Lutz Pfannenstiel zum Bundesligastart "Ich hätte gerne dort gespielt"
19.08.2010, 10:59 UhrIn elf Ländern hat Torwart Lutz Pfannenstiel Fußball gespielt, vielleicht auch in zwölf. Er kennt sich also aus. Am Freitag startet die Bundesliga in ihre 48. Saison. Bei n-tv.de erzählt er, warum die englische Liga nicht viel besser ist, deutsche Spieler ungern ins Ausland wechseln – und er nie in der Bundesliga im Tor stand.
n-tv.de: Sie sind viel herumgekommen in der Welt. Bereuen Sie es, nie in der Bundesliga gespielt zu haben?
Lutz Pfannenstiel: Ich bin in Deutschland geboren und bin mit der Bundesliga aufgewachsen. Natürlich hätte ich auch gerne mal dort gespielt. Aber als ich mich erst einmal im Ausland festgefressen hatte, stellte sich die Frage nicht mehr. Es gab zwar Nachfragen aus der Regionalliga, der zweiten Liga, auch für ein Probetraining in der Bundesliga. Aber aus irgendeinem Grund wollte ich das damals mit Anfang, Mitte 20 nicht. Heute, mit 37, würde ich sagen: Es war vielleicht eine mentale Blockade.
Im Vergleich: Welche Liga ist für sie die beste der Welt?
Die beste Liga der Welt - rein von den Topmannschaften her betrachtet - ist die englische. Ansonsten gibt es zwischen der englischen, der spanischen und der deutschen Liga keine großen Unterschiede. Das sind meine drei Top-Ligen. Dann folgt die italienische. Ich finde halt den italienischen Fußball etwas langweilig.
Und welche Liga ist die aufregendste oder ungewöhnlichste?
Sehr interessante Ligen sind die amerikanische Major League Soccer, die australische A-League, die japanische J-League. Es gibt einige Ligen, die Spaß machen beim Zuschauen. Auch die südafrikanische Liga gedeiht, nicht zuletzt wegen der Weltmeisterschaft. Viele neue Stadien, die Liga wächst. Ligen wie die portugiesische, niederländische, belgische oder auch die schottische – da sind immer dieselben Mannschaften vorne. Da sind die anderen Ligen - vom Niveau her betrachtet - aufregender.
Und trotzdem spielen, abgesehen von Mesut Özil und Sami Khedira, die zu Real Madrid gewechselt sind, kaum deutsche Profi im Ausland. Woran liegt das?
Warum spielt fast kein mexikanischer Profi im Ausland? Warum sollen die Mexikaner aus Mexiko rausgehen, wenn sie dort das gleiche Geld verdienen wie im Ausland? Die mexikanische Liga ist eine der bestbezahlten Ligen in der Welt. Das gleiche gilt für Deutschland. Wenn ich mir den Arne Friedrich anschaue, ein ganz bodenständiger Typ: Der hat ein Angebot aus Liverpool und aus Wolfsburg und geht dann nach Wolfsburg – das spricht für sich. Die Mentalität der Deutschen scheint so zu sein: Ich will nicht unbedingt ins Ausland. Es sei denn, ein wirkliches Hammerangebot kommt. Wie bei Özil und Khedira. Der Druck, rauszugehen, ist einfach nicht da. Die Holländer wollen weg, die gehen nach Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich. Weil die Liga nicht so gut ist und das Finanzielle nicht so lukrativ ist.
Würden Sie jungen Spielern raten, anstatt sich langsam in der Bundesliga hochzuarbeiten, es besser in anderen Ländern als Profi zu versuchen?
Eine gewisse Zeit im Ausland schadet nie. Aber nicht jeder ist dafür gemacht, sich im Ausland zurechtzufinden, sich bei einem ausländischen Verein durchzusetzen. Da gehört ein spezieller Charakter dazu. Als junger Spieler ein Jahr Brasilien – das ist, denke ich, eine sehr gute Sache. Schon allein, weil das Training dort sehr, sehr gut ist.
"Die Mentalität der Menschen spiegelt sich in ihren Fußballstadien wie an kaum einem anderen Ort." Das schreiben Sie in Ihrem Buch "Unhaltbar". Sie selbst kommen aus dem beschaulichen Zwiesel – mit einem kleinen Rasenplatz, ohne Stadion - und sind von da in die Welt hinausgezogen, um Profifußballer zu werden. In wie vielen Ländern haben sie denn nun gespielt - und bei wie vielen Vereinen?
Kalt erwischt. (Lacht) Also Vereine: 25, und Länder: elf, zwölf – denke ich.
Derzeit arbeiten Sie in Namibia. Sie haben aber auch in Malaysia gespielt – Ihre erste Profistation. Dazu kommen beispielsweise Neuseeland, England, Kanada oder auch Südafrika. Wo hat Ihnen die Mentalität der Menschen am besten gefallen und warum?
Die Fußballmentalität: Da war Brasilien das Schönste. Der Idealfall für jeden Fußballer. Natürlich hat auch der Fußball in England eine hervorragende Atmosphäre. Aber in Brasilien, da hat der Fußball einen ganz anderen Stellenwert, da wird er mehr gelebt als sonst irgendwo auf der Welt. Von der Stimmung in den Stadien, im Training, vom Mannschaftsgefühl her – da gilt noch: Elf Freunde müsst ihr sein. Das war sehr beeindruckend. Natürlich gibt’s in Brasilien auch Schwierigkeiten - von der Organisation her beispielsweise. Aber vom ganzen Fußballfeeling ist Brasilien für jeden Fußballer das Schönste. Ich hatte das Glück, dass ich der einzige Deutsche gewesen bin, der bisher als Profi in Brasilien gespielt hat. Und einmal im Maracana spielen – wow, unglaublich.
In Brasilien findet 2014 auch die nächste Weltmeisterschaft statt. Was erwarten Sie?
Die Fußball-WM in Brasilien wird ein absoluter Hammer. Brasilien ist DAS Fußballland überhaupt. Das wird eine wirklich Fußball-Party - von A bis Z. Vom Potenzial her könnte das die beste WM aller Zeiten werden, weil dort Fußball über allem steht.
Genießen Sie eigentlich die Rastlosigkeit in ihrem Leben, die dauernden Veränderungen?
Ich bin drei Wochen in Namibia, eine Woche in Deutschland. Dann wieder drei Wochen in Namibia. Ich mache für den DFB Auslandskurse, ich bin ein Torwart-Trainerausbilder. Weltweit, hauptsächlich in Afrika. Ich werde mal eine Woche nach Botswana geschickt, nach Namibia, nach Südafrika. Seit Anfang des Monats bin ich auch mal wieder in Deutschland. Ja, irgendwie genieße ich die Rastlosigkeit. Vielleicht ändert sich das ja später noch.
Was macht für Sie den Reiz eines Weltenbummlers, eines "Welttorhüters" aus?
Der Reiz heißt Fußball. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich der Fußball in den verschiedenen Ländern auf den verschiedenen Kontinenten ist. Das Training und die Trainingsmethoden sind total unterschiedlich - und ich habe das miterleben dürfen. Das ist ein Vorteil gegenüber jemandem, der 20 oder 30 Jahre in der Bundesliga gespielt und gearbeitet hat.
War das auch ein Grund, warum der DFB bei Ihnen angefragt hat?
Ich denke schon. Weil ich viel im Ausland tätig bin und dort auch viele Menschen kenne, ist das eine gute Basis, um zusammenzuarbeiten und als Auslandsexperte des DFB tätig zu sein.
Was denken Sie denn, wo Sie der Fußball noch hinführen wird oder wo würden Sie denn gern noch mal arbeiten?
Der russische Raum interessiert mich schon sehr. Kasachstan beispielsweise. Oder die arabischen Länder sind noch ein Traum von mir, wo ich unheimlich gerne als Torwarttrainer noch einmal arbeiten würde – ebenso wie Japan.
Wann haben Sie denn den Entschluss gefasst, Profifußballer zu werden?
Bei der Erstkommunion. (Lacht) Naja, eigentlich wusste ich es schon immer. Es klingt ein bisschen komisch, aber ich habe mich dazu berufen gefühlt, Profifußballer zu werden. Andere wollen Nonne, Pfarrer oder Doktor werden und ich halt Profifußballer. Als Neunjähriger hab ich mich schon damit befasst: Wie lebt man professionell? Das fing bei der Ernährung an, ging über den Schlaf bis hin zur Temperatur, bei der ich baden sollte. Das klingt etwas zwanghaft. Aber im Endeffekt habe ich es nicht bereut. Ich habe auf einiges typisch Teenagermäßiges verzichten müssen. Das habe ich aber später mehr als nachgeholt.
Die Menschen aus Ihrer Umgebung sagen: "Der Pfannenstiel ist ein Verrückter!" Sind Sie das wirklich?
Die meisten Torhüter sind ein bisschen verrückt. Da bin ich jetzt nicht der Einzige. Ich habe als Kind jeden Tag Fußball gespielt. Nicht wie viele andere einfach nur rumgehangen. Ich habe alles für den Fußball getan, war immer hochmotiviert. Teilweise übermotiviert. Ich bin bei Gegentoren ausgerastet, habe dann auch mal geweint. Der Fußball stand für mich immer an erster Stelle. Wenn ich als Kind zum Beispiel mal krank war und ein, zwei Tage nicht trainieren konnte - das war einfach furchtbar. Da war Weltuntergangsstimmung zu Hause.
Was unterscheidet denn den Menschen Lutz Pfannenstiel vom Profi Lutz Pfannenstiel?
Als Fußballer sehe ich mich eher verbissen, sehr ernst. Als Mensch bin ich eher locker. Manchmal überschneidet sich das zwar, aber man muss eine gute Mischung finden zwischen diszipliniert sein und die Sau rauslassen. Ich denke, ich habe da eine gute Mischung gefunden.
Quelle: ntv.de, Mit Lutz Pfannenstiel sprach Thomas Badtke