Machtwechsel im Rodelsport? Hackl "Schorschs" Österreich greift Deutschland an
02.12.2022, 10:51 Uhr Artikel anhören
Goldjunge für Österreich.
(Foto: imago/Kosecki)
"Schorsch" Hackl hat den Rodelrennsport in Deutschland populär gemacht. Jetzt arbeitet der dreimalige Olympiasieger für die Österreicher und trifft am Wochenende auf sein altes Team . Besonders für Felix Loch wird das Wiedersehen mit seinem alten Mentor etwas ganz Besonderes.
Das lässt auch den Hackl Schorsch nach mehr als 35 Jahren im Rennrodelsport nicht kalt. Wenn am Wochenende in Innsbruck der Weltcup-Auftakt eingeläutet wird, steht Deutschlands populärster und bekanntester Rodler auf der anderen Seite im Trainerteam der Konkurrenz. "Natürlich ist das für mich ein ganz besonderer Auftakt, weil ich mein ganzes Leben beim deutschen Verband war", sagte der 56-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Seit 1. Mai arbeitet Georg Hackl, der mit der deutschen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Peking alles abgeräumt hat, für den stärksten Konkurrenten der deutschen Rodel-Nationalmannschaft und ist nun als Trainer für Fahr- und Schlittentechnik der Österreicher zuständig. Hackl ist gespannt auf die neue Aufgabe und das erste Rennen. "Wir haben den ganzen Sommer über gearbeitet und nun steht am Wochenende die erste große Probe an. Da werden wir sehen, wo wir mit den Österreichern stehen. Das wird spannend", sagte der Olympiasieger von 1992, 1994 und 1998.
"Wir haben uns auf jeden Fall nicht verschlechtert"
Der Überraschung über den Wechsel hat sich im deutschen Team längst gelegt. "Natürlich ist das jetzt eine sportliche Rivalität, aber ich betrachte das als große Rodel-Familie", erklärte Hackl. "Die ersten ein, zwei Wochen, nachdem er es uns mitgeteilt hat, mussten wir uns schon etwas sortieren", sagte sein langjähriger Weggefährte Felix Loch in der "Sport Bild". "Wir sind nicht im Bösen auseinandergegangen. Obwohl ich die Entscheidung zum Wechsel immer noch nicht verstehe. Wir werden uns sicher ganz normal unterhalten - nur nicht mehr über Schlitten", betont Loch. Das Fehlen mache sich aber "nicht bemerkbar", sagt Loch und wirkt dabei fast ein bisschen trotzig: "Wir haben uns auf jeden Fall nicht verschlechtert. Wir haben jetzt neue Denkansätze."
Der Wechsel kommt für das deutsche Rodeln dennoch durchaus in einer komplizierten Phase, denn der klare Vorsprung von einst auf die Gegner aus Österreich, Lettland, Italien und Russland ist aufgebraucht. Gerade bei den Männern hat das auch personelle Gründe: Der über Jahre verlässliche Johannes Ludwig holte vor neun Monaten in Peking überraschend Olympia-Gold - und trat ab. Und Loch, der früher locker von Sieg zu Sieg rodelte, schwankt in seinen Leistungen seit Jahren deutlich.
Auch die vergangene Saison war keine große für ihn. Im Weltcup blieb er ohne Sieg, bei Olympia verpasste er als Vierter das Podest. Wer Loch allerdings dieser Tage sieht, könnte meinen, dass er sich noch mal etwas vorgenommen hat. Im Sommer verbrachte Loch viel Zeit auf dem Rennrad, verlor deutlich an Gewicht und wirkt geradezu drahtig. Ob er fitter denn je sei, wurde er zuletzt gefragt: "Ich bin leichter denn je", sagte er lachend. Es dürfte für Rodel-Deutschland mal wieder auf Loch ankommen, neben ihm starten die weniger erfahrenen Max Langenhan (23) und David Nößler (21). Auch bei den Frauen geht ein junges Team in die Saison, Olympiasiegerin Natalie Geisenberger (34) erwartet ihr zweites Kind. Gespannt schaut man auf Merle Fräbel. Die 19-Jährige stellte in der internen Qualifikation die etablierte Konkurrenz in den Schatten.
"Ich sehe das Potenzial, das die Österreicher haben"
Hackl hat den Absprung nicht gesucht. "Die Österreicher haben schon seit Jahren bei mir angefragt. Dadurch, dass ich aus Altergründen bei der Bundeswehr ausgeschieden bin, war ich frei", erklärte der Technik-Experte. Verbandspräsident Markus Prock ist nicht nur der alte Rennrivale von Hackl, sondern auch ein Freund. "Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich dachte, Schorsch, jetzt hast du einmal im Leben die Chance, was Neues zu machen. Der Zeitpunkt war ideal, von daher habe ich keine unvollendete Aufgabe hinterlassen. Und mir wurde ein ordentliches Angebot unterbreitet, was Verdienst und Freizeit betrifft", sagte Hackl. Zudem könne er sich technisch entfalten. "Ich sehe das Potenzial, das die Österreicher haben". Das erkennt auch Freund Prock: "Mittelfristig wollen wir an der Rodel-Großmacht Deutschland vorbeiziehen und zur Nummer eins werden."
"Viele freuen sich mit mir, aber natürlich gehe ich mit einem weinenden Auge. Jetzt ist halt das Ziel, die Ergebnisse der deutschen Rodler häufiger zu toppen", sagte Hackl. Da wird sein ehemaliger Zögling Felix Loch natürlich gegenhalten. "Schienentechnisch sind wir bei uns daheim mit sehr guten Werkzeugmachern und Feinmechanikern bestens aufgestellt. Daher mache ich mir überhaupt keine Sorgen, dass sich die erfolgreichen Resultate ändern sollten", befand Loch und fügte hinzu: "Ganz ehrlich: Bis jetzt vermisst noch niemand den Schorsch."
Quelle: ntv.de, Morten Ritter, dpa