"Der falsche Mann im Kampf gegen Doping" Ex-Athletin attackiert DOSB-Boss Bach
06.08.2013, 18:39 Uhr
DOSB-Präsident Thomas Bach sieht sich immer noch Vertuschungsvorwürfen ausgesetzt.
(Foto: dpa)
DOSB-Boss Thomas Bach glaubt, der richtige Mann für die IOC-Präsidentschaft zu sein. Der richtige Mann für den Dopingkampf in Deutschland ist er nicht, findet die frühere Spitzensportlerin Heidi Schüller nach Veröffentlichung der Dopingstudie.
Als die lange zurückgehaltene Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" plötzlich doch öffentlich war, handelte DOSB-Präsident Thomas Bach ganz schnell. In der Schusslinie steht der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, der sich momentan um den IOC-Vorsitz bewirbt, nun trotzdem. Sportler, Politiker und Dopingjäger wollen Namen hören und ein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg bringen, das der DOSB kategorisch ablehnt.

Leichtathletin Heide Schüller wusste von Dopingpraktiken in der BRD -und bezweifelt, dass man damals als Spitzensportler im Westen
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Die frühere Spitzenathletin Heidi Schüller attackierte Bach zudem in schärfster Form: "Bach ist für mich eindeutig der falsche Mann am falschen Platz", sagte Schüller. Schüllers verbaler Angriff auf den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) war der vorläufige Höhepunkt der aufgeheizten Stimmung nach der Veröffentlichung eines stark gekürzten Abschlussberichts zur Dopingstudie.
Im Kern geht es darum, wer wann wieviel gewusst hat – und nichts gesagt hat, damals und heute. Bach war in den 1970er Jahren, in denen in der Bundesrepublik mit systematischer Dopingforschung begonnen wurde, selbst Spitzenathlet, als Fechter. Deshalb ist Schüller überzeugt: "Zum Thema Doping muss er mehr gewusst haben, als er zugibt. Damals wurde überall darüber gesprochen, da kann er ja nicht immer nur weggehört haben."
Doping nie ein Thema für Athlet Bach
Am Montagabend hatte Bach im ZDF versichert: "Schon als Athlet war für uns in Fechterkreisen das Thema Doping kein Thema." Gut einen Monat vor seiner möglichen Wahl zum IOC-Präsidenten kommt das Thema für Bach zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Dabei hatte der DOSB die Studie doch selbst in Auftrag gegeben.
"Schon daraus, dass Herr Bach die Studie initiiert hat, ergibt sich die Haltlosigkeit der Unterstellungen von Frau Schüller", sagte DOSB-Pressesprecher Christian Klaue: "Wenn Frau Schüller die von ihr geschilderten Verhältnisse in der Leichtathletik mit denen im Fechten gleichsetzt, verkennt sie die vollkommen unterschiedliche Situation in den beiden Sportarten, wie sie sich allen Dopingstatistiken unschwer entnehmen lässt."
Der Sporthistoriker Giselher Spitzer hat Kritik am Umgang des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit der auch von ihm erstellten Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" geäußert. "Dass nun ein Jurist die Berichte prüft und Empfehlungen erstellt, halte ich nicht für angemessen - die in der Studie beschriebenen Sachverhalte sind schließlich nur zum Teil rechtlicher Art", sagte er der "Märkischen Oderzeitung". Der Wissenschaftler ist einer der Hauptautoren und Leiter des Projektteams: "Ich hatte erwartet, dass die Forschungsergebnisse jetzt intensiv in den Sportfachverbänden diskutiert werden."
Bach sprach im ZDF von "Klarheit, Offenheit und größtmöglicher Transparenz", bislang fehlen allerdings die Fakten für eine fruchtbare Diskussion. Damit die neue Kommission um den früheren Bundesverfassungsrichter Udo Steiner überhaupt zu einem Ergebnis kommen kann, müssten erstmal die geschwärzten Namen aus dem 117-seitigen Abschlussbericht sichtbar gemacht werden, der bislang auf der Homepage des Bundesinstituts für Sportwissenschaft zu finden ist. "Alles andere wäre Geschichtsfälschung", sagte der Heidelberger Doping-Experte Werner Franke: "Das ist ja so, als wenn man aus der Geschichte des Dritten Reiches die Täter herauslassen würde."
Kein DDR-Doping in der BRD
In die gleiche Richtung hatte zuvor bereits SPD-Politikerin Dagmar Freitag argumentiert. Die Vorsitzende des Sportausschusses kritisierte in einem Gespräch mit hr-info die Studie als einen Bericht, der "von Auslassungen und Platzhaltern wie N.N. dominiert" werde. Auch Robert Harting, Diskus-Olympiasieger von London, fand klare Worte: "Bei der Aufarbeitung im Osten wurden sofort alle Namen genannt. Das gilt nun für den Westen nicht. Das darf nicht sein. Auch hier müssen Ross und Reiter genannt werden."
Für Werner Franke halten die Fakten dem Vergleich mit dem DDR-Staatsdoping nicht stand. "Es waren immer nur Gruppen betroffen. Man wurde zu nichts gezwungen", sagte Franke. Es habe sich in der BRD eher um das "Pontius-Pilatus-Prinzip" gehandelt: "Die Trainer haben die Drecksarbeit erledigt und die Pillen verteilt - auch an Minderjährige. Die Funktionäre und Ärzte haben sie gedeckt und ihre Hände dabei in Unschuld gewaschen."
"Es ist die Zeit des Handelns gekommen"
Als Resultat dieser Erfahrungen fordert Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), gemeinsam mit der bayerischen Justizministerin Beate Merk ein Anti-Doping-Gesetz. "Wir können nach dieser Studie nicht zur Tagesordnung übergehen. Es ist die Zeit des Handelns gekommen. Wir brauchen strafrechtliche Regelungen, die uns erlauben, gegen dopende Sportler vorzugehen", sagte Prokop.
Merk, die schon seit Jahren für ein Anti-Doping-Gesetz kämpft, ergänzte: "Die Ergebnisse treffen den Sport ins Mark. Es ist an der Zeit zu sagen: Jetzt müssen wir etwas tun. Wir müssen handeln und aufdecken, nicht länger zudecken. Es geht nur, wenn Sportverbände und Strafbehörden zusammenarbeiten.
Quelle: ntv.de, sid