Friesen mögen's exotisch Feld frei für Sport frei
03.03.2008, 10:51 UhrKeno steht auf dem Hinterhof zwischen Traktor und Scheune und trippelt in seinen Turnschuhen. Der 13-Jährige senkt den konzentrierten Blick und klammert seine Hand um eine Kugel. Dann sprintet er über einen Teppich, rudert den ausgestreckten Arm nach hinten, springt in die Höhe und knallt mit den Füßen auf eine Rampe. In diesem Moment katapultiert sich die Kugel in hohem Bogen aus seiner Hand. "Ja, das war schön locker", brüllt Kenos Vater Jan-Dirk Vogts, der 60 Meter entfernt in Gummistiefeln auf einem Acker steht. Mit einem Spaten buddelt er die Kugel aus dem Boden. Keno Vogts hat soeben Klootschießen demonstriert - den Exoten-Sport der Friesen.
Kenos Vater Jan-Dirk kommt vom Acker gestapft und bringt drei geworfene Kugeln zurück. Klootschießen gebe es schon seit 300 Jahren. Wie der Sport entstand, sei nicht genau belegt. "Eine Theorie ist, dass die Friesen früher Kugeln an Leinen banden und damit Treibgut aus dem Meer fischten", sagt Vogts. Der 50-Jährige aus dem niedersächsischen Hollwege ist Präsident des Friesischen Klootschießer-Verbandes (FKV). Ebenso gut könne es aber sein, dass sich die Friesen früher mit den Kugeln verteidigten, meint Vogts. Er schätzt, dass heute nur noch wenige hundert Menschen den Sport beherrschen.
Unter ihnen gilt Keno als hoffnungsvolles Talent. 59 Meter beträgt sein persönlicher Weitwurf-Rekord - und ein paar Jahre hat er ja noch zum Wachsen und Trainieren. "Für den Sport habe ich viel übrig", sagt der 13-Jährige. Vielleicht schafft er es ins Nationalteam. Das trainiert derzeit für die Klootschießer-Europameisterschaften, die im Mai in Irland anstehen. "Wir sind Titelverteidiger", sagt Vogts.
Mit 42.000 Mitgliedern stellten die Friesischen Klootschießer den mit Abstand größten Verband. Unter seinem Dach sind auch die Straßen-Boßler organisiert, deren Sport bekannter ist als das Klootschießen.
Trainieren für die Europameisterschaften
Bei der EM gingen auch Werfer aus Schleswig-Holstein, Holland, Irland, Frankreich, Italien und Spanien an den Start. Die einzelnen Disziplinen variierten in den jeweiligen Ländern. Alle sind in der "International Bowlplaying Association" vertreten, deren Präsident ebenfalls Jan-Dirk Vogts ist. Den gemeinsamen Wettkampf bei der EM machen einheitliche Regeln möglich, die über Kugeln, Strecken, und Wurfdisziplinen bestimmen. Beim Klootschießen werden generell zwei Arten unterschieden: Wird beim Standkampf die Länge der Würfe addiert, gilt es im Feldkampf, die Strecke einer vorher abgesteckten Bahn mit möglichst langen, aber auch gezielten Würfen zurückzulegen.
Der Feldkampf geht auf die Urform des Klootschießens zurück. "Die war nur im Winter möglich, wenn der Boden hartgefroren war", erklärt Jan-Dirk Vogts. Mannschaften aus sieben Wettkämpfern starten dabei an einem Ausgangspunkt und werfen je viermal. Dort wo die Kugel liegen bleibt, wird die Rampe für den nächsten Wurf aufgebaut. Wer die größte Strecke auf dem abgesteckten Kurs zurücklegt, hat gewonnen. Dabei wird kein Zentimeter verschenkt. "Bleibt die Kugel etwa in einem Graben liegen, wird schon einmal eine Brücke improvisiert, auf die die Rampe kommt", sagt Vogts. Nur seien die vergangenen beiden Winter leider zu mild für das traditionelle Sport-Schauspiel gewesen.
Derzeit laufen die nationalen Vorentscheide für den EM-Kader. "Für unser Team sieht das mit der Titelverteidigung sehr gut aus", sagt Klootschießer Hans-Georg Bohlken aus Zetel in Niedersachsen. Der 40-Jährige ist dreifacher Einzel-Europameister. Er sicherte sich 1984, 1988 und 1992 den Hattrick - als er noch Marken von 105 Metern erreichte. Noch heute wirft er mehr als 90 Meter und trainiert mehrmals wöchentlich. Trotz der wenigen Klootschießer mangele es Deutschland nicht an Talenten. "Der Keno zum Beispiel hat das richtig gut drauf", lobt Bohlken. "Wenn der so weitermacht, ist er 2012 bei der EM in Italien dabei."
Von Heiko Lossie, dpa
Quelle: ntv.de