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Flensburg wütet gegen eigenen StarFüchse Berlin entfachen unfreiwillig großen Handball-Zoff

09.12.2025, 18:19 Uhr
imageVon Till Erdenberger
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Simon Pytlick und Mathias Gidsel werden künftig nicht nur gemeinsam für Dänemark auf Torejagd gehen. (Foto: picture alliance/dpa)

Simon Pytlick wird zu den Füchsen Berlin wechseln - nur wann? Für den Dänen steht ein brisantes Duell an. Danach wird er Teil von etwas Großem sein. Die Dinge sind in Bewegung.

Nein, man kann wirklich nicht behaupten, dass sie in Flensburg besonders entspannt mit dem Abschied ihres Superstars umgehen: "Niemand ist größer als der Verein" sprang es Simon Pytlick kürzlich beim Heimspiel seiner SG Flensburg-Handewitt in der "Hölle Nord" aus dem eigenen Fanblock dröhnend entgegen. Die eigenen Anhänger nehmen es dem Superstar im linken Rückraum übel, dass er spätestens 2027 weiterzieht, ausgerechnet zum ungeliebten Ligarivalen Füchse Berlin. "Flensburg ist viel schöner als Berlin", riefen sie dem 24-Jährigen hinterher. Die Wut im Netz auf den eigenen Torjäger ist in Flensburg groß, für die Füchse Berlin ist der Transfer des Weltmeisters ein Coup. Und vor dem brisanten Duell der beiden Topteams am Donnerstag ist noch Bewegung drin.

Denn auch wenn der Wechsel durch eine von den Füchsen gezogene Ausstiegsklausel in Pytlicks erst vor wenigen Monaten verlängertem Vertrag in trockenen Tüchern ist, kommen die aufgebrachten Anhänger der Norddeutschen nicht zur Ruhe: Ihr Rückraumshooter will den Verein schon früher verlassen. "Wir sind uns auf beiden Seiten einig, dass alle Beteiligten - nachdem Simon diese Entscheidung getroffen hat - einen möglichst schnellen Transfer anstreben. Es ist klar: Sollte sich die Gelegenheit ergeben, Simon schon in diesem Sommer zu verpflichten, werden wir und Simon selbstverständlich alles dafür tun", sagte Füchse-Trainer Nicolej Krickau jüngst bei "TV2".

Flensburg reagiert deutlich

Füchse-Boss Bob Hanning bekräftigte: "Wenn wir Pytlick 2026 kriegen können, würden wir das von unserer Seite aus tun. Wenn der Spieler und Flensburg das auch wollen." In Flensburg wollen sie von einem Wechsel schon im kommenden Sommer allerdings nichts wissen - und widersprechen vehement: "Das ist für uns nach wie vor kein Thema, wir planen mit Simon bis 2027", teilte eine Sprecherin gegenüber "handball-world" mit. Eine Gemengelage, die die Situation um den Dänen kaum kurzfristig befrieden wird.

Laut "Bild" werden für den Rechtshänder im Sommer 2027 rund 750.000 Euro Ablöse fällig, ein vorzeitiger Wechsel würde noch einmal deutlich teurer werden. Im Handball, wo die Finanzplanung in der Regel auf Kante genäht ist und nur die größten Klubs der Liga zweistellige Millionen-Etats für ihre Saison einplanen dürfen, sind das horrende Summen. Mit der Verpflichtung Pytlicks zahlt man allerdings auch in die schon im Kader stehende sportliche Lebensversicherung ein: Welthandballer Mathias Gidsel hatte seinen Vertrag im Frühjahr auch deshalb bis 2029 verlängert, weil man ihm weitere Verstärkungen versprochen hatte. Das Versprechen ist hiermit eingelöst.

Auch für die Berliner schien ein Transfer wie der von Gidsels bestem Handball-Kumpel Pytlick noch vor wenigen Monaten völlig utopisch. Doch die Dinge haben sich geändert: Durch die vorzeitige Trennung von Sportvorstand Stefan Kretzschmar wird Geld frei, auch der Abschied von Weltmeister Lasse Andersson wird die Payroll spürbar entlasten. Doch vor allem ein bevorstehender Deal wird den Meister in eine neue Dimension schießen. Hinter "eine Sache, die noch passieren wird", wie Hanning es nebulös anmoderiert, verbirgt sich wohl die bevorstehende Partnerschaft mit dem Sportartikel-Giganten Adidas. Der wird dem Klub Millionen in die Kasse spülen.

"Können Real Madrid des Handballs werden"

Mit den Ausrüster-Millionen werden sich die Füchse, die laut Hanning "komplett ausvermarktet" sind, nach der Meisterschaft und dem Champions-League-Finale in der abgelaufenen Saison auch finanziell an der ersten Riege des europäischen Handballs anklopfen. Auch wenn Klubs wie Veszprem weiter enteilt bleiben, wächst die Strahlkraft der Füchse. So beschäftigt man sich ernsthaft und öffentlich mit einer Verpflichtung von Superstar Dika Mem vom FC Barcelona, einem der größten Namen des Welthandballs. Der Franzose, selbst Welt- und Europameister, war bereits in Berlin, die Lust bei ihm auf einen Wechsel soll groß sein. "Wir haben dieses Thema so in der Form noch nicht erlebt. Wir könnten ein Real Madrid werden, wenn wir wollten - aber das ist nicht im Ansatz das Bestreben", stellte Trainer Nicolej Krickau aber gegenüber der dpa klar.

Klubpatron Hanning, der die Amtsgeschäfte mittelfristig geordnet an den designierten Nachfolger Paul Drux übergeben wird, wird bis zum letzten Tag seines Engagements für die Füchse darüber wachen, dass die Klub-DNA im Kader erhalten bleibt. Und die sieht vor, den eigenen Nachwuchs ins Ensemble gestandener Stars zu integrieren. Das gelang zuletzt mit Spielmacher Nils Lichtlein, der - so Hanning gegenüber ntv.de - "Weltstars wie Gidsel und Andersson besser macht". Ein Rückraum mit den Weltstars Gidsel, Pytlick und Mem wäre allerdings einzigartig und das Eintrittsgeld alleine wert. Sportlich wäre man dann "wettbewerbsfähig mit dem SCM", sagte der zu Saisonbeginn unter lautem Getöse verabschiedete Kretzschmar bei Dyn mit Blick auf Champions-League-Sieger SC Magdeburg. "Für die Füchse wäre es Wahnsinn, diesen Rückraum zu holen."

Ein galaktischer Rückraum, der die Füchse Berlin spätestens 2027 in eine eigene Umlaufbahn katapultieren soll, will allerdings auch galaktisch bezahlt sein. Zu oft explodierten ambitionierte Handball-Projekte zuletzt schon kurz nach dem Start, etwa in Kopenhagen oder jüngst im norwegischen Kolstad, wo man schon nach wenigen Wochen die versammelten Topstars um Welthandballer Sander Sagosen nicht mehr bezahlen konnte. Erst dieser Tage wurde der einstige Champions-League-Sieger HSV Hamburg durch gewaltige Zugeständnisse von Gesellschaftern und Gläubigern nach zwei Insolvenzen mal wieder einen ordentlichen Millionenbetrag an Schulden los.

Füchse haben ein Problem

Ob das auch bei den Füchsen droht? Nein, sagte Kretzschmar jüngst in seinem Dyn-Podcast. Hanning, der den Verein in beinahe zwei Jahrzehnten aus einem zweitklassigen Sanierungsfall zu einem europäischen Spitzenklub gemacht hat, werde kein Harakiri machen. "Es wird nur das Geld ausgegeben, das garantiert erwirtschaftet wird."

Bevor es galaktisch wird, müssen die Füchse allerdings erst mal ganz pragmatisch ein Kaderproblem lösen: Durch den Abgang von Lasse Andersson im Sommer brechen den Berlinern mit Saisonende eine gewaltige Anzahl Tore und Durchschlagskraft weg. Der dänische Shooter wechselt zurück in seine dänische Heimat.

Und auch wenn Füchse-Eigengewächs Matthes Langhoff riesige Fortschritte im Angriff macht und zuletzt der TSV Hannover-Burgdorf zehn Tore einschenkte, muss hier schnell eine Lösung her. Eine, die den Ansprüchen des Meisters um den immer aufgedrehten Gidsel und der unersättlichen Gier in der Hauptstadt nach immer währenden Highlights gerecht wird. Egal, wie viel schöner es in Flensburg angeblich ist, aber die Dinge ließen sich sicher schnell regeln.

Quelle: ntv.de

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