Fußball-WM 2019

Bajramaj ohne "Leichtigkeit des Seins" Glamourgirl droht die WM-Bank

Falls der deutsche Frauenfußball ein Gesicht hat, dann ist es das von Fatmire Bajramaj. Die 23-jährige Offensivspielerin kombiniert Talent und Glamour besser als jede andere Spielerin im Team von Bundestrainerin Silvia Neid. Nur: Besser gespielt als ihre Konkurrentinnen hat sie zuletzt nicht mehr.

Sie gilt als beste Technikerin im deutschen Team, ist als Glamourgirl ein Liebling der Medien, dazu gefragt bei Sponsoren und Fans und seit ihrem Wechsel zum 1. FFC Frankfurt mutmaßlich Deutschlands bestbezahlte Fußballerin: Fatmire Bajramaj, genannt Lira, war prädestiniert für eine Hauptrolle bei der Heimweltmeisterschaft der deutschen Fußballfrauen, die am Sonntag beginnt. Doch wenn um 18.00 Uhr im Berliner Olympiastadion das deutsche Auftaktspiel gegen Kanada angepfiffen wird, wenn 73.000 Zuschauer im Stadion dabei sein werden und Millionen vor dem Fernseher, wird Lira Bajramaj wohl nur auf der Ersatzbank Glanz verbreiten.

"Sehr, sehr nachdenklich": Lira Bajramaj, Glamourgirl des deutschen Fußballs.

"Sehr, sehr nachdenklich": Lira Bajramaj, Glamourgirl des deutschen Fußballs.

(Foto: dpa)

Offiziell ist noch alles offen, beschwichtigt Bundestrainerin Silvia Neid. Inoffiziell scheint Bajramajs vorläufige Degradierung vom kommenden deutschen WM-Star zum Edel-Joker bereits beschlossen. Dafür spricht, wie ungeschminkt Neid im "Kicker" über die mentale Situation ihrer glamourösen Edeltechnikerin urteilt, die das Spiel der DFB-Damen mit ihren Ideen, Finten und Pässen an guten Tagen belebt wie Mesut Özil das der Herren-Nationalmannschaft.

Zu wenig gute Tage

"Lira ist nicht mehr unbeschwert. Es gab sehr viel Wirbel um sie, das hat sie alles sehr, sehr nachdenklich gemacht", hat Neid im "Kicker" den Gemütszustand von Bajramai beschrieben: "Ihr fehlt im Moment die Leichtigkeit des Seins." Denn gute Tage hat Bajramaj zuletzt nicht mehr oft gehabt, trotz einer wirklich guten Saison und dem Meistertitel mit ihrem alten Verein Turbine Potsdam. Zu beobachten war das nicht nur in den vier WM-Testspielen, in denen Bajramaj blass blieb. Zu beobachten war es auch im Champions-League-Finale, das Bajramajs letztes Spiel im Turbine-Trikot war - und das Olympique Lyon gewann.

Zu beobachten ist es auch im Training in Berlin. Dort wirkt Bajramaj nicht frei und leichtfüßig, sondern bemüht, ein wenig verbissen, zu verbissen. Wenn sie dann doch mal ein Kabinettstückchen für die Galerie versucht und das dann auch noch misslingt, gibt es auch schonmal einen Anpfiff von der Bundestrainerin.

Mehr Krampf als Kunst: Lira Bajramaj ist die Leichtigkeit als abhanden gekommen.

Mehr Krampf als Kunst: Lira Bajramaj ist die Leichtigkeit als abhanden gekommen.

(Foto: dapd)

Der Rucksack, den die 23-Jährige nach der Mini-Schlammschlacht um ihren Wechsel von Potsdam nach Frankfurt durch die WM-Vorbereitung geschleppt hat, hatte sie auch bei der offiziellen DFB-Pressekonferenz dabei. Die Anspannung der letzten Wochen war ihr anzusehen, während sie auf Fragen der Journalisten wartete. Das Gesicht leicht verkniffen, der Blick eher angespannt als erwartungsfroh, die Unterlippe zwischen den Zähnen. Eine "selbstbewusste Tussi", als die sich Bajramaj selbst bezeichnet, sieht anders aus.

"Ja, das stimmt, dass mir die Leichtfüßigkeit in den letzten Wochen gefehlt hat", kommentierte Bajramaj die Diagnose ihrer Chefin für ihr Leistungstief, um trotzig anzufügen: "Aber ich bin jetzt wieder da, wo ich sein will." Doch an diesem Punkt klaffen Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander. Die Favoritin auf den Startplatz im linken offensiven Mittelfeld ist momentan unbestritten Celia Okoyino da Mbabi. Sie ist die Gewinnerin der WM-Vorbereitung, erzielte drei Treffer und verbreitete dabei soviel Spielfreude, dass sie sich im Eröffnungsspiel - einen Tag vor ihrem 23. Geburtstag - mit einem Platz in der Startelf höchstwahrscheinlich selbst beschenken darf. Alternativ steht Melanie Behringer bereit, die vor allem im Abschlusstest gegen Norwegen als Joker geglänzt hatte.

Märchenhafter Werdegang

Bajramaj enttäuschte sich und die Erwartungen, sie ist nur noch dritte Wahl. Filmreif ist im Moment nicht ihre Leistung, sondern nur ihr fußballmärchenhafter Werdegang vom Flüchtlingskind aus dem Kosovo zur gefeierten Welt- und Europameisterin. Keine andere deutsche Spielerin kombiniert Talent und Glamour so gut wie Bajramaj, die mit ihrem Migrationshintergrund zudem als leuchtendes Beispiel für die große Integrationskraft des Fußballs herhalten soll.

Die 47-malige Nationalspielerin versteht es, sich in Szene zu setzen. Ihr Auftritt im ZDF-Sportstudio, wo sie in hochhackigen Stöckelschuhen auf die Torwand schoss und zweimal unten traf, ist legendär. Die fußballerischen Schlagzeilen und Glanzlichter waren zuletzt rar gesät.

Der Medienrummel, widerspricht sie Bundestrainerin Neid, sei aber nicht Schuld daran gewesen. "Das war nichts, was mich gestört oder vom Fußball abgelenkt hat", beteuerte Bajramaj, die als WM-Ziele ausgibt: Erfahrungen sammeln, Leistung bringen, zu den Führungsspielerinnen gehören. Doch ob die WM-Endrunde für die Sportsoldatin tatsächlich ein weiteres Sprungbrett werden kann, darf bezweifelt werden. Auf der ganz großen Bühne ist ihr derzeit nur eine Nebenrolle zugedacht.

Quelle: ntv.de, mit sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen