigte, gegen Noah Gregor. Eine unberechtigte, gegen Cole Sillinger. Der Stock im Gesicht des Gegners war nicht seiner, sondern der eines finnischen Kollegen. Den Gastgeber scherte das (natürlich) nicht, er schlug eiskalt zu, erzielte zwei Treffer, drehte das Spiel. Und als Joel Armia in der 55. Minute noch erhöhte, da schien der kanadische Traum vom Rekordtitel erledigt. Doch dann das nächste kleine Miracle: Zach Whitecloud und Max Comtois münzten den irren Druck aufs Tor binnen 48 Sekunden - irre!

Chabot lästert über "Tauchgang"

Dann die Verlängerung - Chancen hier, Chancen da und wieder eine Strafe für die Nordamerikaner. Wieder eine, über die man diskutieren kann. Kapitän Thomas Chabot, der Sekunden zuvor noch mit einer Schlägerparade den Sieg der Finnen spektakulär verhindert hatte, musste für zwei Minuten runter. Und wieder wird das ausgenutzt, wieder schlagen die Gastgeber in Überzahl gnadenlos zu. Der überragende Mikael Granlund, der das erste und zweite Tor erzielte hatte und einst eines der spektakulärsten Tore der Eishockey-Geschichte erzielt hatte, legte für Manninen auf, der dann schließlich zum WM-Titel abzog. "Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, dass der Typ sich selbst geworfen hat, aber am Ende des Tages war mein Stock drin", schimpfte Chabot, "aber ich denke, jeder wird zustimmen, dass es ein Tauchgang war." Nun, zumindest die Refeeres nicht.

Edel-Fan: Sanna Marin.

Edel-Fan: Sanna Marin.

(Foto: IMAGO/Lehtikuva)

Noch deutlicher wurde der im Turnier überragende Stürmer Pierre-Luc Dubois: "Du arbeitest so hart und dass es so entschieden wird, ist scheiße. Wir wissen, dass bei diesen Turnieren andere Regeln gelten. Es nervt." Finnland war es egal. Der Ministerpräsidentin war es egal. Zusammen mit 11.486 anderen Zuschauern in der Nokia Arena sang sie nach dem Triumph die Nationalhymne lautstark mit. "Die Goldmedaille in der eigenen Arena am Hals zu tragen, ist das beste Gefühl überhaupt", sagte Manninen nach seinem Tor in der siebten Minute der Overtime. Ein WM-Sieg vor eigenen Fans war zuletzt Schweden 2013 gelungen.

Vor einem Jahr hatte Finnland als aktuelles Nonplusultra im Welt-Eishockey das WM-Finale noch gegen Kanada in Riga verloren, damals ebenfalls nach Verlängerung. 15 mit einigen NHL-Stars verstärkten Olympiasiegern von Peking gelang nun die Revanche. Mit Verspätung. Zur Wahrheit gehört indes: Niemand weiß, was passiert wäre, wenn die historisch starke Sbornaja aus Russland zur WM zugelassen worden war. Wegen des Banns in Folge von Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine war ihr das Startrecht allerdings entzogen worden.

Und so ist es nun so: Viermal bei den vergangenen sechs Weltmeisterschaften standen sich die neuen großen Rivalen Finnland und Kanada im Endspiel gegenüber. Wie schon 2019 triumphierten dabei die Finnen. Neben Manninen und dem Final-Giganten Granlund dürfen sich auch Nationalcoach Jukka Jalonen und Kapitän Valterri Filppula wie Helden dieser verrückten Eishockey-Nation fühlen. Jalonen ist nach 2011 und 2019 nun dreimaliger Weltmeistercoach, Trainer der Olympiasieger und genießt längst Kultstatus. Er ist unangreifbar, unantastbar. Er hat eine Mannschaft geformt, die körperlich hart agiert, die eine unfassbare Spielfreude und einen unbändigen Zug zum Tor hat. Über die Fähigkeiten der Cracks an der Kelle und auf den Kufen ist ohnehin alles bekannt.

"Gute Bestätigung für die Reise, auf der sie sind"

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Kapitän Filppula wurde außerdem in den elitären "Triple-Gold-Club" aufgenommen, zu dem alle Spieler Zugang finden, die mindestens je einen Stanley Cup, eine Olympia-Goldmedaille und einen WM-Titel gewonnen haben. Trotz aller Weltklasse-Spieler, die Finnland bereits hervorbrachte, ist der 38 Jahre alte Stürmer der erste Finne, dem dies gelang. Der Erfolg des Teams ringt auch Bundestrainer Toni Söderholm, selbst Finne, großen Respekt ab. "Wenn Finnland in einem Jahr Olympia und die Weltmeisterschaft gewinnt, muss man den Hut ziehen. Es ist unglaublich", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Sie haben es vor den heimischen Fans gemeistert, wo viele sagen, dass viel Druck da ist. Das ist eine gute Bestätigung für die Reise, auf der sie sind."

"Im Großen und Ganzen", befand der Bundestrainer, "haben sie 2019 mit einer von den Namen her schlechteren Mannschaft die WM gewonnen. Dass sie da gewonnen haben, hat einen Riesenpush gegeben", sagte Söderholm und hob die Zusammenarbeit im finnischen Eishockey hervor. "Es gibt diese Aussage vom Verband, dass du egal, in welche Halle du gehst, die gleichen Sachen trainiert werden. Es ist eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Darum ist Finnland in der Weltrangliste oben und spielt um die Weltmeisterschaften. Es ist ein Kollektiv. Es ist unspektakulär, aber es ist effizient, wie gearbeitet wurde."

Quelle: ntv.de, mit dpa

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