Ein emotionales Tor zum Schluss Die schönste Geschichte der WM kam zu ihrem tränenreichen Ende
02.02.2025, 14:23 Uhr
Domagoj Duvnjak erzielte das letzte Tor der Handball-Weltmeisterschaft. Es war ein besonderes.
(Foto: IMAGO/HANZA MEDIA)
Es ist ein "kleines Wunder", das Domagoj Duvnjak zuteilwurde: Der kroatische Handball-Heilige sollte eigentlich nicht mehr Teil der Weltmeisterschaft sein, nun griff er nach der Goldmedaille. Es ist das große Ende einer märchenhaften Geschichte, auch wenn das große Wunder ausbleibt.
Domagoj Duvnjak durfte eigentlich gar nicht hier sein, als am Abend die Handball-Weltmeisterschaft mit dem großen Finale der Co-Gastgeber Kroatien und Dänemark (26:32) zu Ende ging: Beim Start in die WM hatte sich der kroatische Handball-Heilige an der Wade verletzt, das 33:18 gegen Argentinien geriet zur nationalen Tragödie. "Es ist schrecklich, wenn sich ein Spieler verletzt, vor allem ein Kapitän und eine Legende wie Duvnjak", sagte Ivan Martinovic vom Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen über das Schicksal seines Mitspielers.
Der hatte seinen Abschied aus dem Nationalteam für das Ende der WM angekündigt, nun schien es, als würde die große kroatische Karriere Domagoj Duvnjaks mit dem größtmöglichen Drama enden. "Ein Wunder ist nötig", hatte der Verband nach Duvnjaks Verletzung geschrieben, "und wir glauben an ein Wunder und an unseren großen Kapitän."
"Ich war geschockt"
Eine höhere Handball-Macht wirkte im Zusammenspiel mit irdischer Heilkunst und unbändigem Willen tatsächlich das Wunder. Und deshalb steht Domagoj Duvnjak, der 36-jährige Anführer der kroatischen Nationalmannschaft, heute doch in Oslo auf der Platte - und spielt um das wunderbare Ende eines Märchens. "Nach der Verletzung brach für mich eine Welt zusammen. Ich war geschockt, die Diagnose ein totaler Schock. Aber mit der Hilfe eines Physiotherapeuten und eines Fitnesstrainers kam ich zurück. Ich bin mein ganzes Leben lang dankbar", sagte der Rückraumspieler des THW Kiel.
Seine Kroaten haben sich am Rande des Abgrunds ins Finale gespielt, nach dem 24:28 in der Vorrunde gegen Ägypten mussten sie fortan jedes Spiel gewinnen. Zum Spiel gegen Island, in dem Kroatien hoch siegen musste, kehrte der Routinier zurück zum Team. Mit dem 32:26 holten sie ihr sportliches Schicksal wieder zurück in die eigene Hand.
Gegen Slowenien lagen die Kroaten im entscheidenden Spiel der Hauptrunde schon mit fünf Toren zurück, gewannen es aber noch mit 29:26. Gegen Ungarn gewannen sie ihr Viertelfinale drei Sekunden vor Schluss mit 31:30 - und Rekord-Weltmeister Frankreich zerlegten sie dann in der "Hölle von Zagreb" überraschend mit 31:28. "Heute schlafen wir quasi schon mit einer Medaille. Dieses Spiel wird uns ein Leben lang verbinden", schluchzte Duvnjak mehr, als dass er es sprach. "Es ist ein Sieg für alle. Wir sind bereit für das Finale!" Nicht mal zwölf Minuten stand Duvnjak in den vier Spielen nach seiner wundersamen Rückkehr auf dem Feld. Aber die bloße Anwesenheit ihres Kapitäns beflügelt die Kroaten.
"Sie sind alle Helden"
Neben Trainer Dagur Sigurdsson, der mit der deutschen Nationalmannschaft vor neun Jahren Europameister wurde und der damit nun seinen zweiten großen Titel gewinnen könnte, ist er die Person an der Seitenlinie, auf die alle Spieler blicken, bei der sie sich Motivation, Selbstbewusstsein und Mut holen. Als die 13.000 kroatischen Fans ihr Team nach dem furiosen Halbfinale nach Oslo verabschiedeten, um das Wunder zu veredeln, weinte Domagoj Duvnjak.
Dass die Kroaten im Endspiel standen, ist eine Sensation: Bei der EM in Deutschland im vergangenen Winter waren sie in der Hauptrunde gescheitert, schon die WM ein Jahr zuvor war für den Weltmeister von 2003 mit Platz neun eine Enttäuschung. Nun greift eine Truppe von Versehrten nach Gold: Die Rückraumspieler Ivan Martinovic und Zvonimir Srna kämpfen sich sichtbar angeschlagen durchs Turnier, Linksaußen David Mandic hatte sich nach einer Verletzung erst zurückgekämpft - und brach sich dann gegen Slowenien die Wurfhand.
Diese kroatische Mannschaft wurde von Adrenalin, Stolz und Glauben zusammengehalten. "Wenn man weiß, in welchem körperlichen Zustand sich diese Mannschaft befindet ... Diese Jungs sind alle Helden, vom ersten bis zum letzten", schwärmte Sigurdsson nach dem Husarenritt gegen den großen Favoriten Frankreich.
"Da ist eine höhere Macht"
In Oslo hatte Duvnjak, der seit 16 Jahren in Deutschland spielt, erst mit dem HSV Hamburg große Erfolge feierte und später beim THW Kiel zur Legende wurde, auch die Chance, sein eigenes Finaltrauma zu heilen. Der Rekordspieler, der über 270 Spiele für sein Land bestritten hat, stand mit Kroatien 2008, 2010 und 2020 in drei EM-Endspielen und 2009 in einem WM-Finale - immer flossen am Ende Tränen der Enttäuschung. Gegen Dänemark, dieses unschlagbar scheinende Ausnahmeteam, war alles andere als eine erneute Niederlage ein Wunder. Aber wann schien ein Wunder je greifbarer als in dieser Geschichte? "Wir haben das nicht alleine geschafft", sagte Duvnjaks Kollege Igor Karacic. "Da ist eine höhere Macht. Das ist eine Belohnung für alles, was wir im Leben, im Handballleben, gegeben haben."
Doch am kroatischen Team waren schon alle Wunder gewirkt worden. Es reichte nicht für den Sieg, aber für einen großen Abschied: 32:26 gewannen die Dänen ein lange einseitiges Finale. Das letzte Tor dieser Weltmeisterschaft erzielte Domagoj Duvnjak. Die Dänen standen in den letzten Sekunden Spalier am eigenen Kreis, voller Anerkennung für den großen Sportsmann auf der anderen Seite. Duvnjak ging durch das Spalier, versenkte den Ball ein letztes Mal im Trikot der kroatischen Nationalmannschaft im gegnerischen Tor. Dann begannen die dänischen Feierlichkeiten, während die enttäuschten aber stolzen Kroaten ihren Kapitän hochleben ließen. Da flossen schon längst die ersten Tränen. Später gab es mit beinahe jedem dänischen Spieler eine innige Umarmung. Das Ende hätte kaum emotionaler sein können.
"Ich kann die Nationalmannschaft mit einem guten Gefühl verlassen", sagte "Dule" schon vor dem Finale. Es war das Ende einer großen Geschichte.
Quelle: ntv.de