Sport

Burnout und Prozess-Pleite Dopingjäger stellt Ullrich

Der tiefe Fall von Jan Ullrich ist noch nicht beendet.

Der tiefe Fall von Jan Ullrich ist noch nicht beendet.

(Foto: dpa)

Drei Jahre nach seinem Rücktritt steht Ex-Radprofi Jan Ullrich wieder in der Öffentlichkeit, aus der er sich wegen eines Burnout-Syndroms eigentlich zurückziehen will. Das Hamburger Oberlandesgericht beurteilt die Aussage des Dopingbekämpfers Werner Franke, Ullrich habe dem spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes Geld für dessen Dienste gezahlt, als wahr und damit legitim. Dass Ullrich gedopt hat, ist indes schon länger bekannt.

Die kleinen Siege über Professor Werner Franke hat Jan Ullrich auf seiner Website stets vermeldet, die große Niederlage verschweigt er nun. Schmerzen wird sie Ullrich nach fast vierjährigem Rechtsstreit ungemein. Schließlich darf Franke auch in Zukunft behaupten: Deutschlands einziger Tour-de-France-Sieger hat mindestens 35.000 Euro an den spanischen Blutpanscher Eufemiano Fuentes gezahlt. Für Dopingmittel.

Das Hamburger Oberlandesgericht lehnte die von Ullrich angestrengte Unterlassungsklage gegen die Franke-Aussage aus dem August 2006 ab. Die Begründung ist für den früheren Radprofi ein Schlag ins Gesicht, denn das Gericht stellte fest: Franke, bekannt als engagierter Doping-Bekämpfer mit großer Lust an polemischer Zuspitzung, hat diesmal nicht übertrieben. Er hat vielmehr eine Aussage getroffen, die als "wahr anzusehen sei". Sie lautet: Ullrich war Kunde des Madrider Dopingarztes Fuentes und hat für Eigenblutdoping bezahlt.

Revision unwahrscheinlich

Ullrichs Anwalt Marcus Hotze hält die Entscheidung des Gerichts "im Kern für falsch". Er deutete aber an, auf die mögliche Revision zu verzichten, aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand seines 36-jährigen Mandanten. Um diesen ist es nicht gut bestellt, wie just einen Tag vor der Urteilsverkündung bekannt geworden war. Am Donnerstag hatte Ullrich seinen treuen Unterstützern auf seiner Website mitgeteilt, er leide am Burnout-Syndrom. Und angekündigt: "Um eine baldige Genesung zu ermöglichen, werde ich mich deswegen in den nächsten Monaten vollständig aus der Öffentlichkeit zurückziehen." Gleichzeitig bat er darum, "seine Privatsphäre zu respektieren und zu wahren".

Unangenehmen Nachfragen zur unangenehmen Gerichtsentscheidung in Hamburg hat Ullrich, der in Scherzingen in der Schweiz lebt, damit vorgebeugt. Sein Manager Wolfgang Strohband legt jedoch Wert auf die Feststellung: "Das eine hat mit dem anderen null zu tun." Zum Urteil selbst wollte sich Strohband nicht äußern: "Warum sollen wir Werner Franke eine Plattform bieten?"

Werner Franke geht nicht davon aus, dass Ullrich gegen den Gerichtsentscheid Revision einlegt.

Werner Franke geht nicht davon aus, dass Ullrich gegen den Gerichtsentscheid Revision einlegt.

(Foto: dpa)

Diese Begründung schließt an bewährte Argumentationsmuster der Ullrich-Seite in der Auseinandersetzung mit dem Heidelberger Professor an. Nachdem der Molekularbiologe am 3. August 2006 im "rheinmain TV" die von Ullrich stets abgestrittene Äußerung getätigt hatte, attestierte Strohband ihm eine "riesige Profilneurose". Ullrich selbst sagte der "Bild"-Zeitung wenig später: "Der Mann hört sich selber gerne reden und wollte mal wieder ins Fernsehen. So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört." Das Hamburger Landgericht gab Ullrich wenig später Recht und untersagte Franke die Wiederholung der Äußerung, weil der Radprofi in einer eidesstattlichen Versicherung eine Verbindung zu Fuentes abgestritten hatte. Franke legte Berufung ein, der Rechtsstreit ging vor das Hamburger Oberlandesgericht.

Dort flüchtete sich Ullrichs Anwalt nun in eine groteske Spitzfindigkeit: Die Franke-Aussage sei unwahr, weil das Geld an Fuentes nicht für Dopingmittel geflossen sei, sondern für Eigenblutdoping, eine Dopingmethode. Eine Argumentation, der das Gericht nicht folgen mochte. Auch, weil Ullrich eine andere Äußerung Frankes nicht bestritten hatte: Die nämlich, das der Radprofi im Jahr 2006 55.000 Euro an Fuentes gezahlt habe, damit dieser Erythrozytenkonzentrat aus Ullrichs Blut herstellte.

Ullrich hat gedopt

"Eigentlich ist es ein Skandal, dass die Sache so lange gedauert hat. Aber in Deutschland gilt eben ein besonderer Schutz für Promis", kommentierte Franke den späten Sieg. Die Entscheidung, die sich laut Franke nach der mündlichen Verhandlung am 3. Juli abgezeichnet habe, sieht er dennoch als Erfolg: "Wenn Ullrich ein Fünkchen Anstand hätte, würde ich spätestens jetzt mal eine Entschuldigung von ihm erwarten." Er selbst habe dem Gericht Unterlagen vorgelegt, die Dopingmissbrauch von Ullrich beweisen würden und zeigen: Ullrich war "erwiesenermaßen Fuentes-Kunde". Für den 70-jährigen Franke wäre es nun logisch, dass "strafrechtliche Ermittlungen wegen falscher Versicherung an Eides statt eingeleitet werden". Sein Anwalt Michael Lehner hat bereits beim Hamburger Generalstaatsanwalt Beschwerde dagegen eingelegt, "dass Ullrichs falsche eidliche Versicherung nicht weiter verfolgt werden soll", berichtet die "Süddeutsche Zeitung".

4,5 Liter Blut von Jan Ullrich lagerten im Dopinglabor des Doktor Fuentes.

4,5 Liter Blut von Jan Ullrich lagerten im Dopinglabor des Doktor Fuentes.

(Foto: dpa)

Vor zwei Jahren hatte Ullrich eine drohende Anklage wegen Sportbetrugs durch die Bonner Staatsanwaltschaft durch die Zahlung von 250.000 Euro abgewendet. Obwohl es damals kein Schuldgeständnis von ihm gegeben hatte, stand nach 21-monatigen Ermittlungen unter dem Strich die behördlich dokumentierte Erkenntnis: Ullrich hat gedopt. Die Behörde hatte unter anderem eine positive DNA-Analyse vorgelegt. Sie belegte, dass 4,5 Liter Ullrich-Blut bei Fuentes lagerten. Außerdem waren Zahlungen von Ullrich an den spanischen Gynäkologen offengelegt worden, auf die sich Franke bezog.

"Wozu soll es gut sein, weiter zu lügen?"

Derzeit prüft der Internationale Sportgerichtshof CAS einen Einspruch des Radsport-Weltverbandes UCI und von Antidoping-Schweiz gegen Swiss Olympic. Das Olympische Komitee der Eidgenossen hatte das Verfahren gegen Ullrich eingestellt, weil es nach Ullrichs Verbandsaustritt 2006 keine Disziplinargewalt mehr habe.

Anfang Juli ließ schließlich Ullrichs langjähriger Intimus Rudy Pevenage in der französischen Sportzeitung "L'Equipe" durchblicken, dass der Radprofi bei seinem Tour-Sieg 1997 möglicherweise gedopt gewesen sein könnte. Zudem räumte er ein, "die Reisen von Jan nach Madrid zu Fuentes organisiert" zu haben. Laut Ermittlungen des Bundeskriminalamts, aus denen der "Spiegel" im Januar 2009 zitierte, war Ullrich zwischen 2003 und 2006 insgesamt 24-mal zu Fuentes gereist. Seine offenen Worte nach Jahren des Leugnens begründete Pevenage mit einer simplen Frage: "Wozu soll es gut sein, weiter zu lügen?" Vielleicht sollte er diese Frage bei einem seiner Krankenbesuche im Hause Ullrich auch einmal stellen.

Quelle: ntv.de, mit dpa und sid

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