WM-Wunschkonzert auf n-tv.de Warum Neuseeland es schaffen kann
10.06.2010, 10:13 UhrMit Rugby kennen sie sich aus. Aber Fußball? Da ist Neuseeland nicht gerade eine Großmacht. Obwohl – in Ozeanien schon. Dennoch gehören die Kiwis nicht zu den Favoriten auf den WM-Titel. Das ist ihre Chance.

Geschafft: Neuseelands Spieler jubeln nach dem Sieg über Bahrain am 14. November vergangenen Jahres über die gelungene WM-Qualifikation.
(Foto: REUTERS)
Es gibt Teams bei der Fußball-Weltmeisterschaft, die wirkliche Titelfavoriten sind. Dann gibt es welche, die durchaus Chancen auf eine Finalteilnahme haben. Es gibt auch jene Mannschaften, mit denen keiner nach der Gruppenphase rechnet. Und jene, die sich wie durch ein Wunder überhaupt qualifiziert haben. Und dann, ja – dann gibt es noch Neuseeland.
Beim Rugby sind die Neuseeländer regelmäßig ganz oben mit dabei. Aber Fußball? Es ist schon ziemlich lange her, das Neuseeland das bisher letzte Mal bei einer solchen Randsport-WM auf sich aufmerksam machte. 1982 reisten die Kiwis zur WM nach Spanien, verloren dort aber alle drei Vorrundenspiele ziemlich deutlich. Nicht umsonst schwanken die Wettquoten auf den diesjährigen WM-Titel bei Neuseeland zwischen 1: 1500 bis 1:2000.
Immerhin auf ihrer eigenen Halbkugel
Ein erstes Indiz, warum diese WM anders verlaufen könnte als die vor 28 Jahren: Sie haben weniger Stress bei der Anreise. Immerhin bleiben sie diesmal auf ihrer eigenen Halbkugel. Doch es gibt auch einige vernünftige Gründe, Neuseeland auch nach der Gruppenphase mit auf dem Spielplan zu haben. Einen vernünftigen Grund, ihnen gedanklich schon den Pokal in die Hände zu drücken, gibt es zwar nicht: Aber lasst mich doch träumen!
Die Qualifikation hat Neuseeland mit Bravour überstanden. Ihr größter Konkurrent gab sich schon im Vorfeld kampflos geschlagen: Australien hat sich – fußballtechnisch gesehen – entschlossen, asiatisch zu werden. So sind die Kiwis in Ozeanien nun unangefochten die Nummer eins, und es wird sicher nicht ihre letzte WM-Teilnahme werden. In der Qualifikation durch den OFC-Nationen-Pokal 2008 konnten sie eine geradezu atemberaubende Bilanz aufweisen: fünf Siege in sechs Spielen, darunter gegen Fußballgrößen wie Neukaledonien, Fidschi und Vanuatu.
Die große Stärke ist ihre Schwäche
Auch wenn die All Whites nur drei Spieler vorweisen können, die in europäischen Erstligaclubs ihr Geld verdienen, könnten sie für Überraschungen sorgen. Die Gruppenphase ist mit Gegnern wie Italien, Slowakei und Paraguay auch – naja, sagen wir mal: zu schaffen. Die Slowakei hat, anders als Neuseeland, gar keine WM-Erfahrung. Und Paraguay ist, im Gegensatz zu den Kiwis, nur die Nummer drei auf dem eigenen Kontinent. Und Italien? Die fühlen sich so sicher, dass es ein Leichtes sein dürfte, sie zu überrumpeln. Und schon wäre das Achtelfinale vor Augen.
Was spricht also gegen eine Überraschung? Zumal scheinbar schwache Mannschaften gerne unterschätzt werden. Keiner rechnet mit ihnen. Wahrscheinlich machen sich viele Mannschaften nicht einmal die Mühe, solche Gegner im Vorhinein überhaupt zu studieren. Und selbst wenn – nachdem sie die Spiele der neuseeländischen Elf studiert haben, fühlen sie sich mitunter noch sicherer. Und was passiert, wenn man seine Gegner unterschätzt, haben wir 2004 bei der EM gesehen. Kalimera! Halten wir also fest: Die größte Stärke der Neuseeländer ist ihre Schwäche.
Die Wahl zwischen Vernunft und Gewalt
Die Neuseeländer sind hoch motiviert, die ganze Insel ist im Fußballfieber. Und wie viel Motivation an taktischer und spielerischer Unterlegenheit ausgleichen kann, konnte man wunderbar beim 1:0 im Testspiel gegen Serbien beobachten. Die Australier mussten beim 2:1-Sieg gegen Neuseeland schwitzen, auch wenn sie am Ende glücklich und unverdient gewannen.
Die Kiwis spielen weder schön noch taktisch besonders ausgereift. Und oft erinnert das, was sie auf dem Feld tun, mehr an Rugby als an Fußball. Doch wie ein österreichischer Philosoph des 20. Jahrhunderts einmal formulierte: "Man hat nur die Wahl zwischen Vernunft und Gewalt.” Und mit letzterem kennen sich die Neuseeländer in sportlicher Hinsicht ja aus.
Quelle: ntv.de