Tumulte und Proteste in Paris Fackellauf abgebrochen
07.04.2008, 17:55 UhrDie Proteste beim Olympischen Fackellauf haben in Paris ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Nach chaotischen Zuständen und massiven Störaktionen wegen Chinas Tibet-Politik brach der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe den Lauf am Nachmittag schließlich endgültig ab.
Die Fackel absolvierte ihre letzten Kilometer vom Rathaus zum Charlety-Stadion im Süden der Stadt im Bus. Zuvor hatte der Bürgermeister bereits die feierliche Zeremonie vor dem Rathaus abgesagt. Diese Entscheidung sei auf Anfrage chinesischer Offizieller gefallen, hieß es in Paris. "Es war die chinesische Delegation, die es ablehnte, dass die Flamme vor dem Rathaus Station macht. Ich habe darauf reagiert", sagte Delanoe.
Flamme dreimal erloschen
Gleich dreimal musste die Flamme auf der ursprünglich 28 Kilometer langen Route durch Paris aus Sicherheitsgründen gelöscht werden, als der Lauf wegen Demonstrationen gegen Chinas Tibet-Politik unterbrochen werden musste. Die Flamme sei bei den Unterbrechungen aus "technischen Gründen" jeweils gelöscht und anschließend durch das "Mutterfeuer" im Begleitbus wieder entzündet worden, teilte die französische Polizei mit.
Mehr als 3.000 Polizisten waren insgesamt zum Schutz des Fackellaufs durch die französische Hauptstadt im Einsatz. Den olympischen Stillstand konnten aber auch sie nicht verhindern.
Pfiffe und Buhrufe
Auch die Champs-Elysees erreichte das Feuer im Bus. Zahlreiche Protestler buhten und pfiffen die Läufer beim Passieren der Prachtstraße aus. Mitglieder der Grünen Partei und der Organisation Reporter ohne Grenzen ließen die tibetische Flagge sowie ein schwarzes Banner mit den Olympischen Ringen in Form von Handschellen vom Pariser Rathaus herab. Die Nationalversammlung unterbrach ihre Sitzung, als der Fackellauf passierte, viele Abgeordnete wollten ebenfalls demonstrieren.
Paris war die letzte europäische Station. Von dort aus geht es weiter nach San Francisco. Am 4. Mai soll das Feuer über Hongkong und Macao wieder chinesischen Boden erreichen.
Boykott ausgeschlossen
Ungeachtet der massiven Protestaktionen während der Fackelläufe haben alle vom IOC anerkannten Nationalen Olympischen Komitees angekündigt, bei den Sommerspielen in Peking starten zu wollen. "Alle 205 NOKs nehmen an den Spielen teil", hieß es in einer auf der ANOC-Generalversammlung in Peking verabschiedeten Erklärung. In dieser wird China gleichzeitig zu einer friedlichen Lösung des Tibet-Konflikts aufgerufen. Vehement abgelehnt wird eine Vereinnahmung der Spiele durch die Politik.
Dem chinesischen Organisationskomitee BOCOG wurde volle Unterstützung bei den letzten Vorbereitungen zugesagt. Die ANOC-Erklärung soll die Grundlage für eine gemeinsame Deklaration mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) sein, über die am Donnerstag diskutiert wird.
Zensierte TV-Bilder
Die Fernsehübertragungen, die die IOC-Mitglieder und Vertreter der Nationalen Olympischen Komitees in dieser Woche bei ihren Tagungen in Peking zu sehen bekommen, werden von China derweil zensiert. Als die BBC am Sonntag von den Demonstrationen am Rande des Fackellaufs in London berichtete, gingen die TV-Geräte in den Zimmern des IOC-Hotels "China World" aus.
"Wir kennen das Problem. Das ist die Zensur", kommentierte Kevan Gosper, Chef der IOC-Medienkommission, den Vorfall. "Da können wir nichts machen. Aber wir haben die feste Zusage, dass während der Spiele nicht zensiert wird", so der Australier. Er hatte die chinesische Regierung bereits in der vergangenen Woche daran erinnert, dass während der Sommerspiele im August und der Paralympics im September alle Blockaden im Internet aufzuheben seien. Ein entsprechender Passus sei Bestandteil des mit Vergabe der Spiele 2001 abgeschlossenen Ausrichtervertrages zwischen IOC und Organisationskomitee BOCOG.
Rogge "sehr besorgt"
Der Präsident des Internationalen Olympische Komitees (IOC), Jacques Rogges, hat sich derweil kritisch zur Lage in Tibet geäußert. "Ich bin sehr besorgt über die internationale Situation und das, was in Tibet passiert", sagte Rogge in Peking bei der Eröffnung der NOK-Generalversammlung. "Der Fackellauf ist zur Zielscheibe geworden. Das IOC hat ernste Sorge zum Ausdruck gebracht und ruft zu einer schnellen, friedlichen Lösung in Tibet auf."
Rogge betonte, "Gewalt egal aus welchem Grund" sei nicht mit den Werten des Fackellaufs und der Olympischen Spiele vereinbar. Allerdings sehe er auch weiterhin "keine Bewegung hin zu einem allgemeinen Boykott" der Spiele im Sommer: "Glücklicherweise hat die Öffentlichkeit erkannt, dass Boykotts nicht helfen und nur die Athleten bestrafen."
Chaos in London
Beim Fackellauf durch die Straßen Londons war es am Sonntag zu teils chaotischen Szenen gekommen. Die Polizei nahm mindestens 35 Menschen fest. China kritisierte die Proteste scharf. Ein Sprecher des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele (BOCOG) in Peking sprach von einer "ernsthaften Verletzung des olympischen Geistes", wie die amtlichen Medien berichteten. Eine Hand voll von tibetischen Unabhängigkeitsaktivisten hätte versucht, den Fackellauf zu "sabotieren".
Quelle: ntv.de