Olympia-Snowboarderin klagt an Ist der Verband Schuld an ihrer Depression?
07.02.2020, 21:53 Uhr
Silvia Mittermüller fühlt sich vom Verband verraten und beschuldigt ihn schwer.
(Foto: picture alliance/dpa)
Snowboard Germany muss sich eines heftigen Vorwurfs erwehren: Der Verband trage Mitschuld an ihrer Depression, sagt Fahrerin Silvia Mittermüller. Weil der Verband sie nicht mehr fördert, verliert sie ihre Lebensgrundlage und kann damit lange nicht umgehen. Der Sportdirektor verweist auf Ministeriumsrichtlinien.
Olympia-Teilnehmerin Silvia Mittermüller hat schwere Vorwürfe gegen Snowboard Germany erhoben und den Verband mitverantwortlich für eine Depression gemacht, an der sie 2018 erkrankt war. "Der Verband hat mich da reingetrieben", sagte Mittermüller dem Magazin "Der Spiegel". Als Ursache für ihre gesundheitlichen Probleme nennt Mittermüller den Verlust ihres Kaderplatzes.
Sportdirektor Andreas Scheid wies die Anschuldigungen zurück. "Wenn wir gewusst hätten, dass sie in eine Depression hineinrutscht oder sich als Opfer fühlt, hätten wir das aufgearbeitet. Wir haben Sportpsychologen, Ärzte, wir hätten ihr alles zur Verfügung gestellt", sagte er.
Der Verband hatte Mittermüller wenige Wochen nach Olympia 2018 in Pyeongchang offenbart, dass er nicht mehr auf sie setze. In Südkorea hatte sich die Freestyle-Snowboarderin im Wettkampf am Knie verletzt.
"Keine sportliche Zukunft"
"Man sagte mir ins Gesicht: Du hast keine sportliche Zukunft", berichtete die 36-Jährige, "ich sei zu alt und zu verletzt, um je wieder auf Weltcup-Niveau fahren zu können." Dadurch verlor Mittermüller auch ihren Platz als Sportsoldatin und die Unterstützung der Deutschen Sporthilfe. Sie sei daraufhin in eine Krise gefallen, im Sommer 2018 sei bei ihr eine "schwere depressive Episode" diagnostiziert worden. Mittermüller berichtet von konkreten Suizidplänen. Sie sei auch in stationärer Behandlung gewesen. Erst 2019 habe sich ihr Zustand wieder gebessert.
- Bei Suizidgefahr: Notruf 112
Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
- Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
- Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
- In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
- Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).
Scheid verweist auf den Neuaufbau der Freestyle-Sparte nach den verpassten Zielen bei den Winterspielen und betont, der Verband sei "jederzeit für ein Gespräch offen. Wir wollen und werden öffentlich nicht mit Dreck schmeißen." Er betonte, dass Snowboard Germany oft versucht habe, ihr zu helfen. Etwa habe er sich dafür eingesetzt, dass Mittermüller an einem Olympiastützpunkt trainieren könne. "Wir haben sie unterstützt, konnten sie aber nicht mehr fördern." Durch die klare Vorgabe des Bundesinnenministeriums, Fördergelder auf Athleten mit Medaillenpotenzial bei Großereignissen zu konzentrieren, habe der Verband die damals 34-Jährige nicht mehr im Kader behalten können, erklärte Scheid.
Auch dem Comeback-Plan von Mittermüller, die für eine Weltcup-Rückkehr in Eigenregie die notwendigen Ranglistenpunkte eingefahren hat, steht Snowboard Germany nicht im Wege. "Wir sind keine Verhinderer, sondern Förderer des Wettkampfsports", sagte Scheid. Die Münchnerin will in der kommenden Woche beim Weltcup in Calgary starten.
Quelle: ntv.de, ara/sid/dpa