MMA-Star Rakic im Interview "In der UFC musst du Staub aufwirbeln"
07.08.2021, 11:41 Uhr
Aleksandar Rakic zählt zu den besten Mixed-Martial-Arts-Kämpfern seiner Gewichtsklasse. Im Light Heavyweight der UFC steht der Österreicher mit serbischen Wurzeln auf Rang drei und steuert auf einen Titelkampf zu. Im Interview mit ntv.de erzählt der 29-Jährige, wie er zu MMA gekommen ist, wo die Reise hingehen soll und wie wichtig Entertainment und Vermarktung bei der größten Kampfsport-Promotion sind.
ntv.de: Österreich ist ja eher das Land des Wintersports, auch Fußball ist sehr beliebt. Wie bist du überhaupt zu Mixed-Martial-Arts gekommen?
Aleksandar Rakic: Ich war als Kind hyperaktiv und habe immer zu viel Energie gehabt. Bis ich 13 Jahre alt war, habe ich noch Fußball gespielt in einem Verein. Da bin ich dann aber rausgekickt worden, weil ich auf den Spielen manchmal zu aggressiv war und als Abwehrspieler etwas heftiger gefoult habe. Nach dem Training und den Spielen hatte ich immer noch so viel Energie, da wusste ich, dass Fußball nicht das richtige für mich ist. Fünf Minuten entfernt von der damaligen Wohnung meiner Eltern gab es aber einen Kickboxverein - dort habe ich dann sechs Jahre trainiert und auch Amateur- und Profikämpfe gehabt. Mit 19 bin ich dann ins MMA gewechselt, weil auch Kickboxen mich nicht erfüllt hat. Es war nur der Kampf im Stand und nicht am Boden. Für mich ist das aber so: Wenn jemand stärker sein will, dann muss er in allen Lagen kämpfen können. Und MMA war da der perfekte Sport für mich. Zehn Jahre später bin ich da wo ich sein will.
Prellungen, Blut oder gebrochene Knochen - viele sehen bei den Käfigkämpfen oft nur die Brutalität, die sich ja nicht wegreden lässt. Es ist schließlich Vollkontaktsport. Was entgegnest du den Kritikern, die MMA auf die Brutalität reduzieren?
Es ist brutal, aber viele Leute sehen nur den Kampf an sich. Sie wissen nicht, dass mehrere Sportarten verbunden sind. Ringen, Boxen, Jiu-Jiutsu und Kickboxen in einem, das Ganze in der Regel in drei Runden zu jeweils fünf Minuten. Wenn ich es oberflächlich betrachte, dann sehen die Kämpfe brutal aus, die Regeln machen den Sport aber weniger gesundheitsgefährdender als beispielsweise klassisches Boxen. Wenn ich im Käfig den Gegner umhaue, gehe ich nach, es folgen zwei, drei Schläge, dann geht der Ringrichter dazwischen und der Kampf ist aus. Beim Boxen kämpft man in 12 Runden insgesamt deutlich länger und für Angriffe habe ich nur zwei Optionen: Ich schlage entweder zum Kopf oder zum Körper. 70 Prozent der Schläge gehen Richtung Kopf. Geht da ein Gegner zu Boden, gibt der Referee sogar die Zeit, um sich zu erholen und weiterzumachen. Und zu viele Schläge auf den Kopf, das ist gesundheitsgefährdend und brutal. Wenn ich im MMA die Chance habe, den Sack zuzumachen, dann mache ich das. Das ist auch brutal, aber man muss damit umgehen können.
Wie ist dann die Resonanz in Österreich?
Als ich vor zehn Jahren begonnen habe, war der Sport in Österreich noch nicht so groß. Da haben wir nach Deutschland geschaut, denn da gab es einige gute Kämpfer. Das hat sich dann mit der Zeit geändert. Wir hatten mit Nandor Guelmino unseren ersten großen Fighter, der in Strikeforce gekämpft hat. Dann kam Mairbek Taisumov aus Wien und er hat in der UFC für Aufsehen gesorgt. Er war der erste, der gezeigt hat, dass man auch aus Österreich bis ganz nach oben kommen kann. Danach bin ich gekommen 2017 und danach hat es auch Ismail Naurdiev in die UFC geschafft. Es ist populärer geworden, aber es könnte noch populärer werden. Ich habe mir selbst immer als Ziel gesetzt, Champion zu werden und den Sport im deutschsprachigen Raum noch bekannter zu machen. Im besten Fall bringe ich die UFC nach Wien, damit die Welt sieht, was für tolle Kämpfer wir haben.
Mit einem spektakulären Knockout gegen Jimi Manuwa sorgte Rakic bereits für Aufsehen.
(Foto: imago images / Bildbyran)
Es ist populär geworden, aber du kannst schon noch unerkannt in der Stadt einkaufen gehen?!
Naja. Ich kann einkaufen gehen, aber ich werde mittlerweile auf der Straße erkannt. Fans möchten dann auch Fotos mit mir machen, fast tagtäglich. Aber mich macht das glücklich. Das ist ein Zeichen, dass ich die Leute für MMA begeistern kann. Ich bin gebürtiger Serbe und dort ist das nochmal komplett anders. Die Leute dort sind verrückt nach MMA. Der slawische Part um Länder wie Bosnien, Serbien, Kroatien aber auch Russland und Bulgarien - da ist der Support und der Respekt für die Kämpfer extrem. Und genau das Level möchte ich für den deutschsprachigen Raum auch erreichen.
Du kämpfst unter serbischer Flagge, bist in Wien aufgewachsen und lebst dort mit deiner Familie. Bist du dann eher die Ösi-Rakete oder die Raketa Srbska Rakica? Oder muss man in deinem Fall gar nicht genau definieren, was Nationalität in dem Sport bedeutet?
Nein, muss man nicht. Ich habe 2017 bei der UFC unterschrieben und die ersten fünf Kämpfe habe ich unter österreichischer Flagge gekämpft. Es ist aber medientechnisch nicht so viel zurückgekommen, wie ich es mir erhofft habe. Die Österreicher kennen den Sport noch nicht so extrem und mein Name weist dann auch darauf hin, dass ich kein Reinblut-Österreicher bin. Ich bin sehr froh, hier zu leben und hier aufgewachsen zu sein. Der Support aus Serbien ist einfach so enorm groß. Ich bin dort tagtäglich in den Medien, Sponsoren kommen auf mich zu und ich lebe nicht einmal da. Dort ist man richtig stolz, dass jemand in diesem Sport das Land repräsentiert. Ich finde das war die richtige Entscheidung unter serbischer Flagge zu kämpfen, wobei ich Wien nie vergessen werde. Ich werde vor jedem Kampf mit "Fighting out of Vienna by way of Serbia ..." vorgestellt, es wird also immer erwähnt, dass ich aus Wien komme - und das will ich auch nicht ändern.
Du hast gerade schon angeschnitten, dass Vermarktung ein wichtiger Teil in der UFC ist. Reicht das Kämpfen allein dann nicht, um sein Dasein als Profisportler zu bestreiten?
Ich bin mittlerweile in der Top Drei der Light Heavyweight Division und ich habe eines gelernt: Du musst dich in der UFC öffentlich äußern und sagen, was du willst. Man muss sich vermarkten und verkaufen. Am Ende ist die UFC vorwiegend Entertainment und dann kommt erst der Sport. Trash-Talk gehört dazu, auch wenn ich kein großer Trash-Talker bin, aber es muss sein. Man muss in der UFC Staub aufwirbeln über die sozialen Netzwerke, damit es in die Öffentlichkeit kommt und du bekommst, was du willst.
Obwohl du deine letzten beiden Kämpfe gegen Anthony Smith und Thiago Santos nach einstimmigen Ringrichterentscheid gewonnen hast, wird dir vorgeworfen, dass es nicht spektakulär genug gewesen sei.
Wer so redet, soll es erst einmal besser machen. Smith und Santos haben beide bereits um den Titel gekämpft gegen Jon Jones, beide haben verloren, aber sich gut geschlagen. Das ist die Top-Elite, es gibt nichts drüber. Ein Knockout oder eine Submission passiert von selbst, das kann man nicht erzwingen. Wenn man versucht, das zu erzwingen, kann es ganz schnell in die andere Richtung gehen. Das zeigt das Beispiel Thiago Santos. Er hat den jetzigen Champion Jan Blachowicz 2018 K.o. geschlagen, weil Blachowicz zu stürmisch nach vorne gekommen ist und unbedingt einen K.-o.-Sieg wollte. Santos hat ihn dann ganz einfach gekontert. Gegen solche Gegner muss man mit Köpfchen kämpfen. Es ist wie ein Schachspiel, weil es so viele kleine Bausteine gibt, auf die man aufpassen muss. Da hat sich der MMA-Sport extrem weiterentwickelt.
Wann sehen wir dich denn das nächste Mal im Käfig? Es scheint ja ein regelrechtes Gezerre zu sein, einen Kampf gegen die Nummer zwei Jiri Prochazka festzulegen.
Ich hoffe, Jiri wird den Kampf bald annehmen. Ich habe ihn schon drei oder vier Mal herausgefordert. Der Champion Blachowicz kämpft Ende Oktober gegen den Nummer-Eins-Herausforderer Glover Teixeira, da macht der Kampf gegen Jiri Prochazka am meisten Sinn. So stellt sich heraus, wer als nächstes um den Titel kämpft. Ich hoffe im Herbst kann ich gegen Jiri antreten und mir meine Chance auf den Titel so erarbeiten. Wir sind aber noch am verhandeln. Er kann aber nicht an mir vorbei.
Der Tscheche Prochazka hat eine unkonventionellen Stil. Wäre das eine ganz andere Herausforderung als bisher?
Er ist natürlich ein anderer Kämpfer als Santos oder Smith. Es kommt immer darauf an, welche Sparringspartner man hat, die ihn gut simulieren können. Mein Team und ich studieren ihn bereits und wir sehen viele Löcher. Wir haben schon begonnen, uns auf ihn vorzubereiten. Er ist ein sehr gefährlicher Gegner, aber ich habe die richtigen Mittel, um ihn zu schlagen. Ich respektiere ihn, aber den Hype, den er hat, will ich stoppen und meine Titelchance ergreifen.
Du bereitest dich auf den Kampf vor, ein Fight Camp ist das dann aber noch nicht. Wie sieht diese Vorbereitung aus?
Meine Mentalität und mein Trainingsstil ist, dass ich permanent auf 80 Prozent bin. Im Fight Camp, den letzten sechs Wochen vor dem Kampf, konzentriere ich mich dann auf Sparring im MMA-Bereich, um auf die 100 Prozent zu kommen. Zurzeit setze ich einen neuen Input im Kraft- und Konditionsbereich und trainiere auf Fünf-mal-fünf-Minuten-Runden, denn ich gehe davon aus, dass die nächsten Kämpfe alle auf fünf Runden angesetzt werden. Ziel ist dabei, gesund zu bleiben, sich nicht zu verletzen und dieses Level zu halten.
Du hast erwähnt, dass MMA-Kämpfe manchmal wie ein Schachspiel ablaufen. Muss man dafür auch im mentalen Bereich trainieren?
Ich habe ein sehr gutes Team um mich herum. Vier Trainer, die mich überall hin begleiten. Sie sind wie eine zweite Familie für mich. Außer meinen Trainer im Ringen, der in Schweden lebt, sehe ich sie fast tagtäglich und tausche mich mit ihnen aus. Die sind meine Mental-Coaches, die mich aufbauen, pushen und mit denen ich rede.
Zum Ringen nach Schweden, nach Kroatien um bei American Top Team (ATT) zu trainieren - muss ein MMA-Kämpfer irgendwann zu einem großen Kampfsport-Gym gehen?
Einem aufstrebendem Kämpfer, der vor seinem ersten Kampf in der UFC steht, würde ich empfehlen in ein großes Gym zu gehen. Damit er die Atmosphäre spürt und sieht, wie ehemalige und amtierende Champions trainieren. Am Ende kochen die da auch nur mit Wasser. Vor meinen ersten vier Kämpfen habe ich mich in Florida vorbereitet bei ATT. Da stand ich mit großen Namen auf der Matte - Junior dos Santos, Amanda Nunes oder King Mo. Ich habe dabei viel gelernt, aber auf der anderen Seite gibt es dort nur eine Handvoll Coaches. Und die fokussieren sich dann natürlich auf die großen Namen. Die Neuankömmlinge bleiben da etwas im Schatten und müssen um jede Hilfe bitten. Es ist ein gutes Gym, aber es ist auch wie eine Fabrik, in der gearbeitet wird. Ich war vier Mal dort und die Voraussetzungen waren jedes Mal perfekt. Jetzt habe ich mein eigenes Team um mich. Da setze ich auf Qualität statt auf Quantität mit wechselnden Trainern.
Könntest du dir vorstellen, selbst mal ein MMA-Gym zu eröffnen und zu betreiben?
Der Plan ist sicher da, aber erst nach meiner MMA-Karriere. Davor würde ich es mir nicht zutrauen. Für ein Gym musst du 150 Prozent da sein und da würde die Karriere drunter leiden.
Ich habe gelesen, dass du dir auch vorstellen könntest, nach MMA professionell zu boxen. Stimmt das? Dabei hast du den Sport als noch gefährlicher für die Gesundheit beschrieben.
Boxen ist meine erste große Liebe. Ich habe mit Kickboxen begonnen damals, aber mein Trainer kam ursprünglich aus dem Boxen. Natürlich ist das gefährlich, aber der Sport ist auch eine Kunst, die sehr schön anzusehen ist. Nach der MMA-Karriere würde ich maximal zehn bis fünfzehn Kämpfe auf qualitativ gutem Niveau machen wollen.
Und in MMA? Kommt irgendwann der Wechsel in eine andere Gewichtsklasse?
Auf jeden Fall. Sobald ich meine Mission im Light Heavyweight erreicht habe, muss die Schwergewichtsklasse dran glauben. Dann haben sie mich da an der Backe (grinst!). Natürlich will ich dort auch Champion werden.
Mit Aleksandar Rakic sprach Michael Bauer
Quelle: ntv.de