"Roubaix ist eine Wundertüte" Für Politt ist die Rad-"Hölle" ein süßer Traum
17.04.2022, 06:21 Uhr
		                      Politt liebt die Schinderei von Paris-Roubaix.
(Foto: IMAGO/Panoramic International)
Die "Hölle des Nordens" empfängt die Radprofis ausgerechnet am Ostersonntag. Das Radrennen Paris-Roubaix findet endlich wieder im Frühjahr statt, damit entfällt die Schlammschlacht des Vorjahres. Beim Kopfstein-Klassiker werden für Nils Politt Erinnerungen an seine Gala von 2019 wach.
Um in der Hölle des Radsports noch einmal den Himmel auf Erden zu erleben, verlangt Nils Politt seinem angeschlagenen Körper liebend gerne die ultimative Schinderei ab. "Ich hänge nach den vielen Rückschlägen im Frühjahr ziemlich in den Seilen, aber bei Paris-Roubaix will ich natürlich fit sein", sagte der Kölnert: "Roubaix ist nämlich eine Wundertüte - da kann alles rauskommen und passieren."
Der spektakulärste aller Klassiker kehrt nach drei Jahren auf den angestammten Frühjahrstermin zurück (10.30 Uhr/Eurosport). 2021 war das Rennen pandemiebedingt auf Oktober verschoben worden, 2020 ausgefallen. 2019 hatte Politt an einem fast perfekten April-Sonntag seine Liebe zur Kopfsteinpflaster-Tortur entdeckt, als er in einem epischen Zweikampf im berühmten Velodrom von Roubaix knapp Belgiens Ex-Weltmeister Philippe Gilbert unterlag.
"Eigene Challenge mit sich selbst"
"Vielen macht es keinen Spaß, übers Pflaster zu fahren. Es ist eine eigene Challenge mit sich selbst", sagt der 28 Jahre alte Bora-hansgrohe-Profi. Über die Paves müsse man "wie ein Motorrad fahren", sagt Politt: "Und ich kann eben relativ lange hohe, konstante Werte fahren." Sein sportlicher Leiter Thorsten Schmidt hält Politt für "wie gemacht für Paris-Roubaix", aber - siehe oben: "Es ist eben wirklich eine Wundertüte. Da muss alles stimmen."
Paris-Roubaix - jene vielbesungene Hölle des Nordens mit ihren 257,2 brutalen Kilometern und 30 Paves, den teils Jahrhunderte alten Kopfsteinpflaster-Wegen, Buckelpisten aus groben Steinbrocken mit klaffenden Lücken dazwischen. "Nach meinem ersten Roubaix hatte ich anderthalb Wochen lang Probleme mit den Händen", sagt Politt: "Aber irgendwann gewöhnt man sich auch daran. Dann ist es viel einfacher."
Einfacher wird es auch dadurch, dass es trocken bleiben soll. Anders als im vergangenen Oktober, als es erstmals seit 2002 bei Paris-Roubaix regnete und Politt bei einer der berüchtigten Schlammschlachten ausstieg. "Das war nichts für mich".
Politt graust es vor einer speziellen Tour-Etappe
Einfach war die Beziehung zwischen deutschen Fahrern und Roubaix selten, nur zwei haben in 125 Jahren triumphiert: Der legendäre Oberpfälzer Pedal-Pionier Josef Fischer bei der Erstauflage 1896 und 2015 der Geraer John Degenkolb (der 2018 an gleicher Stelle die Tour-Etappe gewann).
Dass Politt nun der dritte deutsche Sieger wird, ist - Wunderhölle hin, Höllentüte her - angesichts seines bisherigen Frühjahrs eher unwahrscheinlich. "Ich war nicht auf dem Level, auf dem ich sein wollte, mir hat durch die Erkrankung viel gefehlt", sagt die Kämpfernatur, für die es zuletzt bei der Flandern-Rundfahrt nur zu Platz 47 reichte: "Es war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich mit so vielen Rückschlägen zurechtkommen musste."
Ein Lernprozess ist es, einer, der sich dann auch auf den Sommer auswirken könnte. Die sechste Etappe der Tour de France endet nämlich auf dem berühmtesten Pave im Wald von Arenberg. "Davor graust es jetzt schon vielen Bergfahrern", sagt Politt, "aber ich muss ja auch nach Alpe d'Huez hoch."
Quelle: ntv.de, ara/sid