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Persona non grata auf der Tour Froome spürt französischen Volkszorn

"Diese Tour wird die größte Herausforderung meines Lebens", sagt Christopher Froome (M.) bei der Teamvorstellung.

"Diese Tour wird die größte Herausforderung meines Lebens", sagt Christopher Froome (M.) bei der Teamvorstellung.

(Foto: imago/Panoramic International)

Trotz Dopingverdacht darf Christopher Froome bei der Tour de France starten. Bei der Teampräsentation in Frankreich schlägt dem Titelverteidiger allerdings die Wut der Fans entgegen. Vor allem in den Bergen droht ein Spießrutenlauf.

Christopher Froome blickte starr und mit eingefrorenem Lächeln hinab auf die Place Napoléon. Von dort dröhnten ihm tausendfach Buhrufe und gellende Pfiffe entgegen, auf einem Plakat las er: "Hau ab, Betrüger!" Spätestens seit der Teampräsentation in La Roche-sur-Yon dürfte dem britischen Titelverteidiger klar sein: Die 105. Tour de France wird ein dreiwöchiger Spießrutenlauf - und womöglich gerät in den Hexenkesseln der Alpen und Pyrenäen sogar seine Sicherheit in Gefahr. "Anscheinend müssen wir dieses Jahr wirklich alles geben", sagte der 33 Jahre alte Sky-Kapitän knapp, ehe er - ohne den obligatorischen Stopp bei den Journalisten - unter weiteren Anfeindungen von der Bühne fuhr.

Eines ist sicher: Trotz des Freispruchs in der Asthmamittel-Affäre gilt Froome einem Großteil der Tour-Enthusiasten als Persona non grata. "Ich möchte wirklich nicht in seiner Haut stecken", meinte der slowakische Weltmeister Peter Sagan. "Das ist natürlich nicht schön. Aber so lange es verbal bleibt, können wir damit leben", meinte unterdessen Froomes Teamkollege Geraint Thomas.

Froome bittet um Fairness

Froome selbst warb einen Tag vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt in einem Offenen Brief in "Le Monde" um angemessene Behandlung: "Ich weiß, dass die französische Öffentlichkeit fair ist", schrieb er.

Die Unmutsbekundungen in La Roche könnten indes nur der Auftakt für eine belastende Frankreich-Rundfahrt gewesen sein. Teampräsentationen sind bei der Tour in der Regel ein friedvolles Familienfest und kein Maßstab für die generell aufgeheizte, teils alkoholgetränkte Stimmung beispielsweise in L'Alpe d'Huez, die Froome auf der 12. Etappe (19. Juli) erwartet. Anders als auf den Flachetappen, wo Froome im Schutze des Feldes verschwinden kann, ist er in den Serpentinen bei langsamem Tempo exponiert. Und nur ein einziger Fanatiker unter den Hunderttausenden Zuschauern könnte den entscheidenden Eklat auslösen.

"Im Radsport kommt man extrem nah ans Geschehen, ausschließen kann man so etwas nicht", sagt der deutsche Tourstarter Simon Geschke. "Ich hoffe, dass es fair bleibt."

Bekannte Gefahren

Bislang blieben die meisten haarigen Konstellationen an den Tour-Anstiegen ohne große Folgen. Ein Lance Armstrong wurde ständig angepöbelt, aber nicht attackiert. Gleiches galt für Alberto Contador im Zuge seiner Clenbuterol-Affäre. Der schlimmste der wenigen Fälle körperlicher Gewalt gegen einen Fahrer datiert aus grauer Vorzeit: Bei der Tour 1904 ging ein Mob aus Unterstützern des Franzosen Antoine Faure im Zentralmassiv mit Flaschen, Stöcken und Steinen auf dessen Kontrahenten Maurice Garin los.

Froome selbst weiß um die Gefahren in den Bergen. 2015 wurde er von einem Fanatiker mit einem Becher voller Urin beworfen, ein Jahr später stürzte er am Mont Ventoux über ein havariertes Begleit-Motorrad und eilte zu Fuß weiter. Beides ging glimpflich aus. Garantien, dass dies 2018 so bleibt, gibt es nicht.

Die Frage, die sich nun dem Briten stellt: Welches Risiko ist er bereit einzugehen für den historischen fünften Toursieg, zumal seine Frau hochschwanger ist. Und kann der sonst so eiskalte Brite die potenziellen Gefahren ausblenden, die jeder Fan mit sich bringt, der einige Meter am Anstieg neben ihm her rennt? Dann unter diesem Druck auch noch die Höchstleistung abrufen, die es braucht, um seine Konkurrenten zu besiegen? "Diese Tour", sagte Froome, "wird die größte Herausforderung meines Lebens".

Quelle: ntv.de, Christoph Leuchtenberg und Emanuel Reinke, sid

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