Fußball-WM 2019

Klassenkampf in der Todesgruppe US-Befreiungsschlag gegen Nordkorea

Da fällt mehr als nur ein Stein vom Herzen: Die USA gewinnen ihr WM-Auftaktmatch.

Da fällt mehr als nur ein Stein vom Herzen: Die USA gewinnen ihr WM-Auftaktmatch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Souverän ist anders, aber am Ende zählt nur der Sieg - vor allem, wenn es gegen den WM-Dauerrivalen und Klassenfeind Nordkorea geht. Trotz aller politischer Brisanz, die über der Begegnung liegt, bleiben die "US-Girls" cool. Und Machthaber Kim Jong-Il?

Zu den wenigen Dingen, die über Nordkorea bekannt sind, gehört die Vorliebe von Diktator Kim Jong-Il, sich Dinge anzuschauen: Gummistiefel, Kunstdünger, Eier - Kim guckt einfach gern. Ansonsten dringt wenig in die Welt aus der Welt der Steinzeit-Kommunisten. Im Mai dieses Jahres immerhin hat Nordkoreas Staatsfernsehen die Eröffnung der ersten PC-Fabrik des Landes verkündet. Der Sprung in die technologische Weltspitze, so die Botschaft an das eigene Volk, steht kurz bevor. Und sonst? Schwierig, auch bei den Fußballerinnen, immerhin auf Platz acht der Weltrangliste. Wenn es bei einer Weltmeisterschaft jemals einen Geheimfavoriten gab, dann Nordkorea. Auch nach dem 0:2 (0:0) gegen die USA.  

Erst einmal musste als demokratischer Lichtblick verbucht werden, dass die Nordkoreanerinnen ohne Tarnkappen und mit Rückennummern in Dresden zum Vorrundenspiel gegen die USA antraten. Da sogar Zuschauer zu diesem "Klassenkampf in der Todesgruppe C" zugelassen waren, sahen 21.859 Menschen im fast ausverkauften Rudolf-Harbig-Stadion zu und bedachten erst einmal die souverän pfeifende deutsche Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus mit größerem Applaus als die beiden Teams.

Vor allem ein richtig gutes Spiel

Von der Gegentribüne erklangen während der Partie immer mal wieder zaghafte "U-S-A"-Rufe. Nordkoreanische Fans waren zwar nicht in nennenswerter Zahl auszumachen. Aber trotz der letztlich verdienten Niederlage gegen die hochfavorisierten US-Amerikanerinnen um Topstar Amy Wambach nach Toren von Lauren Cheney (54.) und Rachel Buehler (76.) für die USA dürfte die Mannschaft von Kim Kwang-Min Sympathien gewonnen haben.

Das 1:0 - ein sehenswerter, weil äußerst platzierter Kopfball von US-Stürmerin Cheney.

Das 1:0 - ein sehenswerter, weil äußerst platzierter Kopfball von US-Stürmerin Cheney.

(Foto: picture alliance / dpa)

Denn was politisch brisant klingt, erwies sich auf dem bestens gepflegten Rasen in erster Linie als richtig gutes Spiel zweier gleichwertiger Teams - als das bisher beste dieses Turniers. Und was die Gefährlichkeit der zahlreichen Chancen auf beiden Seiten betraf, waren die geheimnisvollen Gäste aus Fernost vor der Pause sogar im Vorteil. Nur die Tore, die schossen in der zweiten Halbzeit nun einmal die US-Amerikanerinnen - und nicht der mysteriöse Geheimfavorit.

Von der "Willkommens-Tour" durch alle 15 WM-Gastländer hat Organisationschefin Steffi Jones die Erkenntnis mitgebracht, nicht unbedingt noch einmal nach Nordkorea fahren zu wollen. "Ein Stück weit befremdend", empfand sie den Besuch in Pjöngjang und sie dürfte es noch ein Stück weit befremdlicher finden, dass Nordkoreas WM-Delegation die Beklemmung mit nach Deutschland gebracht hat. Die Funktionäre schotten das Team komplett ab. Interviewanfragen wurden abgelehnt, eine verabredete Stadtrundfahrt in Leipzig ebenso abgesagt wie ein Empfang der Stadt Dresden. In Halle ließ man dann Journalisten aus Baumkronen und Toiletten entfernen, die irgendwie einen Blick auf das streng geheime Testspiel gegen England erhaschen wollten.

Nordkoreanerinnen atmen Demokratie

Selbst die Firma Panini, Produzent der berühmten Fußball-Sammelbildchen, hatte da im Vorfeld so ihre Probleme und veröffentlichte das Porträt einer Spielerin gleich zweimal. Einmal steht Kim Kyong Hwa drunter, und einmal Jon Myong Hwa. Wer jetzt die Dame auf dem Foto wirklich ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Diese Anekdote zeigt aber, was die Welt über Nordkoreas Fußballerinnen weiß – nämlich fast nichts. "20elf" von seiner mysteriösen Seite.

Der Kooperationsvertrag zwischen dem DFB und Nordkoreas Fußballverband, der nach dem Motto "Geld gegen Transparenz" funktionieren soll, funktioniert bisher nur auf dem Papier. Die völkerverbindende Wirkung, die sich DFB-Präsident Theo Zwanziger von der WM erhofft, sie ist noch ein Wunschtraum. Trotzdem hatte Grünen-Chefin Claudia Roth als Daueroptimistin vor dem Spiel in Dresden darauf vertraut, dass die Nordkoreanerinnen in Deutschland ein wenig Demokratie atmen werden und dabei vor allem auf einen berührenden Moment vor Spielbeginn gebaut. Warum? "Da werden sich die Spielerinnen die Hand geben müssen, das ist FIFA-Reglement."

Weder "Duracell-Hasen" noch Maschinen

Nach dem Anpfiff war von Völkerfreundschaft nichts mehr zu merken. Das Duell der Nr. 1 der Weltrangliste mit der jüngsten Mannschaft des Turniers war ein Duell auf Augenhöhe. Es war wie in der WM-Vorrunde vor vier Jahren, über das US-Star Amy Wambach sagt: "Schon 2007 sind sie einfach aufgetaucht und haben uns ein hartes Match geliefert."

Ein Team ohne Stars, aber mit vielen Unbekannten: Nordkorea.

Ein Team ohne Stars, aber mit vielen Unbekannten: Nordkorea.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das taten sie auch an diesem Sommerabend in Dresden. Dabei gelang es den Nordkoreanerinnen, die vorab kursierenden Beschreibungen ihres Spielstils zu widerlegen. Mit "Duracell-Hasen" hatte DFB-Kickerin Ariane Hingst die Kondition der Nordkoreanerinnen verglichen, Teamkollegin Nadine Angerer hatte gar geurteilt: "Das sind absolute Maschinen."

Da trifft eher die Analyse der nordamerikanischen Fußball-Legende Mia Hamm zu, die ein technisch sehr versiert agierendes, äußerst schnelles Team erwartet und dann noch durchaus bewundernd gesagt hatte: "Sie bleiben wirklich dran, sie bleiben 90 Minuten dran." Das taten sie, nur für den Sieg reichte es nicht.

Vom WM-Auftaktspiel der nordkoreanischen Fußballmänner 2010 sind die Tränen von Chong Tese während der Nationalhymne und die japanischen Jubelperser in Erinnerung geblieben. Vom WM-Auftaktspiel der Frauen 2011 wird vor allem die Erkenntnis bleiben: Wenn es jemals einen Geheimfavoriten gab, dann Nordkorea. Auch wenn Kim Jong-Il lieber Siege sieht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen