Deutscher Abfahrts-HammerEmma Aicher schubst Lindsey Vonn vom Ski-Thron
Nur ein paar Augenblicke darf Lindsey Vonn vom Abfahrts-Doppelsieg in St. Moritz träumen. Dann kommt die deutsche Hoffnungsträgerin Emma Aicher und fliegt mit einem Super-Lauf vorbei an der wild fahrenden Amerikanerin.
Erst lächelte Sofia Goggia leicht verzweifelt, dann auch Lindsey Vonn. Der amerikanische Ski-Superstar war gerade erst an der stark fahrenden Italienerin vorbeigezogen, als die Deutsche Emma Aicher im Starthaus stand. Mit einer fast perfekten Fahrt raste die 22-Jährige auf Platz eins in der Abfahrt. Dass sie das kann, wusste man. Und dennoch kam dieser Ski-Hammer unerwartet. Sie schubste Vonn vom Ski-Thron, den diese gerade erst wieder bestiegen hatte. Die Amerikanerin winkte lächelnd ab.
Nichts war es mit dem Doppelsieg in St. Moritz. Dennoch war es das perfekte Wochenende für die 41-Jährige, die die Welt am Freitag mit ihrem ersten Sieg seit mehr als sieben Jahren erstaunt hatte. Mit dem Auftakt in den olympischen Winter hatte sie eindrucksvoll untermauert, dass sie in Cortina d' Ampezzo um Gold kämpfen will. Der zweite Auftritt von Vonn war wilder als der erste. Die Amerikanerin fuhr am Limit, kam einige Mal von der Ideallinie ab und musste dabei harte Schläge einstecken. Aber sie blieb stabil und wurde Zweite, knapp vor Goggia.
Aichers Lauf war deutlich runder. Oben hatte sie noch Rückstand, fuhr aber in jenen Passagen extrem sauber, in denen Vonn hart zu kämpfen hatte. Da schob sie sich vorbei und hatte im Ziel gut zwei Zehntel Vorsprung (+0,24). Vonn staunte nicht schlecht. Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet. Aicher war gestern Fünfte geworden und hatte damit gezeigt, dass ihr die Piste liegt. Aber wie alle anderen Konkurrentinnen lag sie eine Ewigkeit hinter dem Superstar. "Ich bin schon sehr zufrieden", sagte die gewohnt coole Aicher in der ARD, "ich habe versucht, es etwas mehr laufen zu lassen, mit mehr Zug, das hat glaube ich ganz gut funktioniert."
Die perfekte Dramaturgie
Aus deutscher Sicht hätte die Dramaturgie kaum gelungener sein können. Vonn hatte gerade die Bestzeit von Goggia um 0,05 Sekunden unterboten: Die italienische Olympiazweite zuckte mit den Achseln, die Amerikanerin warf sich in Triumphpose und ließ sich vom Publikum feiern, als habe sie schon wieder gewonnen. Zwei Minuten später kam Aicher. Sie warf den Kopf in den Nacken und schrie ihre Freude heraus.
Ihr Erfolg ist auch eine große Erlösung für das deutsche Skiteam: Der letzte Weltcup-Sieg in einer Abfahrt der Damen war durch Emma Aicher im Februar 2020 in Garmisch-Partenkirchen. Bei den Herren liegt der letzte Sieg noch länger zurück, es war der sensationelle Sieg von Thomas Dreßen auf der Streif in Kitzbühel am 20. Januar 2018.
Die zweite deutsche Starterin Kira Weidle-Winkelmann platzierte sich mit 1,34 Sekunden Rückstand auf Rang 14. Die nationale Olympianorm hatte sie am Freitag mit Rang acht erfüllt. Eine bessere Platzierung vergab Weidle Winkelmann am Samstag durch einen Fehler im oberen Streckenteil, als sie nach einem misslungenen Sprung beinahe auf dem Hosenboden gelandet wäre.