Sport

Ebner kocht Tschechen ab Italiens WM-Traum wird jetzt sogar für Deutschland gefährlich

Italien feiert, der Rest staunt.

Italien feiert, der Rest staunt.

(Foto: IMAGO/Eibner)

In 78 Jahren WM-Geschichte schafft die italienische Handball-Nationalmannschaft nach beinahe drei Dekaden Pause zum zweiten Mal die Qualifikation. Nun wähnen sie sich in einem Traum – aus dem sie gegen Deutschland ein Wunder machen könnten.

Es ist kurz vor halb acht am Abend, als die Jyske Bank Boxen kocht: Auf dem Feld feiert eine entfesselte italienische Nationalmannschaft zu beatlastigem Italopop und die Menschen auf den Rängen feiern mit. 25:18 (14:9) schlagen die Italiener die Tschechien, die Zuschauerinnen und Zuschauer in Herning lieben das. Auf ihrer Ehrenrunde werden die Italiener, die allesamt zum ersten Mal bei einem großen Turnier dabei sind, gefeiert, als wäre das Spiel in Rom ausgetragen worden. Obwohl: Dort interessiert sich (noch) beinahe niemand für Handball. Aber daran, das zu ändern, arbeiten sie hier begeisternd, bei ihrem ersten WM-Auftritt seit 28 Jahren.

Italien ist in Herning rot-weiß, denn natürlich sind hier nahezu keine Tifosi, dafür Tausende dänische Fans, die die italienischen Außenseiter in der ersten Turnierwoche ins Herz geschlossen haben. Nun erleben hier alle gemeinsam eine große Handball-Geschichte.

Immer wieder gelang dem Außenseiter gegen überforderte Tschechen das, woran die deutsche Mannschaft in ihrem Spiel gegen den gleichen Gegner vor zwei Tagen noch mehr als eine Halbzeit lang immer wieder gescheitert war: Die Abwehr Tschechiens mit Spielfluss und Ideenreichtum auseinanderzuspielen - und dann die sich bietenden Chancen auch zu nutzen. Die Tschechen, die sich in ihrer Vorrunde so defensivstark präsentiert hatten, waren gegen Italien vom Start weg chancenlos. Es ist der dritte Sieg im vierten WM-Spiel für diese italienische Handball-Generation.

Nächste Party d'Italia

Einer, den sie besonders lieben, ist Domenico Ebner, der deutsche Gigant im italienischen Tor. Der Torhüter kam als letzter Spieler seines Teams vom Feld, die Fans auf der mächtigen Stehtribüne in der Jyske Bank Boxen spendeten ihm einen Extra-Applaus. Ebner, der fünffache Handballspieler des Jahres am Stiefel, wurde in Freiburg geboren und nahm erst verspätet die italienische Staatsbürgerschaft an. Nun ist der Torwart, der seit vielen Jahren in der Bundesliga und aktuell bei SC DHfK Leipzig spielt, das Herz der Azzurri. Ein bisschen "Dolce-Vita-Feeling" wollte man gemeinsam mit den Fans in Herning erleben, hatte der 30-Jährige versprochen.

Domenico Ebner ist eines der Gesichter des Erfolgs.

Domenico Ebner ist eines der Gesichter des Erfolgs.

(Foto: IMAGO/Eibner)

"Wir wollen das dänische Publikum für uns für die Hauptrunde gewinnen, dass sie uns auch da unterstützen. Es ist für sie ja auch nicht normal, so ein Team auf der Platte zu sehen, das so viel Spaß hat." Es gelang, man begeistert sich nun wechselseitig. Möglicherweise auch, weil die Italiener nach ihren beiden Auftaktsiegen bei der bösen 20:39-Klatsche gegen die Hausherren die "echte" dänische Handball-Party auch nur ansatzweise zu stören.

Der erfahrene Ebner geleitete nun Mitte der zweiten Hälfte seinen jungen Kollegen Leo Prantner, der bei diesem Turnier so groß aufspielt, in dieser Situation aber eine unnötige Zwei-Minuten-Strafe produzierte und darüber kreuzunglücklich war, selbst mit auf die Bank, gab dem Rechtsaußen noch ein paar aufmunternde Worte mit - und begleitete dann von außen den eigenen Angriff in Hockstellung. Bereit für den Panthersprung zurück ins Tor, das er so konsequent vernagelte.

Ebner, der Deutsch-Italiener, der sich vor acht Jahren für eine Karriere in der damals völlig bedeutungslosen italienischen Nationalmannschaft entschieden hatte, hielt hinten stark und schaltete sich immer wieder wortreich ins Angriffsspiel ein - freilich wenn das Spiel ruhte. Nach einer Doppelparade drei Minuten vor Schluss feierte er schon mit der Bank. Es wäre nicht vermittelbar gewesen, hätte man die "Numero Uno" nicht zum Spieler des Spiels gemacht. Aber natürlich lieferte die Jury - und dann startete die nächste Party d’Italia - nahezu komplett in Rot und Weiß.

Achtung, Deutschland!

"Wenn das ein Traum ist, weckt uns bitte nicht auf", hatte Kapitän Andrea Parisini nach dem zweiten Vorrundensieg gegen Algerien nahe den Tränen gefleht, als der Einzug in die Hauptrunde feststand. Ebner hatte vor dem Turnier gesagt, es wäre ein Traum, auf dieser Bühne gegen die deutsche Mannschaft spielen zu dürfen. Nun könnte aus dem Traum ein Wunder werden: Nach dem ersten Hauptrundenspiel hat Italien vier Punkte auf dem Konto. Das Duell mit dem DHB-Team (Donnerstag, 18 Uhr/ZDF und im Liveticker auf ntv.de) könnte durch die herbe deutsche Klatsche gegen Dänemark (30:40) schon eine kleine Vorentscheidung auf dem Weg in die K.-o.-Runde sein. Verliert Italien, steht Deutschland im Viertelfinale. Gewinnen sie, sind sie noch einen Punkt von der K.o.-Runde entfernt.

"Deutschland entscheidet, wer dieses Spiel gewinnt", hatte Bob Hanning, Macher der Füchse Berlin und ehemaliger Vizepräsident des DHB, noch vor dem Spiel im Gespräch mit ntv.de gesagt. "Kommt die deutsche Mannschaft an ihre Leistungsgrenze, sind die Italiener chancenlos. Wenn nicht, kann Italien eines von 30 Spielen in dieser Konstellation gewinnen. Wobei man ganz klar sagen muss: Die Italiener, die teilweise in der zweiten Liga spielen und zur Hälfte noch in der zweitklassigen italienischen Liga, sind es nicht gewohnt, so viele Spiele auf höchstem Niveau innerhalb so kurzer Zeit zu bestreiten. Das ist schon alleine eine große Herausforderung." Von solcherlei Bedenken werden sich die Italiener nun aber wohl nicht mehr aufhalten lassen wollen. So kurz, bevor sie aus dem Traum im Wunderland aufwachen könnten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen