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Handball-Europameister Spanien Ein paar alte Männer und ein Problembär

Geschafft: Spanien ist Handball-Europameister.

Geschafft: Spanien ist Handball-Europameister.

(Foto: imago/GEPA pictures)

Es ist der Triumph der alten Männer: Spanien besiegt den Finalfluch und ist Europameister im Handball. In der entscheidenden Phase ist einer zur Stelle, der für den Sieger zum Helden wird - und für die Schweden zum Problembären.

Arpad Sterbik überragte sie alle. Der Mann, den sie den serbischen Bären nennen, wurde von unzähligen Kameralampen angeleuchtet, sein Kopf lugte aus diesem Pulk von Menschen hervor, seine imposante Gestalt war auch jetzt noch zu erkennen. Bis Donnerstag, einem Tag vor dem Halbfinale der Handball-Europameisterschaft, hatte Sterbik die Ruhe genossen. Der gebürtige Serbe, der seit acht Jahren einen spanischen Pass besitzt, war nur als Ersatzmann nominiert worden und stieß nur zum Kader, weil sich Stammkeeper Gonzalo Perez des Vargas verletzt hatte. In der entscheidenden Phase beim 29:23-Sieg der Spanier über Schweden im Endspiel am Sonntagabend in Zagreb war er fast nicht mehr zu bezwingen.

Hose hoch und los: Arpad Sterbik.

Hose hoch und los: Arpad Sterbik.

(Foto: dpa)

Mit seinem massigen Körper, dessen reflexartige Bewegungen immer aufs Neue erstaunen, gehört Sterbik seit 15 Jahren zu den schillerndsten Gestalten der Handball-Welt. Es war keine Überraschung, dass die Schweden sich an dem inzwischen 38-Jährigen die Zähne ausbeißen, es war nur nicht geplant. "Arpad ist ein großer Sportler und ein großer Mensch", sagte Raúl Entrerrios. Der Kapitän der spanischen Europameister hob die Bereitschaft Sterbiks hervor, sich noch einmal im Notfall zur Verfügung zu stellen. Eigentlich hatte er seine Karriere im Nationalteam bereits beendet, doch jetzt wurde er noch einmal zum Helden - und zum Problembären der Schweden.

Bis zur Pause hatten die Schweden den besseren Eindruck gemacht und lagen mit 14:12 vorne. Die jungen Skandinavier schienen bereit zu sein, die Nachfolge der Deutschen anzutreten, die zwei Jahre zuvor überraschend Europameister geworden waren, übrigens ebenfalls im Finale gegen Spanien. Doch eine Wiederholung der Ereignisse gab es nicht, weil Sterbik über sich hinauswuchs und mit Hilfe der Abwehr ein Bollwerk bildete. Fast 20 Minuten lang fanden die Schweden keine Mittel und aus dem 14:12 für die Schweden wurde bis zehn Minuten vor dem Ende der Partie ein 16:23 - die Entscheidung war gefallen. Und nach der Schlusssirene hüpften Entrerrios, Julen Aguinagalde, Daniel Sarmiento, Gedeon Guardiola, Joan Canellas, Viran Morros, Sterbik und die anderen wie kleine Kinder in der Arena in Zagreb umher - die Handball-Senioren hatten ihren Weg nach den Erfolgen über Europameister Deutschland und Weltmeister Frankreich erfolgreich beendet.

"Jeder weiß genau, was er zu tun hat"

Der Triumph der alten Männer dieser EM über die deutlich jüngeren Himmelsstürmer aus Schweden war kein Beleg für die Rückwärtsgewandtheit ihrer Sportart, denn die Spanier spielten keinen altmodischen Handball. Sie überzeugten mit einer hochmodernen Art der Verteidigung, mit der schon die Deutschen im letzten Hauptrundenspiel nicht zurechtgekommen waren. Auch die Franzosen fanden im Halbfinale kein Mittel gegen die variabel agierende Abwehr der Iberer. Basis für den Erfolg der Spanier ist eine 6:0-Verteidigung, deren Stärke nicht der Einsatz von Kraft verbunden mit Härte ist, sondern die sich durch das geschickte Schaffen von Überzahl auf der Seite auszeichnet, auf der sich der Ball befindet. Funktioniert dieses System nicht, weil der Gegner zu viele und gute Lösungen findet, können die Spanier auf eine 5+1-Defensivformation umstellen, die durch einen vorgezogenen Spieler für viel Unruhe sorgt. Die Schweden konnten den offensiveren Verbund der Spanier kaum überwinden, der neue Europameister nahm ihnen die Geschwindigkeit im Angriffsspiel.

"Jeder weiß genau, was er zu tun hat", sagte Abwehrchef Gedeon Guardiola und strahlte dabei das Lächeln eines Siegers. Der Mann vom deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen verwies auf die detailreiche Trainingsarbeit unter Jordi Ribera, durch die ein System perfektioniert wurde, das zuvor bereits sehr gut war. Ribera hatte bis zu den Olympischen Spielen in Rio die brasilianische Mannschaft trainiert, mit der Viertelfinalteilnahme für den größten Erfolg der Südamerikaner in ihrer Geschichte gesorgt, in der Vorrunde unter anderem Deutschland geschlagen und war anschließend in seine Heimat zurückgekehrt. "Es ist für mich ein Traum, die Seleccion zu betreuen", sagte er bei seinem Amtsantritt vor 18 Monaten. "Wir haben ein Jahr gebraucht, um uns aneinander zu gewöhnen, aber jetzt weiß jeder, was er vom anderen erwarten kann", lobte Guardiola den Coach.

Den Beginn einer Ära leitete der Titel für die Spanier nicht ein, davon ist fest auszugehen. Mit Ausnahme von Alex Duishebaev sind alle Leistungsträger deutlich älter als 30 Jahre, sie verkörpern nicht mehr die Zukunft, dafür aber die Größe der Gegenwart. Ein paar alte spanische Männer und ein serbischer Problembär haben sich erstmals auf den europäischen Thron gesetzt - es könnte der Abschluss für eine große spanische Generation gewesen sein.

Quelle: ntv.de

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