Gruppe F: Neuseeland im Porträt Der Kiwi-Kreis schließt sich
27.05.2010, 19:19 UhrNeuseeland hat eine schwierige Qualifikation hinter sich. Doch die Qualität der Mannschaft reichte. Die Kiwis ließen Neukaledonien, Vanuatu und Fidschi hinter sich. Sie schalteten Bahrain aus. Jetzt spielen die Neuseeländer in Südafrika mit. Das Land ist wie im Fieber - der Star ist ein TV-Kommentator.
Zwei Tage nach der WM-Qualifikation bügelte Tim Brown wieder ein weißes Hemd. Dann schnappte er sich den Ball und dribbelte zu seinem Arbeitsplatz - alles für das Fernsehen, das in Neuseeland unbedingt zeigen wollte, wie die Fußball-Nationalspieler der All Whites teilweise Hobby und Beruf unter einen Hut bringen müssen.
Tim Brown also, Bankangestellter, Mittelfeldspieler, Nationalspieler, ist der perfekte Protagonist, wenn es darum geht, den etwas anderen WM-Teilnehmer vorzustellen. Wer wäre wohl je so wenig ambitioniert in eine WM-Endrunde gegangen? "Wenn wir in allen unseren Spielen untergehen, wäre das enttäuschend. Ein Erfolg wäre, wenn wir wenigstens ein Unentschieden schaffen", sagte Neuseelands Nationaltrainer Ricki Herbert. "Drei knappe Niederlagen wären auch okay."
"Wir sind zurück"
In der bislang größten Stunde des neuseeländischen Fußballs war Herbert dabei. 1982 bei der WM setzte es deftige Niederlagen gegen Brasilien (0:4), Schottland (2:5) und die UdSSR (0:3) - und Ricki Herbert verteidigte. Nun schließt sich der Kreis. "Ich bin sprachlos. Es ist unglaublich. Wir sind zurück. Wir sind da. In Südafrika", sagte er.
Ein wenig erscheint die WM-Teilnahme immer noch wie ein Geschenk des Himmels für diese Mannschaft, die ohne Stars aber mit Leidenschaft und Herz Südafrika erobern will. Exemplarisch für die Qualität ist, dass fünf Spieler des vorläufigen WM-Kaders nicht bei einem Profiklub unter Vertrag stehen.
TV-Kommentator ist der Star
Zu verdanken haben die "Kiwis" diese Chance dem Weltverband FIFA. Durch die Verschiebung Australiens in die Asien-Qualifikation musste sich Neuseeland in Ozeanien lediglich gegen Neukaledonien, Vanuatu und Fidschi durchsetzen, was - wenig überzeugend - gelang. Gegen Fidschi gab es sogar ein 0:2. Doch in den folgenden Playoffs gegen Bahrain behielten die Neuseeländer die Oberhand.
Aus einer auf niedrigem Niveau homogenen Mannschaft ragt niemand wirklich heraus - dafür ist der TV-Experte ein Star. Als ganz Neuseeland nach dem entscheidenden Spiel gegen Bahrain eine rauschende Partynacht feierte, war Wynton Rufer gefragt wie nie zuvor. Der Fußballer des Jahrhunderts, ehemaliger Publikumsliebling von Werder Bremen und Besitzer einer Akademie für Fußball-Talente, gab Interviews im Minutentakt.
Trikots sind ausverkauft
"Es ist unglaublich, das ganze Land ist im Fußball-Fieber", sagte Rufer. König Fußball verdrängte sogar den knallharten Nationalsport Rugby aus den Schlagzeilen, obwohl die legendären All Blacks am selben Abend das Mailänder Stadion San Siro füllten. Im Moment sind Fußball-Trikots ausverkauft. "So etwas haben wir in Neuseeland noch nicht erlebt", sagt Rufer.
Für einige Spieler hatte der Rausch schnell wieder ein Ende. Ricki Herbert hatte allen 18 Helden des Bahrain-Spiels versprochen, sie mit nach Südafrika zu nehmen. Dieses Versprechen musste er nun brechen, nachdem sich der in Dänemark geborene Winston Reid und Tommy Smith aus England entschieden haben, für Neuseeland zu spielen.
Quelle: ntv.de, Thomas Nowag, sid