Sport

Babbels schwerer Kampf "Fußball längst nicht mehr das Wichtigste"

Traurig schaut Markus Babbel in die Runde, tiefe Augenringe haben sich in sein ausgemergeltes Gesicht gegraben, wie ein Häufchen Elend sitzt er im Rollstuhl. Zwei Therapeutinnen heben ihn vorsichtig heraus, stützen ihn und gehen mit ihm langsam die fünf Treppenstufen des Hörsaals im Harlachinger Krankenhauses hinab.

Im Fußball hat der 29-Jährige schon viele Titel gewonnen, nun steht er vor der größten Herausforderung seines Lebens: Nahe der Säbener Straße, nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt, wo er die größten Erfolge seiner sportlichen Karriere gefeiert hatte, kämpft der Europameister von 1996 gegen das Guillain-Barre-Syndrom, eine seltene Nervenkrankheit - und um seine Zukunft.

Lähmungen an Armen und Beinen

"Für alle Außenstehenden, auch für meine Familie, meine Frau und meine Eltern, war das ein großer Schock, als sie mich so sahen. Für mich selbst ist das allerdings kein Problem, denn ich habe vollstes Vertrauen in die Ärzte", sagte Babbel am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vor sieben Kamera-Teams und über 40 Journalisten.

"Im Moment leide ich noch an den Lähmungen an Armen und Beinen. Gehen kann ich nur unter Aufbietung aller Kräfte. Drei Treppenstufen zu steigen, ist für mich die Höchstbelastung", berichtet der 1,90 m große Verteidiger des FC Liverpool. "Die Beine sind bis zu den Knien taub, in den Händen habe ich ein Kribbelgefühl. Es ist deprimierend zu spüren, dass sich Besserung nur in kleinen Schritten einstellt."

Anzeichen für Besserung

Fast nichts ist mehr übrig geblieben von jenem Babbel, der sich bei Bayern München, dem Hamburger SV und zuletzt in Liverpool durch seine guten Leistungen unverzichtbar machte. So schlimm war die Nervenkrankheit, dass Babbel sogar eine Gesichtslähmung hatte, eine zeitlang nicht einmal seine Augen schließen konnte. Lesen strengt ihn noch immer enorm an. "Ich bin ein bisschen frustriert", sagt Babbel, der sich auch in psychologischer Behandlung befindet, "aber ich fühle mich jeden Tag ein bisschen besser ".

An seinem Krankenbett im Einzelzimmer auf der neurologischen Station steht eine Salzkristalllampe. Die hatte ihm sein Freund und Rockstar Chris de Burgh geschenkt - zur schnelleren Genesung. "Chris erkundigt sich laufend nach meinem Zustand", sagt Babbel.

Schwerer Weg zurück zum Sport

Der Ex-Nationalspieler ist zuversichtlich, dass er seinen Beruf wieder ausüben kann: "Die Ärzte haben mir gesagt, dass die Krankheit wieder 100-prozentig weg geht. Ich werde schon wieder kommen. Der Verein gibt mir alle Zeit der Welt. Aber ein Comeback kann dauern; wie lange, kann man nicht sagen."

Babbel weiß, dass es ein beschwerlicher Weg wird. "Im Moment sage ich mir, das wird schon wieder. Aber man muss auch in Betracht ziehen, dass ich nicht mehr zurück komme."

Am 28. November hat Professor Roman Haberl das Syndrom in Harlaching diagnostiziert. Eine Fehlsteuerung des Immunsystems soll der Krankheit, die mit Infusionen behandelt wurde, zu Grunde liegen. Der Mediziner macht seinem bekannten Patienten Mut. "Ich gehe davon aus, dass er wieder spielen kann. Er hat ein Plateau erreicht, bei dem normalerweise kein Rückschlag mehr kommt. Die Erfahrung ist, dass die Menschen seines Alters fast alle wieder gesund werden."

Prioritäten haben sich verschoben

Und obwohl Babbel seitdem nicht einmal ohne fremde Hilfe gehen kann, hatte er offensichtlich noch Glück im Unglück: Denn von der schlimmsten Form des GBS blieb er verschont: einer Lähmung der Atemmuskulatur. Immerhin sechs von 100 Patienten sterben an den Folgen eines Atemstillstandes.

Die Prioritäten im Leben des früheren Bayern-Spielers, der erst kürzlich vom Pfeifferschen Drüsenfieber genesen ist, haben sich verschoben. Babbel: "Fußball ist längst nicht mehr das Wichtigste für mich. Für mich zählt nur, dass ich wieder gesund werde."

Damit sich auch die Familie keine Sorgen mehr machen muss. Die Kinder Pia (6) und Yannick (4) gehen auf ihre eigene Art mit der Situation um, berichtet Babbel: "Für die liegt der Papa halt im Krankenhaus. Ich bin im Fußball so viel unterwegs. Da ist es denen egal, ob ich im Krankenhaus oder im Hotel liege." Weihnachten will er im Kreis der Familie verbringen: "Da kann kommen was will."

Besuch von ehemaligen Kollegen

Zuspruch erhielt Babbel genügend. Dauernd kamen Anrufe vom FC Liverpool: "Der Verein steht voll hinter mir." Außerdem schauten neben de Burgh ("Ohne dich wird Liverpool nicht Meister") auch die ehemaligen Bayern-Kollegen Mehmet Scholl, Jens Jeremies und Michael Tarnat im Harlachinger Krankenhaus vorbei.

"Es ist schön, wenn man nach München kommt und nicht vergessen ist, wenn der Klub nicht nur am Fußballer, sondern auch am Menschen interessiert ist", sagt Babbel. Von seinen Ex-Kollegen hat er einen Laptop mit Fußball-Managerspiel geschenkt bekommen. Doch als Wink mit dem Zaunpfahl will der 51-malige Nationalspieler das nicht verstanden wissen: "Ich spiele selbst bald wieder." Und zwar auf dem Rasen.

Von Thomas Niklaus (sid)

Quelle: ntv.de

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