Krise in Berlin Hertha-Trainer Favre muss gehen
28.09.2009, 18:26 UhrSechs Bundesliga-Niederlagen in Folge, die letzten beiden jeweils mit vier Toren Differenz – der Bundesligist Hertha BSC hat auf die sportliche Talfahrt reagiert und sich von Trainer Lucien Favre getrennt. Der U-23-Coach Karsten Heine springt vorerst ein.
Der Klub teilte mit, dass "das Trainerteam Lucien Favre und Harald Gämperle mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden" sei. Das Training der Bundesliga-Mannschaft wird interimsmäßig von Herthas U23-Coach Karsten Heine geleitet.
Die Mannschaft hatte am Sonntag beim 1:5 in Hoffenheim zum sechsten Mal in Folge in der Bundesliga verloren und steht seit dem 6. Spieltag auf dem letzten Tabellenplatz. Montagmittag hatte der Verein eine Krisensitzung abgehalten. Dort wurde die Trennung vom einstigen Wunschtrainer beschlossen. Der 51 Jahre alte Favre, der im Juni 2007 vom FC Zürich an die Spree gewechselt war, besaß bei der "Alten Dame" einen Vertrag bis 2011.
Röber und Meyer im Gespräch
Heine wird die Mannschaft wohl auch in den wichtigen Spielen am Donnerstag in der Europa League bei Sporting Lissabon (21.05 Uhr/live bei Sat.1) sowie am Sonntag im Bundesliga-Heimspiel gegen den Hamburger SV (17.30 Uhr/live bei Sky) betreuen. Fraglich blieb, wer Favre langfristig ersetzen soll. Neben Heine sind auch die beiden ehemaligen Hertha-Trainer Jürgen Röber und Hans Meyer Kandidaten.
Neben der sportlichen Krise war offenbar auch das gestörte Verhältnis von Favre zur Mannschaft ein Grund für die Trennung. Spielern wie Arne Friedrich wurde zuletzt offenbar vorgeworfen, sie würden gegen den Trainer spielen. Co-Trainer Harald Gämperle meckerte: "Es kann nicht sein, dass einige Spieler hinter dem Rücken Politik machen. Wenn einige Akteure zwei-, dreimal hintereinander so schlecht spielen, dann muss man sich schon fragen, welche Interessen die Spieler haben."
Favre schwieg in der Kabine
Beim 1:5 in Hoffenheim hatte die Mannschaft ein Bild des Jammers abgegeben. Die Abwehr schaute bei den Gegentoren zu, das Mittelfeld verlor die Zweikämpfe, und vom Sturm ging keine Gefahr aus. Hoffenheims Josip Simunic, im letzten Jahr noch Herthas Abwehrchef, musste sich nach seiner Auswechslung zur Halbzeit wegen einer Wadenverletzung die Frage gefallen lassen, ob er aus Mitleid mit seiner alten Mannschaft vom Platz gegangen war.
Favre hatte sich am Sonntagabend zunächst kämpferisch gegeben: "Ich werde weitermachen", hatte der Coach gemeint. Seine Aussagen klangen längst schon wie Durchhalteparolen. Zudem machte der Ex-Profi in der Krise keine gute Figur. Nach dem Abpfiff in Hoffenheim versammelte er seine Spieler 40 Minuten in der Kabine. Dabei soll jedoch kaum gesprochen worden sein. Als die Spieler anschließend in die "Freiheit" entlassen wurden, verweigerten sie jegliche Aussagen. Ein offensives Krisenmanagement wäre in dieser Situation angebrachter gewesen.
Verfehlte Personalpolitik
So verwundert es nicht, dass die Kritik im Umfeld wuchs. Die Hauptstadt fürchtete um ihre Präsenz in der Fußball-Bundesliga. Die Berliner Boulevard-Zeitungen haben sich längst auf den Schweizer eingeschossen. Heute hieß es: "Monsieur Favre, bitte gehen Sie" (Bild), "Favre am Ende" (BZ) oder "Preetz rückt von Favre ab" (Berliner Kurier).
Ein Grund für die sportliche Talfahrt ist die Personalpolitik, für die in erster Linie Favre steht. In Marko Pantelic, Andrej Woronin und Simunic wurde zu viel Substanz verkauft. Der Coach hatte wohl geglaubt, dass er - wie in den Jahren zuvor - seine jungen Spieler schnell zu gestandenen Bundesliga-Profis formen könnte. Doch nun zeigt sich, dass die Youngster ohne ein Gerüst von Routiniers überfordert sind. Hinzu kommt, dass der Coach bei Neueinkäufen kein glückliches Händchen bewies.
Quelle: ntv.de, sid