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Selbstvertrauen trifft auf Glück Dieses Finale konnte Zverev gar nicht verlieren

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(Foto: imago images/Paul Zimmer)

Alexander Zverev kann sich Tennis-Weltmeister nennen, zum zweiten Mal nach 2018 gewinnt er die ATP Finals. In Turin strotzt er vor Selbstvertrauen, hat im Spiel gegen seinen Angstgegner Daniil Medwedew auch das Glück auf seiner Seite. Und stoppt damit einen negativen Trend.

Es gibt so Tage im Leben eines Sportlers - und für diese Erkenntnis ist das Leistungsniveau völlig unerheblich - da wird früh in einem Wettkampf klar: Heute ist einfach so einer dieser Tage, an dem vieles in die richtige Richtung läuft. Es ist nicht überliefert, was Alexander Zverev gefühlt und gedacht hat, als sich die gelbe Filzkugel am Sonntagabend kurz nach Matchbeginn im Endspiel des ATP Finals bei einer frühen Breakchance des Deutschen dafür entschied, die Netzkante zu touchieren und uneinholbar auf der Seite von Daniil Medwedew zu landen.

Zverev hatte beim Stand von 1:1 mit aggressiven Grundlinienschlägen immer wieder die Vorhand des Russen attackiert und sich gleich drei Breakchancen erarbeitet, nur um dann etwas passiv zu werden. Bei der beschriebenen Szene etwa schaufelte Zverev den Return zwar mit viel Spin, aber recht ungefährlich in das Feld und positionierte sich zu weit hinter der Grundlinie. Doch die anschließend etwas zu spät getroffene Rückhand führte zum tödlichen Netzroller. Und als Zverev das Break erstmal gelungen war, blickte der 24-Jährige nicht mehr zurück.

Niemand ist abhängiger vom Selbstvertrauen

Dann wurde es einer dieser Tage. Keinen einzigen Breakball musste der beste deutsche Spieler seit Boris Becker beim 6:4, 6:4-Erfolg im Finale des Jahresendturniers der besten acht Spieler gegen den Weltranglisten-Zweiten aus Russland abwehren. Selbstvertrauen, das ist kein Geheimnis, hilft jedem Spieler. Doch gibt es in den höheren Sphären des Profitennis keinen Athleten, der in diesem Ausmaße abhängig von seinem Selbstwertgefühl auf den Centre Courts dieser Welt ist. Fühlt sich der 1,98 Meter große blonde Hüne wohl, dann greift ein technisches Rädchen in das andere. Zverev serviert dann präzise wie ein Schweizer Uhrwerk und härter als jeder andere Topspieler. Selbst die etwas schwächere Vorhand ist in diesen Phasen eine gefürchtete Waffe.

So stieg er am Sonntag in der Pala Alpitour zu Turin zum ersten Spieler seit Andre Agassi vor 31 Jahren auf, der beim wichtigsten Event außerhalb der vier Grand-Slam-Turniere im Halbfinale und Finale die beiden laut Weltrangliste besten Spieler der Welt besiegte. In der Vorschlussrunde hatte er bereits Branchenprimus Novak Djokovic ausgeschaltet.

Zverev hat das von London nach Turin gewanderte Event nun zweimal gewonnen, in seiner immer noch recht kurzen Laufbahn 19 Titel gesammelt; zudem olympisches Gold in Tokio gewonnen. Als Zverev eingerahmt von Feuerwerk und Konfetti den Champions-League-ähnlichen Henkelpott in die Höhe gestemmt hatte, ging es nicht direkt ab zum Feiern. Im globalen Tennissport müssen zunächst fast ein Dutzend Fernseh-Interviews absolviert werden - so wurde er von TV-Station zu TV-Station geführt. Die meist gestellte Frage war die, nach dem fehlenden Grand-Slam-Titel. Wer will es den Moderatoren verdenken; die Diskrepanz in Zverevs Vita ist schon erstaunlich. Er hat quasi alle wichtigen Titel über zwei Gewinnsätze abgeräumt und dabei jeden der drei Überspieler Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer besiegt. 39 Mal bei 80 Versuchen lautet in diesem Modus seine mehr als respektable Leistung gegen Top-Ten-Spieler. Doch bei Grand-Slam-Turnieren über drei Gewinnsätze scheiterte er bei allen vier Versuchen - dieses Jahr im Halbfinale von Paris und New York knapp an Stefanos Tsitsipas und Djokovic.

Im serbischen TV antwortete er etwa kurz und bündig auf die Frage, ob 2022 der erste Grand-Slam-Titel fällig sei: "Ich hoffe es." Nach den TV-Interviews traf er in den Katakomben unter anderem Paulo Dyballa, den argentinischen Stürmerstar von Juventus Turin. Anschließend drehte Zverev mit Tiktok- und Instagramstar Khaby Lame werbewirksam ein paar lustige Videos. Der Senegalese, der in Italien lebt, ist mit kurzweiligen Videos über Sinn und Unsinn von sogenannten Lifehacks innerhalb kürzester Zeit zum Millionär geworden. In solchen Dingen geht Zverev mit seiner ebenfalls ironischen und zynischen Art auf. Auch das Team um Bruder Mischa hatte dabei jede Menge Spaß.

"Wieder Weltmeister nennen"

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Jannik Schneider ist freier Journalist und berichtet unter anderem über Tennis, Doping- und Sportpolitik sowie mentale Gesundheit. Aus Turin berichtet er auch täglich in seinem Podcast Advantage.

Bevor es für weitere Feierlichkeiten zurück in Richtung Hotel ging, kam Zverev noch zur offiziellen Presserunde. "Ich kann mich jetzt selbst wieder Weltmeister nennen. Das ist unglaublich", erklärte er, nachdem er den Pokal stolz direkt vor sich auf das Pult gestellt hatte. Der Matchplan sei, so Zverev, für jeden offensichtlich geworden. "Ich wollte heute so aggressiv wie möglich spielen", sagte Zverev. Bruder Mischa hatte nach der knappen Niederlage gegen Medwedew in der Vorrunde noch durchblicken lassen, dass sein Schützling zu lange gebraucht hatte, um ins Spiel zu finden. Am Sonntag nach fünf Niederlagen in Serie gegen Medwedew drehte Zverev das Narrativ zu seinen Gunsten.

Trotz des Erfolgs war Zverev die physische, aber vor allem mentale Müdigkeit anzumerken. Er finde es kein bisschen schade, dass die Saison für ihn nun vorbei sei. "Null, kein bisschen", erklärte er mit ironischem Unterton, um dann erleichternd anzuhängen. "Ich freue mich einfach auf den Urlaub." Zverev hatte wegen der ausufernd langen Saison schon vor mehreren Monaten seine Teilnahme an der reformierten Davis-Cup-Endrunde am Wochenende in Innsbruck abgesagt.

Bereits am heutigen Montag fliegt Zverev mit Freunden und Freundin Sophia Thomalla auf die Malediven. "Wir werden sicher viel Quatsch machen, aber keine Sorge nichts Gefährliches", sagte er. 2022 will er bei den großen Turnieren angreifen, deshalb bereits während der Auszeit bereits wieder mit Fitness anfangen. Im neuen Jahr soll es endlich klappen mit dem ersehnten Majortitel. "Ich kann nur eines sagen. Ich werde alles tun, was von mir verlangt wird und in meiner Macht steht und werde mir den Arsch aufreißen, damit das 2022 passiert. Alles andere kann ich nicht beeinflussen."

Quelle: ntv.de

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