Kann die Tour wieder gewinnen Kluge nimmt Ullrich in Schutz
18.07.2002, 13:54 UhrDer ehemalige Querfeldein-Weltmeister Mike Kluge hat den Rad-Olympiasieger und Tourgewinner Jan Ullrich vor Kritik in Schutz genommen. „Jan ist ein Mensch mit Gefühlen, keinesfalls ein Betrüger. Und trotzdem dreschen die Medien auf ihn ein“, sagte Kluge in einem Interview mit dem „Kicker“ (Donnerstag-Ausgabe).
„Ich könnte mir vorstellen, dass jetzt am Ende dieser Geschichte ein historischer Sportler wie Jan Ullrich vernichtet wird.“ Das habe Ullrich nicht verdient, meinte Kluge weiter. "Lässt man ihn in Ruhe, kann er auch wieder die Tour gewinnen.“
Indes konnte Kluge bei Ullrich aus verständlichen Gründen einen Verlust an Selbstvertrauen feststellen. „Ist aber auch klar, dass er sich nach der Knieoperation Gedanken macht, wie man wieder in die Gänge kommt. Was hinter Jan liegt, ist schließlich mehr als eine Bronchitis oder ein Armbruch.“ Man tue hier aber einem Menschen unrecht, der in kurzer Zeit sehr populär geworden sei. „Der Druck in einer solchen Situation ist enorm."
Wissenschaftler fordert Haaranalyse
Zuvor hatte Fritz Sörgel, der Leiter des Instituts für pharmazeutische Forschung in Nürnberg, in einem Gespräch mit dem Berliner „Tagesspiegel“ gefordert, Ullrich solle sich nach de Einnahme von Amphetaminen einer Haaranalyse unterziehen.
Nach Ansicht des 51-jährigen Wissenschaftlers, der in den Fall des gedopten 5000-m-Olympiasiegers Dieter Baumann eingeschaltet war, kann auf diese Weise festgestellt werden, ob Ullrich tatsächlich nur einmal Aufputschmittel zu sich genommen hat.
Sörgel hegt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Radprofis. „Ich bin überrascht, wie man mit so einem Interview die Öffentlichkeit ruhig stellen kann.“ Er habe Ullrich bei dessen öffentlicher Erklärung „natürlich nicht geglaubt. So viele Zufälligkeiten, wie er beschrieben hat, will man nicht glauben.“
Sörgel bezeichnete es als „unverzeihlichen Fehler“ des zuständigen Verbands, nicht sofort nach bekannt werden der positiven Probe von Ullrich eine Haarprobe verlangt zu haben. Hätte Ullrich nicht zugestimmt, wäre Skepsis nicht mehr fehl am Platze.
Ullrichs Haaranalyse kann aber auch gerichtlich angeordnet werden. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen den Radprofi wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Bisher hatte der Tour-de-France-Sieger von 1997 nur den einmaligen Konsum verbotener Rauschmittel eingeräumt. Dies ist in Deutschland kein Straftatbestand. Allerdings ermitteln die Staatsanwälte, um den Inhaltsstoff der Tabletten aufzuklären. Außerdem interessiert die Fahnder, von wem Ullrich die Spaßmacher-Pillen erhalten hatte.
Eventuell kann Ullrich auch der mehrfache Konsum von Amphetaminen nachgewiesen werden. In solchen Fällen wird häufig ein Haar-Test in Betracht gezogen.
Jan Ullrich hatte sich nach seiner Drogenbeichte in die USA abgesetzt. Niemand kennt seinen genauen Aufenthaltsort außer der Anti-Doping-Kommission. Dort musste er seine derzeitige Anschrift angeben, da er jederzeit erneut auf verbotene Substanzen getestet werden kann.
Das von Ullrich geplante Comeback wird für viele Kollegen immer unwahrscheinlicher. Jörg Jaksche vom Once-Team erklärte, die meisten Radfahrer seines spanischen Teams hätten Jan Ullrich schon jetzt vergessen. Ullrich sei nicht so groß, „als dass man sich im Ausland noch für ihn interessieren würde“, sagte der frühere Teamgefährte des Merdingers. Ullrich wäre schließlich kein Lance Armstrong. Ob mit harten Worten oder bloßem Sinn für die Realität, fügt der Ex-Kollege noch hinzu: “Der Sport ist eben schnelllebig.“
Quelle: ntv.de