Bundestrainer mit Ansage an FansDeutsches Team steht vor Sprung in neue Dimension

Das deutsche Handball-Nationalteam spielt sich bei der Heim-WM in einen Rausch, der Schritt ins Halbfinale ist so greifbar wie lange nicht. Bei den Gastgeberinnen hat man in dieser Gemengelage überhaupt keine Lust auf Mauern. Jedenfalls nicht abseits des Feldes.
Wenn die Dortmunder Westfalenhalle bebt, bedeutet das oft einen Festtag für den deutschen Handball: In der legendären Arena schoss einst der VfL Gummersbach in großen Europapokal-Nächten die Konkurrenz vom Parkett, der deutsche WM-Triumph von 2007 nahm hier so richtig Fahrt auf und in diesen Tagen sorgen die deutschen Handball-Frauen für den Rausch: Mit drei Siegen prescht das DHB-Team durch die Hauptrunde, Zehntausende feiern und die Westfalenhalle erzittert mal wieder in Schwarz-Rot-Gold.
Es ist bisher ein Triumphzug, den das DHB-Team bei seiner Heim-WM hinlegen. Nun steht das größte Spiel der jüngeren deutschen Handball-Geschichte der Frauen an. Die Bühne ist bereitet, die Erwartungen sind gewaltig - und der Bundestrainer macht eine klare Ansage.
"Alle, die hierherkommen, müssen ihre Rolle kennen. Sie unterstützen uns, machen Druck auf den Gegner. Auf diese Atmosphäre hoffe ich. Denn wenn wir dieses Spiel gewinnen, haben wir alle etwas geleistet", sagte Bundestrainer Markus Gaugisch nach dem 29:25 gegen Spanien, dem sechsten Sieg im sechsten Spiel. Am Dienstag (17.15 Uhr/ZDF und im Liveticker auf ntv.de) kämpft das DHB-Team gegen Brasilien ums Halbfinale - und die deutschen Frauen haben sich eine Menge Selbstvertrauen erspielt: "Das wird ein Big Game. Der Weg ins Halbfinale ist vorgezeichnet", sagte Rückraumspielerin Emily Vogel.
Mehr als zehntausend Fans hatten dem deutschen Team einen glanzvollen Rahmen für ihren Hauptrundenabschluss verschafft, so viele wie nie zuvor bei einem Spiel der deutschen Frauen im eigenen Land.
"Müssen keine Angst haben"
Der Glaube, den sie sich nach unzähligen Nacken- und Niederschlägen in den letzten Turnieren in den Tagen von Dortmund und zuvor schon in Stuttgart erarbeitet haben, ist gewaltig. "Ich habe ein Gefühl, das hatte ich vor noch keinem anderen Turnier. Wir haben uns extrem viel Selbstvertrauen erarbeitet. Jeder bringt seine Leistung und ist zu 100 Prozent da und bereit. Das Gefühl in dieser Mannschaft ist nicht vergleichbar mit den Gefühlen zuvor." Allzu oft hatten die deutschen Frauen in den letzten Jahren das große Flattern bekommen, wenn es um mehr als Mittelmaß ging. Das soll diesmal ganz anders sein, schließlich will man nach tristen Jahren fern der Weltklasse endlich die erste Medaille seit WM-Bronze 2008 holen.
Der Schritt ins Halbfinale, er wäre ein Quantensprung - vor großem Publikum, auch medial. Denn mit dem Viertelfinale steigen die öffentlich-rechtlichen Sender ein, das Spiel wird im ZDF übertragen. Abwehrchefin Xenia Smits nannte das K.-o.-Spiel im Free-TV eine "Riesenmöglichkeit für den deutschen Frauenhandball". Der Zeitpunkt für den Wurf in eine ewig nicht erreichte Dimension scheint perfekt.
Die Brasilianerinnen, die in ihrem Gruppenfinale gegen Norwegen selbst noch Chancen auf den Gruppensieg hatten, gehen mit einer heftigen Pleite im Kreuz ins Duell mit und gegen Deutschland: Mit 14:33 (7:18) kamen die Südamerikanerinnen gegen den Top-Favoriten furchtbar unter die Räder. Unterschätzen werden sie die Gegnerinnen nicht, verspricht Kapitänin Antje Döll: "Brasilien wird ähnlich wie Spanien. Aber wir müssen keine Angst haben."
Das Selbstvertrauen, die Euphorie, der unerschütterliche Glaube, dass diesmal endlich der Coup gelingen wird, steht auf dem festen Boden harter Arbeit. Offensiv zieht das deutsche Team ein überzeugendes, wenngleich noch immer wieder mit kleinen Fehlern ausgestattetes Tempospiel auf. Schnelle, einfache Tore tun besonders gut. Doch das Prunkstück ist die Abwehr. Dort, wo es wehtut, wo Qualität durch die Lust am Verteidigen auf die Platte kommt.
"Sieht einfach beängstigend aus"
"Man sieht einfach diese absolute Liebe für die Abwehr. Man sieht, was die da hinten arbeiten, welche Wege sie gehen", schwärmte die einstige Weltklasse-Spielerin Anja Althaus bei handball-world.com von der deutschen Verteidigung um dem enorm aggressiven Mittelblock Aimée von Pereira und Xenia Smits. "Ich finde, da steht ein Bollwerk, was einfach nur beängstigend aussieht - auf positive Art und Weise", sagt Althaus: "Ich weiß, dass diese Spielerinnen wahrscheinlich nie von den Zuschauern gewählt werden, weil viele immer hingucken, wie viele Tore es sind. Aber die richtige Power, die ist hinten in der Abwehr."
Für die Brasilianerinnen sind das wirklich beängstigende Aussichten: Die Südamerika-Meisterinnen zerschellten schon gegen Norwegen immer und immer wieder an der Abwehr der Skandinavierinnen. Nur 25 Prozent ihrer Angriffe konnten die Brasilianerinnen gegen Norwegen in der ersten Hälfte in Tore ummünzen, ein unterirdischer Wert. Nun bekommen sie es mit dem deutschen Bollwerk zu tun - und nach dem Willen von Bundestrainer Markus Gaugisch mit mehr als 10.000 deutschen Fans.